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Vor 50 Jahren
Todestag des Theaterleiters Heinz Hilpert

So hemdsärmelig bis rau sein Umgangston sein konnte, so poetisch und feinnervig war sein Wesen: Heinz Hilperts künstlerisches Wirken in der Weimarer Republik, im Berlin des Nationalsozialismus und im Nachkriegs-Westdeutschland ist ein Spiegel des vergangenen Jahrhunderts. Vor 50 Jahren starb er.

Von Hildegard Wenner |
    Szene aus dem Theaterstück "Des Teufels General" von Carl Zuckmayer mit Carl Raddatz (r) in der Titelrolle und Edith Schneider als Olivia Geiss, aufgenommen während einer Probe am 19.01.1967 im Schiller-Theater in Berlin. Im Hintergrund Joseph Noerden (l) als Kellner Detlev und Claus Holm als Pfundtmayer. Die Premiere der Neuinszenierung unter der Regie von Heinz Hilpert findet am 22.01. 1967 in Anwesenheit des Dichters statt. | Verwendung weltweit
    Szene aus dem von Heinz Hilpert inszenierten Theaterstück "Des Teufels General" von Carl Zuckmayer (dpa)
    "Ich habe es immer furchtbar empfunden, wenn Dekorationen beklatscht werden, oder solche äußerlichen Dinge, die dem Theater dienen, aber es nicht ausmachen sollten."
    Bühnenbildner waren in Heinz Hilperts Inszenierungen nicht arbeitslos, aber vor allem galt dort das geschriebene und gesprochene Wort des Dichters. "Einfälle sind die Läuse der Gedanken", befand der Regisseur und Intendant, die den Erziehungsauftrag der moralischen Anstalt nur gefährden konnten.
    "Das Theater hat weder der Politik noch der Zerstreuung zu dienen, sondern nur dem ganzen Menschen. Ihn selbstständig in sich hineindenken zu lassen, schenkt dem Menschen Freiheit."
    In Abendkursen zum Schauspieler
    Mit dem pädagogischen Kanon war Heinz Hilpert bestens vertraut. Der gelernte Lehrer, am 1. März 1890 in Berlin geboren, drückte selbst noch einmal die Schulbank, ließ sich in Abendkursen zum Schauspieler ausbilden, stand mit knapp dreißig endlich auf den Brettern der Berliner Volksbühne, schnell auch am Regiepult. Der Handwerker Hilpert bediente nicht das Bild des Genies wie etwa seine Zeitgenossen Jürgen Fehling und Gustaf Gründgens, er war der bodenständige Arbeiter in Thalias Weinberg. Meistens.
    "Als Hilpert und ich uns am Schluss auf der Bühne verbeugten und von den Gegnern mit gellenden Pfiffen bedacht wurden, streckten wir den Pfeiffern und Pfuirufern die Zunge heraus", erinnerte sich Carl Zuckmayer, dessen frühes Stück "Pankraz erwacht oder die Hinterwäldler" Hilpert am Deutschen Theater 1925 inszenierte.
    Von Max Reinhardt, Eigentümer und Intendant des Hauses, prompt zum Oberspielleiter berufen, ergatterte Hilpert dann auch die Uraufführung von Zuckmayers berühmterem "Hauptmann von Köpenick", von Horvaths "Geschichten aus dem Wiener Wald", Ferdinand Bruckners Dramen, deutsche Erstaufführungen von Eugene O’Neill und Elmer Rice, überhaupt die Rosinen der späten Weimarer Republik - Abstecher ins Filmgewerbe inklusive. Den "fleißigsten Regisseur Berlins" nannte ihn der Kritiker Herbert Ihering.
    Mit dem Segen von Reinhardt
    Als Berlin braun und der Jude Max Reinhardt ins Exil gedrängt wurde, bestellten die Nationalsozialisten Hilpert zu seinem künstlerischen Nachfolger und Pächter des Deutschen Theaters, 1938 auch zum Direktor des Wiener Theaters in der Josefstadt.
    "Ich habe sehr großen Wert darauf gelegt, mit dem Segen von Reinhardt diesen Platz zu beziehen. Und ich habe das Theater, also soweit es ging … immer so geführt, wie ich es auch zu anderen Zeiten geführt hätte."
    Der Segen kam unverzüglich, der Rest war wohl geschicktes Lavieren. Im Kompetenzgerangel zwischen dem obersten Ideologiewächter Alfred Rosenberg, der Hilpert als "unzuverlässig" einstufte, Hermann Göring, zuständig für die preußischen Staatstheater mit Gustaf Gründgens an der Spitze, und Propagandaminister Goebbels, dem das Deutsche Theater direkt unterstand, entdeckte Hilpert so manches Schlupfloch. Vor allem mit "Klassiker"-Inszenierungen brachte er seine "Insel", das Ensemble, auch jüdische Mitarbeiter, so unauffällig wie eben möglich über die Runden. Verbiegungen und Verbeugungen inbegriffen.
    "Ich hab immer gemacht, als wenn ich gar nicht weiß, worum es sich handelt."
    Empört war das Ensemble des Zürcher Schauspielhauses, der Exilbühne, dennoch, dass der "Leiter eines Goebbels-Theaters" schon 1946 dort Max Frischs "Santa Cruz" und – so hatte es sich der eben aus dem Exil zurückgekehrte Zuckmayer gewünscht - "Des Teufels General" uraufführen durfte, den großen Coup der deutschen Nachkriegsgeschichte.
    Sein Entnazifizierungsverfahren musste Heinz Hilpert nicht fürchten: "Als Direktor, Künstler und Mensch (hat er sich) in diesen 12 Jahren beispielhaft benommen."
    Die Sache eines aufgeklärten Despoten
    Nach Berlin aber wollte Hilpert, trotz heftiger Avancen des Oberbürgermeisters Ernst Reuter, nicht mehr zurück. Seine neuen "Inseln" lagen in der Provinz. Allerdings wurde das Deutsche Theater Konstanz bei allem künstlerischen Erfolg bald von Geldnöten überflutet; am Deutschen Theater Göttingen – Hilpert gab seinen Bühnen stets diesen neuen Vornamen – ließen sich die Stadtväter 1950 dann aber auf ganz neue Wege ein:
    "Da hab ich denen gesagt, wir wollen das aber so machen, dass Sie zwar die Subventionen zu dem Theater geben, aber wir wollen eine GmbH daraus machen, die mir künstlerisch vollkommene Freiheit gewährt. So sehr ich für Demokratie bin: Das Theater ist die Sache eines aufgeklärten Despoten."
    Offensichtlich eine Win Win-Situation, denn Hilpert blieb bis kurz vor seinem Tod am
    25. November 1967 Intendant; war weiterhin der fleißigste Regisseur – und ein begehrter Lehrmeister. Für junge Schauspieler jener Zeit war Göttingen die erste Adresse.
    Die Berliner haben Heinz Hilpert aber auch nicht vergessen, vor dem Deutschen Theater steht seine Bronzebüste, auf einem Natursteinsockel, ohne weitere Dekoration.