"Wir werden für diesen Tag ungefähr 1.000 Beobachter der Kommission einstellen. Und sie haben die Aufgabe, in den Wahlbüros zu überwachen, dass alles normal abläuft, so wie es vorgesehen ist."
Ein luxemburgisches Mitglied der internationalen Saarkommission berichtete im Oktober 1955 über die Vorbereitungen zur Volksabstimmung an der Saar. Zehn Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges war die Bevölkerung aufgerufen, über die staatliche Zukunft ihres Landes zu entscheiden.
Das Saarland, seit Jahrzehnten ein zwischen Frankreich und Deutschland umstrittenes Territorium, kam nach 1945 unter französische Vorherrschaft. Im Rahmen einer Wirtschafts- und Währungsunion mit Frankreich gewährten die Alliierten dem Saarland begrenzte politische Autonomie, mit eigener Verfassung, Staatsangehörigkeit und Regierung. Johannes Hoffmann, der erste Ministerpräsident, sah die Zukunft des Landes in einem gemeinsamen Europa.
"Hier ist man nicht pro deutsch und auch nicht pro französisch, sondern saarländisch und europäisch."
Doch der ungeklärte völkerrechtliche Status des Saarlandes behinderte die Aussöhnung der Bundesrepublik mit Frankreich und die von Bundeskanzler Konrad Adenauer angestrebte Westbindung.
Nach längeren Verhandlungen unterzeichneten Adenauer und der französische Ministerpräsident Pierre Mendès France am 23. Oktober 1954 in Paris das Saarstatut: Das Saarland sollte im Rahmen der Westeuropäischen Union einen europäischen Status erhalten, mit eigener Landesregierung, engen wirtschaftlichen Beziehungen zu Frankreich und einem europäischen Kommissar als außenpolitischen Vertreter. Adenauer erklärte dazu nach seiner Rückkehr aus Paris:
"Wir hatten Sorge dafür zu tragen, dass das Verhältnis zwischen Deutschland und Frankreich so geordnet wird, dass diese beiden Völker im Herzen Europas wirtschaftlich und politisch nie mehr zu Gegnern werden können."
Zustimmung schien zunächst sicher
Das Statut bedurfte jedoch der Zustimmung der Saarländer in einer Volksabstimmung. Vor dem geplanten Termin tobte monatelang eine erbitterte Auseinandersetzung: Politische Gegner wurden beschimpft, es gab Tumulte, Polizei- und Wasserwerfer-Einsätze bei Versammlungen. "Nein-Sager" wie Heinrich Schneider, Vorsitzender der Demokratischen Partei Saar, erhofften sich von der Ablehnung einen Anschluss an die Bundesrepublik.
"Damit hier gar kein Zweifel besteht, wir, die deutschen Parteien an der Saar, wir sagen an dem 23. Oktober unser ganz kategorisches Nein."
"Ja-Sager", wie Ministerpräsident Johannes Hoffmann von der Christlichen Volkspartei, betrachteten die Zustimmung zum Saar-Statut hingegen als Meilenstein auf dem Weg zur europäischen Integration.
"Leider aber haben wir uns schon längst daran gewöhnt, in den Augen gewisser Bonner Politiker und zum Teil in den Augen der Bevölkerung der westdeutschen Bundesrepublik als Vaterlandsverräter, Separatisten und Friedensstörer bezeichnet zu werden."
Die Zustimmung der Saarländer schien zunächst sicher. Doch angesichts eines durch Kolonialkriege und ökonomische Krisen geschwächten Frankreichs wuchs die Anziehungskraft des westdeutschen Wirtschaftswunders.
Peter Scholl-Latour war 1955 Pressesprecher der Regierung Hoffmann:
"Die Bundesrepublik boomte damals, nicht wahr, und der französische Franc ging dauernd runter, sodass die Leute das Geld, was sie hier hatten, nach Kaiserslautern auf die Bank trugen, damit es nicht entwertet wurde. Die wirtschaftlichen Faktoren haben eine große Rolle dabei gespielt."
"Wieder daheim im Vaterlande"
Am 23. Oktober 1955 lehnten 67 Prozent der Saarländer das Statut ab, bei einer Rekordwahlbeteiligung von 97,5 Prozent. Heinrich Schneider, Vorsitzender der DPS, erklärte nach der Abstimmung:
"Wir freuen uns, dass wir ein Beispiel geben konnten, als erste Deutsche auf deutschem Boden nach dem Krieg ein freies Bekenntnis zu Deutschland abzulegen."
Nach der Niederlage trat die Regierung Hoffmann zurück, die französische Regierung akzeptierte das "Nein", die Idee einer Europäisierung des Saarlandes war gescheitert.
Im Oktober 1956 einigten sich Deutschland und Frankreich im Saarvertrag über die Zukunft des Landes. Am 1. Januar 1957 konnte Ministerpräsident Hubert Ney den Beitritt zur Bundesrepublik Deutschland als elftes Bundesland verkünden.
Im Oktober 1956 einigten sich Deutschland und Frankreich im Saarvertrag über die Zukunft des Landes. Am 1. Januar 1957 konnte Ministerpräsident Hubert Ney den Beitritt zur Bundesrepublik Deutschland als elftes Bundesland verkünden.
"Wir sind wieder daheim im Vaterlande."