Als sich Johanna von Kastilien und Philipp von Österreich im flämischen Lier zum ersten Mal gegenüberstehen, sind beide elektrisiert. Der gerade einmal 18-jährige Thronfolger ist hingerissen von der zarten Erscheinung, die 16-jährige Johanna überwältigt von dem schönen jungen Mann mit dem langen, dunklen Haar.
"Beim ersten Blick entfachte sich die fleischliche Lust der beiden jungen Menschen mit einem solchen Feuer, dass sie den ersten Priester riefen ließen, den sie fanden, um seinen Segen zu erhalten und die Ehe noch am gleichen Nachmittag vollziehen zu können", schreibt der deutsche Hispanist Ludwig Pfandl. Eine Woche vor der offiziellen Hochzeitsfeier am 20. Oktober 1496 werden Johanna und Philipp miteinander vermählt.
Doch was so leidenschaftlich begann, entwickelt sich bald zu einer von Eifersucht und politischen Ränkespielen geprägten Beziehung, die die junge Frau den Verstand kosten soll. Denn das Ehebündnis ist in erster Linie Teil einer Machtstrategie, mit der das Haus Habsburg und die katholischen Könige das verfeindete Frankreich isolieren wollen.
Philipp entfremdet sich
Die ausschweifenden Feste in Burgund verunsichern die streng katholisch erzogene Johanna. Sie fordert von ihrem Mann Leidenschaft und absolute Hingabe, doch er fühlt sich eingeengt und verliert das Interesse an ihr. Am Hof lacht man über die eigenwillige Spanierin, die den Erzherzog noch hochschwanger zum Tanz begleitet und dort während des Balls ihr zweites Kind gebiert.
Als Johanna durch mehrere Todesfälle in der spanischen Thronfolge nachrückt, reist das Paar mit opulentem Gefolge nach Spanien. Hier soll sie von ihrer Mutter Isabella von Kastilien das Regieren lernen. Der ehrgeizige Philipp freut sich über den Machtgewinn, will aber nicht lange bleiben und reist allein nach Flandern zurück. Johanna tobt. Besorgt protokollieren die Ärzte:
"Sie schläft schlecht, isst sehr wenig, manchmal gar nichts. Sie fragt nur nach ihrem Mann, versinkt in ihrer Verzweiflung und streift Tag und Nacht ziellos hin und her."
Johanna wird zum Spielball der Interessen
Dass die Thronfolgerin so hemmungslos persönliches Leid über Staatsräson stellt, weckt Zweifel an ihrer Regierungsfähigkeit. Königin Isabella lässt die Tochter zwar zu ihrem Mann zurückkehren, stellt ihr testamentarisch aber Vater Ferdinand als Regenten zur Seite, sollte Johanna die Staatsgeschäfte nicht übernehmen können.
Die mächtige Monarchin stirbt im November 1504 – und Johanna wird zum Spielball der Interessen. Hatte Philipp die Gerüchte um den angeblichen Wahnsinn seiner ungeliebten Frau zunächst befördert, gefährden sie jetzt ihren – und damit seinen – Anspruch auf den spanischen Thron. Vermutlich auf sein Geheiß schreibt Johanna im Mai 1505:
"Wenn ich mich von der Leidenschaft hinreißen ließ und in einen Zustand verfiel, der meiner Würde nicht entsprach, dann war der einzige Grund dafür Eifersucht. Aber deswegen will ich König Philipp, meinem Herrn und Ehemann, doch nicht die Macht über meine Reiche nehmen."
Früher Tod von Philipp
Mit Johanna als Unterpfand hebelt Philipp die Machtansprüche seines Schwiegervaters aus. Doch nur 18 Tage nach seinem triumphalen Einzug in Burgos stirbt der frisch gekrönte König. Johanna bricht zusammen. Sie lässt den Leichnam ihres Gatten wieder ausgraben, um ihn im 700 Kilometer entfernten Granada zu bestatten. Über den Trauerzug der hochschwangeren Königin schreibt Chronist Pedro Mártir de Anglería:
"Wir reisen nur nachts. Vier friesische Pferde ziehen den Karren. Als wir in Torquemada halten, müssen bewaffnete Soldaten die Pfarrkirche bewachen, ganz so, als ob ein feindlicher Angriff drohe."
Nach einer mehr als einjährigen Irrfahrt sucht Ferdinand seine inzwischen völlig verwahrloste Tochter auf. Sie überlässt ihm die Regentschaft. Doch seine Macht ist noch nicht gesichert. Um zu verhindern, dass die Anhänger des verstorbenen Philipp Johanna entführen und als Druckmittel einsetzen, lässt Ferdinand seine Tochter in der Festung Tordesillas einsperren.
46 Jahre in Gefangenschaft
Ihr Gefängnis wird "Johanna, die Wahnsinnige" nicht mehr verlassen. Niemand aus der Familie hat Interesse daran, die rechtmäßige Königin in Freiheit zu sehen: auch nicht Sohn Karl, der Ferdinand 1516 auf den Thron folgt. Als Johanna am 12. April 1555 stirbt, hat sie 46 Jahre ihres Lebens hinter Mauern verbracht.
* An dieser Stelle haben wir die Nationalität angepasst.