"Der integrierte Schaltkreis wurde 1958 von mir erfunden. Was man später einmal alles damit anfangen sollte – das lag damals weit über meiner Vorstellungskraft."
Stockholm, 8. Dezember 2000, der Nobel-Vortrag von Jack Kilby. Der US-Amerikaner hat den renommiertesten Preis der Welt für eine der folgenreichsten Erfindungen der Technikgeschichte erhalten – den integrierten Schaltkreis. Damit ließen sich elektronische Schaltungen auf Chipgröße verkleinern – der Schlüssel zum digitalen Zeitalter. Kilby selbst war in einer Zeit aufgewachsen, als die Elektronik noch auf der Röhrentechnik basierte und groß und klobig war wie ENIAC – 1946 der erste Universalrechner der Welt.
"ENIAC war ein Röhrenmonster. Er bestand aus mehr als 17.000 Röhren, wog 27 Tonnen, beanspruchte ein Volumen von 450 Kubikmetern und brauchte 174 Kilowatt an Leistung."
Kleine, kompakte Geräte waren mit dieser Technik nicht machbar, eine Röhre hat baubedingt immer eine gewisse Mindestgröße.
"Einen großen Fortschritt gab es 1948, als die Bell Labs den ersten Transistor vorstellten. Danach konnte das Rennen um die Miniaturisierung beginnen."
Idee eines Briten umgesetzt
Im Jahr zuvor hatte Jack Kilby sein Elektroingenieur-Studium abgeschlossen und bei einem Elektronik-Zulieferer angeheuert. 1958 wechselte Kilby zum Elektronikkonzern Texas Instruments. Seine Aufgabe: Er sollte die Elektronik weiter miniaturisieren – eine Sache, auf die besonders die Militärs drängten.
"Als ich bei Texas Instruments anfing, durfte ich für den Rest des Jahres keinen Urlaub nehmen. Ich musste also auch in den Werksferien arbeiten. 90 Prozent der Belegschaft waren nicht da, und ich konnte mich voll auf meine Ideen konzentrieren."
Um einen elektronischen Schaltkreis zu bauen, lötete man bis dato Transistoren, Widerstände und Dioden einzeln auf Platinen und verdrahtete sie miteinander. Kilby hingegen griff eine Idee auf, die einige Jahre zuvor bereits der Brite Geoffrey Dummer gehabt hatte: ein Schaltkreis aus einem Block, aus ein- und demselben Material – aus Silizium.
"Mein Beitrag bestand darin, diese Idee in die Praxis umzusetzen."
Die Werksferien waren zu Ende, und Jack Kilby besprach den Plan mit seinem Chef. Der zeigte sich angetan, wollte aber einen Beweis, dass das Ganze funktioniert. Kilby machte sich an die Arbeit.
"Am 12. September 1958 waren die ersten Schaltkreise fertig. Als ich an einen von ihnen Strom anlegte, begann er mit einer Frequenz von 1,3 Megahertz zu schwingen."
Militärprogramme verhelfen der Technik zum Durchbruch
Quasi die Geburt des Mikrochips. Nur wenige Monate danach baute der spätere Intel-Gründer Robert Noyce ebenfalls einen Prototyp – weshalb er gemeinsam mit Kilby als Urvater des Mikrochips gilt. Doch als die Erfindung 1959 der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, hagelte es Kritik.
"Es gab drei grundlegende Einwände. Erstens glaubte man nicht, dass sich solche Schaltkreise profitabel herstellen lassen. Zweitens dachten manche, die Transistoren auf unseren Schaltkreisen würden nicht gut funktionieren. Und drittens befürchtete man, die Einführung unserer Technik würde viele Spezialisten arbeitslos machen."
Noch bis Mitte der 60er-Jahre blieb unklar, ob sich das Konzept durchsetzen würde. Dann endlich kam der Durchbruch.
"Der Wendepunkt kam durch zwei Militärprogramme – die Apollo-Mondmission und die Minuteman-Atomraketen. Beide nutzten integrierte Schaltkreise. Und um die neue Technologie bekannter zu machen, entwickelten wir bei Texas Instruments den ersten Taschenrechner."
1967 präsentierte die Firma einen Prototyp, bald darauf kamen die ersten Taschenrechner auf den Markt. Die Mikroprozessoren, auf denen sie basierten, hatten ein paar tausend Schaltelemente. Heute passen auf einen Prozessor Milliarden von Transistoren. Ein Fortschritt, der Jack Kilby bis zu seinem Tod im Jahr 2005 mit einigem Stolz erfüllte.
"Auch wenn ich mich nicht verantwortlich sehe für den Aufschwung der Mikroelektronik, war es doch sehr befriedigend, der Entwicklung beizuwohnen."
Eine Entwicklung, die auch heute nichts von ihrem Schwung verloren hat.