"Ende gut, alles gut."- Mit diesen knappen Worten kommentierte der sowjetische Botschafter in der DDR, Pjotr Abrassimow, die Unterzeichnung des Viermächte-Abkommens über Berlin. Seit dem Frühjahr 1970 hatten die USA, die Sowjetunion, Großbritannien und Frankreich als Siegermächte des Zweiten Weltkriegs über die Zukunft insbesondere West-Berlins verhandelt. Die vier Botschafter trafen sich zu langwierigen Gesprächen im früheren Kontrollratsgebäude der Alliierten im amerikanischen Sektor Berlins, heute Sitz des Kammergerichts. Am 3. September 1971 kamen sie ein letztes Mal zusammen, um das Abkommen zu unterzeichnen. Darin vereinbarten sie:
"Die vier Regierungen werden bestrebt sein, die Beseitigung von Spannungen und die Verhütung von Komplikationen in dem betreffenden Gebiet zu fördern. Die vier Regierungen stimmen darin überein, dass in diesem Gebiet keine Anwendung oder Androhung von Gewalt erfolgt und dass Streitigkeiten ausschließlich mit friedlichen Mitteln beizulegen sind."
"Dass es in Zukunft keine Berlin-Krisen mehr geben soll"
Damit waren die Konflikte früherer Jahre entschärft, als sich in der heißen Phase des Kalten Krieges in Berlin amerikanische und sowjetische Panzer gegenübergestanden hatten, die Sowjetunion West-Berlin dem Staatsgebiet der DDR einverleiben wollte und der Mauerbau die Stadt teilte. Bundeskanzler Willy Brandt wandte sich noch am Abend des 3. September an die Öffentlichkeit:
"Liebe Landsleute. Viele von Ihnen werden nach der eigentlichen Bedeutung des Abkommens fragen, das heute in Berlin unterschrieben wurde. Nun, ich meine, die eigentliche Bedeutung liegt darin, dass es in Zukunft keine Berlin-Krisen mehr geben soll."
Konkrete Erleichterungen des Grenzverkehrs
Pragmatische Erwägungen des politisch Machbaren hatten die ideologischen Gegensätze zurückgedrängt. Das Abkommen beinhaltete konkrete Verpflichtungen und erleichterte den Verkehr zwischen West-Berlin und der Bundesrepublik
"Die Regierung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken erklärt, dass der Transitverkehr von zivilen Personen und Gütern zwischen den Westsektoren Berlins und der Bundesrepublik Deutschland auf Straßen, Schienen- und Wasserwegen durch das Territorium der Deutschen Demokratischen Republik ohne Behinderungen sein wird, dass dieser Verkehr erleichtert werden wird."
De facto Zugehörigkeit West-Berlins zur Bundesrepublik verbrieft
West-Berlin war zwar weiterhin kein konstitutiver Teil der Bundesrepublik, die USA, Großbritannien und Frankreich betonten aber zugleich, dass die Bindungen zwischen den drei Westsektoren Berlins und der Bundesrepublik vertieft werden sollten. Bonn verpflichtete sich wiederum, keine Bundestagssitzungen und keine Wahl des Bundespräsidenten mehr in West-Berlin abzuhalten. Im Gegenzug akzeptierte die Sowjetunion die faktische Zugehörigkeit West-Berlins zur Bundesrepublik, so Klaus Schütz, Regierender Bürgermeister von Berlin:
"Das Abkommen bringt uns einen unbehinderteren Zugang als bisher und bringt uns endlich die Möglichkeit, wieder mit unseren Freunden und Verwandten in Ost-Berlin und der DDR zusammenzukommen."
Keine schikanösen Kontrollen mehr
West-Berlinerinnen und -Berliner konnten ab 1972 an 30 Tagen im Jahr nach Ost-Berlin und in die DDR fahren. Telefongespräche über die Mauer hinweg waren wieder möglich, und die DDR garantierte eine schnelle Abfertigung am Auto oder im Zug auf dem Weg von und nach West-Berlin ohne die vorher üblichen schikanösen Kontrollen und langen Wartezeiten. Der sowjetische Botschafter Pjotr Abrassimow wertete das Abkommen als Grundlage, frühere Spannungen abzubauen:
"Ich möchte hervorheben, dass das jetzige Abkommen in den letzten 15 Jahren das bedeutendste Dokument der vier Mächte ist, das wichtige mit der Sicherung des Friedens und der Entspannung im Zentrum Europas zusammenhängende Fragen regelt.
Das Abkommen war ein wichtiger Schritt im Rahmen der "neuen Ostpolitik" der Bundesregierung unter Willy Brandt. Ziel war, die Beziehungen zur DDR, der Sowjetunion und Polen zu normalisieren und das Leben der Menschen insbesondere in Berlin zu erleichtern. Brandt warnte allerdings vor überzogenen Erwartungen:
"Wer wünschte nicht, dass mehr erreicht werden könnte? Dass es keine Grenzen gäbe, an denen geschossen wird. Im Ernst hat jedoch niemand erwarten können, dass in dieser Phase der Geschichte die Mauer verschwinden würde." - nicht in dieser Phase, aber 18 Jahre später war die Berliner Mauer Geschichte.