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Vor 50 Jahren vor Amchitka
Auf dem Fischkutter gegen Atomtests - die erste Greenpeace-Protestaktion

"Greenpeace" taufen zwölf Aktivisten den abgetakelten Kutter, mit dem sie am 15. September 1971 in Vancouver ablegen, um einen US-Atombombentest zu verhindern. Vergeblich - und doch wird die Irrfahrt zum ersten Erfolg für die heute weltgrößte Umweltschutzorganisation.

Von Dagmar Röhrlich |
    Ein Schwarzweiß-Foto von 1971 zeigt den Greenpeace-Mitgründer Bob Hunter mit langen Bart und Stirnband am Steuerrad des Kutters Phyllis Cormack
    Bob Hunter (links) und Ben Metcalfe an Bord der Phyllis Cormack auf Kurs nach Amchitka (picture-alliance/ Robert Kezeire)
    Der Anfang der 1970er-Jahre. Die Sowjetunion und die USA bedrohten einander mit weit mehr als 50.000 Nuklearsprengköpfen. Und immer wieder gab es Atomtests – 1970 soll beim Amchitka-Konzert in Vancouver Geld gesammelt werden, um einen Atomtest zu verhindern.
    Ein Jahr zuvor hatte die US-Regierung verkündet, auf der Aleuten-Insel Amchitka unterirdisch eine Wasserstoffbombe zu zünden. Widerstand formierte sich. Das Zentrum: Vancouver. Viele fürchteten Schäden für die Umwelt und Tiere und glaubten, dass schwere Erdbeben und ein Tsunami ausgelöst werden könnten.
    Eine der Gruppen: das "Don't Make a Wave-Committee", zu Deutsch: "Mach' keine Welle". Ein Mitglied war der Journalist und Greenpeace-Gründer Bob Hunter. In dem Komitee hatten sich Friedensbewegte und Naturschützer zusammengeschlossen. Eines Abends verabschiedete sich einer von ihnen wie immer mit "Peace". Und ein anderer antwortete: "Make it a green peace!"

    Eine bunte Truppe stach in See - auf der "Greenpeace"

    Der Name war in der Welt. Um die Menschen hinter sich zu bringen, plante die Gruppe eine aufsehenerregende Protestaktion: Sie wollte den Test durch ein Schiff verhindern. Am 15. September 1971 stach der heruntergekommene Fischkutter Phyllis Cormack in See – vorübergehend umgetauft auf "Greenpeace" - "John Cormack war der einzige Skipper an der Westküste, den das Komitee finden konnte, der bereit war, sein Schiff und sein Leben zu riskieren", schrieb Bob Hunter 33 Jahre nach der Fahrt.
    May 1, 2014 - Rotterdam, Netherlands - A banner reading No Arctic oil! hangs from Greenpeace s Rainbow Warrior docked next to the Russian oil tanker Mikhail Ulyanov at the harbour of Rotterdam on May 1, 2014. Dutch police arrested around 30 Greenpeace activists, including the captain of the lobby group s iconic Rainbow Warrior, as they tried to stop the Russian tanker delivering Arctic oil from docking. PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxONLY - ZUMAn23 May 1 2014 Rotterdam Netherlands a Banner Reading No Arctic Oil Hangs from Greenpeace S Rainbow Warrior docked Next to The Russian Oil Tankers Mikhail Ulyanov AT The Harbour of Rotterdam ON May 1 2014 Dutch Police Arrested Around 30 Greenpeace activists including The Captain of The Lobby Group S Iconic Rainbow Warrior As They tried to Stop The Russian Tankers Delivering Arctic Oil from Docking PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxONLY ZUMAn23
    50 Jahre Greenpeace - Hinfahren und die Skandale vor die Kameras bringen
    Im 50. Jahr ihres Bestehens bleibe für die Umweltorganisation die größte Herausforderung heute die Menschheitsaufgabe Klimaschutz, sagte Martin Kaiser, Geschäftsführer von Greenpeace Deutschland, im Dlf.
    Sie waren zu zwölft an Bord. Eine bunte Truppe: vom Vietnamkriegsveteran bis zum Ökologen. Die Seekrankheit setzte ihnen zu. Trotzdem mussten sie durch Berichte von ihrer Fahrt für globale Aufmerksamkeit sorgen: "Dieser kleine 99-Tonnen-Heilbutt-Kutter ist noch nicht untergegangen, aber die Herbst- und Winterstürme hier oben sind phänomenal. Winde von 120 Meilen pro Stunde sind nicht ungewöhnlich."

    Die Aktion erregte weltweit Aufsehen

    Mit den technischen Mitteln von damals war die Aufgabe, bei Sturm die Welt auf dem Laufenden zu halten, ein Albtraum, schrieb Bob Hunter: "Manchmal musste ich die Worte Buchstabe für Buchstabe über das Funkgerät zum Redakteur in der Nachrichtenredaktion schreien."
    Die Aktion machte weltweit Schlagzeilen. Dann erklärte die US-Regierung, der Test sei für Ende Oktober vorgesehen. Man wäre viel zu früh angekommen. Vor Amchitka zu warten, ging wegen der Stürme nicht. Die Vorräte wurden knapp. Man beschloss, auf der Aleuten-Insel Akutan an Land zu gehen – nach elf Tagen auf See:
    "Wir fühlen uns wild und frei wie Kinder, die einem Kerker entkommen sind. Wir sind mit einem einzigen Schritt in ein Reich eingetreten, das so unerträglich intensiv und schillernd ist wie die Welt der Schizophrenie und des LSD. Wir sahen Explosionen, die aus rasenden Grashalmen aufblitzen."

    Zuspruch von der Mannschaft der Küstenwache

    Am nächsten Tag ging es weiter. Da fing die US-Küstenwache die Phyllis Cormack ab. Man sei ohne Zollabfertigung und damit illegal nach Akutan eingereist. Während John Cormack den Belehrungen zuhörte, die der Kommandant der Confidence ihm erteilte, übergab die Mannschaft den Aktivisten einen Zettel: "Aufgrund der Situation, in der wir uns befinden, haben wir, die Besatzung der Confidence, das Gefühl, dass das, was Sie tun, zum Wohle der gesamten Menschheit ist." Wir stehen zu 100 Prozent hinter Ihnen."
    Die Aktivisten waren begeistert. Doch zur nächsten Zollstelle nach Sand Point mussten sie trotzdem. Amchitka war damit sehr weit weg. Was tun? Weitermachen mit dem abgetakelten Kutter? Sie stritten tagelang. Dann die Entscheidung: Es geht zurück nach Vancouver. Bob Hunter war wütend und traurig: "Es schmerzt mich zu erkennen, dass eine Revolution nicht schneller und weiter gehen kann als die Menschen selbst."
    Sie fühlten sich geschlagen. Doch in Vancouver wurden sie gefeiert. Zwar wurde die Bombe am 6. November gezündet. Tsunami und Erdbeben blieben aus, rund 1.000 Seeotter starben. Doch Greenpeace gewann. Im Februar 1972 beendete die US-Regierung die Tests auf Amchitka.