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Vor 525 Jahren
Kolumbus und der Tabak

"Kräuter, deren Rauch sie tranken": Es waren für Europas Lungen folgenschwere Zeilen, die Christoph Kolumbus am 6. November 1492 in sein Logbuch schrieb, und von einem seltsamen Rauchritual der vermeintlichen Chinesen berichtete: die erste belegte Begegnung von Europäern mit dem Tabak.

Von Mathias Schulenburg |
    Eine Hand hält eine brennende Zigarre, aufgenommen 2013 bei der feierlichen Eröffnung der La Casa del Habano Leipzig
    "Kräuter, deren Rauch sie tranken, wie sie es gewohnt sind", schrieb Christoph Kolumbus 1492 in sein Logbuch. (imago/PicturePoint)
    Am 3. August 1492 war die kleine Flotte Kolumbus’ aufgebrochen. Das Ziel waren die Reichtümer Chinas, oder Indiens, oder auch die der Molukken, als Gewürzinseln, auf einer westlichen Passage, die so leicht nicht von Konkurrenten Spaniens blockiert werden konnte. Dafür war eine große Strecke offenen Meeres zu überqueren. Ende Oktober 1492 liefen die drei Schiffe in einen schönen Naturhafen der kubanischen Provinz Oriente ein. Kolumbus wähnte sich an der Küste Chinas und äußerte sein Begehr, den chinesischen Großkhan zu sprechen. Die befragten Ortsansässigen vom Stamme der Taino sagten, dass es ein kurzes Stück Wegs binnenwärts Gold gäbe, was Kolumbus als einen Verweis auf den chinesischen Herrscher verstand.
    Er entsandte sofort einen zu diesem Zweck mitgeführten arabischen Gelehrten, begleitet von einem Vollmatrosen, ausgestattet mit einem Beglaubigungsschreiben ihrer Katholischen Majestäten, indes, der Weg führte nur zu einem mit Palmwedeln gedeckten Hüttendorf. Aber der Rückweg schrieb Geschichte: "Die Emissäre trafen eine Gruppe von Einheimischen, die: unterwegs in ihre Dörfer waren, mit einem Feuerbrand in der Hand und Kräutern, deren Rauch sie tranken, wie sie es gewohnt sind". notierte Kolumbus. Der Historiker Daniel Boorstin ergänzte:
    "Die lange Zigarre, die sie mit sich führten, pflegte bei jedem Halt von kleinen Jungen wieder angezündet zu werden, die das Feuer trugen, um dann bei jedem Mitglied der Truppe herumgereicht zu werden, das ein paar Züge durch die Nase nahm. Nach dieser entspannenden Pause setzten die Taino ihre Reise fort. Dies war die erste verzeichnete Begegnung von Europäern mit dem Tabak."
    Wandbild mit der Darstellung von Christoph Columbus an der Westseite des Parque Peralta in der Provinzhauptstadt Holguin auf Kuba. Das Wandbild zeigt die Entwicklung von Kuba, den Zeiten der Ureinwohner bis zum Ende der Sklaverei.
    Wandbild mit der Darstellung von Christoph Kolumbus auf Kuba. Als der Entdecker die Insel erreichte, wähnte er sich an der Küste Chinas (imago / epd-bild / Klaus Honigschnabel)
    Erst allmählich lernten die Spanier die Wirkung des Nikotins zu schätzen
    Es waren folgenschwere Zeilen, die Kolumbus am 6. November 1492 niedergeschrieben hatte. Zunächst allerdings hielten er und seine Botschafter ihre Beobachtung für primitives Brauchtum; was sie suchten, waren Gold und andere Schätze. Erst Jahre später, als die Spanier die Neue Welt beherrschten und die Wirkungen des Nikotins zu schätzen gelernt hatten, führten sie den Tabak in Europa, Asien und Afrika ein, wo er den einen Wohlstand, den anderen Elend brachte.
    Tabak-Plantage in Kuba.
    Eine Tabak-Plantage in Kuba. (EFE/Alejandro Ernesto)
    135 Jahre nach Kolumbus' Notiz berichtete der kurpfälzische Gesandte Johann Joachim von Rusdorff über eine neue Mode in den Niederlanden: "Ich kann nicht umhin, mit einigen Worten jene neue, erstaunliche und vor wenigen Jahren aus Amerika nach unserem Europa eingeführte Mode zu tadeln, welche man eine Sauferei des Nebels nennen kann, die alle alte und neue Trinkleidenschaft übertrifft. Wüste Menschen pflegen nämlich den Rauch von einer Pflanze, die sie Nicotiana oder Tabak nennen, mit unglaublicher Begierde und unauslöschlichem Eifer zu trinken und einzuschlürfen."
    Am französischen Hof machte der Tabak als schnupfbares Präparat Karriere, was wie beim eingeatmeten Rauchzeug seinen Preis hatte: "Die Überreizung der Schleimhäute durch gewohnheitsmäßiges Schnupfen macht sie schließlich geruchsunempfindlich, oft kommt es sogar zum völligen Verlust des Geruchssinns. [...] Für die Menschen der höfischen Gesellschaft bedeutet der Verlust des Geruchssinns allerdings keine Katastrophe, im Gegenteil, eher eine Erleichterung."
    Denn selbst bei Hofe waren die hygienischen Verhältnisse der Zeit niederschmetternd, es stank stellenweise infernalisch, selbst in Versailles.
    Der Tabak selbst trug ebenfalls zu den üblen Gerüchen bei, vor allem in der Form von Kautabak, der von Seeleuten bevorzugt wurde.
    Ein epochaler Vorgang: Der "kolumbianische Austausch"
    Aber gemessen an dem, was die Reisen des Christoph Kolumbus auslösten, war der Tabak nur eine Episode. Aus den Amerikas wanderten sorgsam kultivierte Nahrungsmittel – Kartoffeln, Tomaten – in die Alte Welt, umgekehrt war der Transfer nicht so glücklich: Infektionskrankheiten löschten einen Großteil der amerikanischen Urbevölkerung aus. Heute nennt man den epochalen Vorgang den "kolumbianischen Austausch".