Archiv

Vor 525 Jahren gestorben
Der italienische Philosoph Pico und "die Würde des Menschen“

Der Italiener Pico della Mirandola war einer der bedeutendsten Denker der Renaissance. Mit seinen 900 Thesen verknüpfte er religiöse und philosophische Lehren, der Papst verurteilte das als Ketzerei. Pico della Mirandola starb im Alter von nur 31 Jahren – er wurde vergiftet.

Von Maike Albath |
    Portrait des italienischen Philosophen Giovanni Pico della Mirandola (1463-1494).
    Portrait des italienischen Philosophen Giovanni Pico della Mirandola (1463-1494) (imago / Leemage)
    Ein scharfer Verstand, ein herausragendes Gedächtnis, klare und geschliffene Sprechweise und dann noch eine einnehmende Erscheinung – die italienischen Gelehrten waren hingerissen von dem schönen jungen Mann, der um 1480 auf sich aufmerksam machte. Giovanni Pico della Mirandola, 1463 als Sohn eines Grafen in dem Städtchen Mirandola bei Modena geboren, begann schon mit 14 das Studium der Rechtswissenschaften an der Universität von Bologna. Von dort wechselte er nach Ferrara und später nach Padua und wandte sich der Philosophie zu.
    Der Altphilologe Sinan Gudžević hat sich mit Picos Schaffen auseinandergesetzt und unter anderem seine berühmteste Rede, die "Rede über die Würde des Menschen" ins serbische übersetzt. Über Picos Vision sagt er: "Er hat Marsilio Ficino kennengelernt, Savonarola kannte er auch, und er war von der Idee besessen, in Rom einen großen Kongress zu organisieren, wo Gelehrte aus aller Welt über 900 philosophische Thesen, die er aufgezählt und katalogisiert sozusagen hat, diskutieren."
    Vom Papst verurteilte Thesen
    Picos Ansatz war revolutionär: Es ging ihm um die universellen Grundlagen aller philosophischen und religiösen Lehren und damit um deren Vereinbarkeit. Den Thesen, die der Philosoph 1486 veröffentlichte, stellte er die mit stilistischer Eleganz verfasste "Rede über die Würde des Menschen" voran. Darin heißt es:
    "Weder haben wir dich himmlisch hoch, noch unsterblich geschaffen, damit du wie dein eigener, in Ehre frei entscheidender, schöpferischer Bildhauer dich selbst zu der Gestalt ausformen kannst, die du bevorzugst. Du kannst zum Niedrigen, zum Tierischen herabsinken; du kannst aber auch zum Höheren, zum Göttlichen wiedergeboren werden, wenn deine Seele es beschließt."
    Sinan Gudžević dazu: "Die 900 Thesen wurden nicht vom Papst, vom Klerus akzeptiert, 13 davon wurden als häretisch verurteilt. Pico hat diese 13 verteidigt, und diese Schrift trägt den Titel ‚Apologia‘. Als der Papst erfahren hat, dass er nicht nur diese Schrift verfasst, sondern sie auch veröffentlicht hat, hat er alle 900 Thesen verurteilt, und deswegen ist Pico gezwungen worden, nach Frankreich zu fliehen, wo er auch verhaftet wurde und danach mit Hilfe von Karl VIII. befreit."
    Die Freiheit des Menschen betont
    1488 konnte Pico della Mirandola nach Florenz zurückkehren, wo er unter dem Schutz von Lorenzo de‘ Medici stand. Pico, der Arabisch, Aramäisch und Hebräisch beherrschte und sich auch mit der jüdischen Kabbala beschäftigt hatte, widmete sich vor allem religiösen Studien. Im Herbst 1494 wurde der in ganz Europa verehrte Gelehrte plötzlich schwer krank.
    "Er ist ja im Alter von 31 Jahren gestorben, am 17. November 1494, und wurde im dominikanischen Kloster San Marco zu Florenz beigesetzt", erzählt Gudžević.
    Schon seine Zeitgenossen hegten den Verdacht, dass er vergiftet worden sei, was sich erst vor wenigen Jahren bestätigte. Mit seiner Rede, die posthum 1497 veröffentlicht wurde, markierte Pico della Mirandola die Ablösung von der mittelalterlichen Tradition der Entsagung und betonte die Freiheit des Menschen.
    "Dieser erste Artikel der deutschen Verfassung erinnert mich immer an Pico della Mirandola, an die Würde des Menschen, Dignitas hominis. Das ist etwas Erfreuliches, etwas ganz Schönes, finde ich, es ist auch etwas, was den Bürger verpflichtet", sagt Gudžević.
    Pico della Mirandola schrieb mit seiner "Rede über die Würde des Menschen" den herausragenden Text der Renaissance. Den freien Willen verstand er als eine schöpferische Kraft, die es zu nutzen gilt.