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Vor 65 Jahren
Das erste Goggomobil läuft vom Band

Es wurde zum erfolgreichsten Kleinstauto weltweit: das Goggomobil aus Dingolfing. Mit 13,6 PS, vier Gängen und einem erschwinglichen Grundpreis ermöglichte das sogenannte Hustendrops auf Rädern in den Zeiten des Wirtschaftswunders für viele den Traum vom ersten Auto.

Von Hartmut Goege |
    Ein historisches weißes Goggomobil auf einer Wiese.
    Gewann im ersten Jahr sogar mehrere Alpen-Rallyes: das Goggomobil (picture alliance / Lajos-Eric Balogh)
    "Den Wagen da, in dem Sie sitzen, kann nur ein kluger Mann besitzen. Zwar klein, jedoch kein Pappenstiel. Mit einem Wort: Goggomobil! Goggomobil, der Kleinwagen, den auch Sie sich leisten können!"
    Die Werbung brachte es auf den Punkt: Autos sind Männersache und sollen bezahlbar sein. Als das Goggomobil am 19. Januar 1955 erstmals vom Band lief, gab es noch überwiegend motorisierte Zweiräder, denn Autos waren für Arbeiter und Angestellte fast unerschwinglich. Doch allmählich machte sich das sogenannte Wirtschaftswunder bemerkbar. Der Traum vom eigenen Wagen rückte näher. Ausgerechnet der Inhaber einer Landmaschinen- und Motorroller-Fabrik im bayrischen Dingolfing sollte dafür sorgen.
    Ein Winzling, der vor Regen schützt
    "Eine gelungene Überraschung, denn Ihr Wunschtraum ist damit am Ziel! Goggomobil!"
    Firmenchef Hans Glas soll, der Legende nach, die Idee zu diesem Dingolfinger Wunderding 1953 auf dem Heimweg vom Oktoberfest entwickelt haben. Es regnete in Strömen, Glas wurde auf seinem Roller pitschnass. Sein Sohn Andreas:
    "Mein Vater hat damals gesagt, schaut´s, dass Ihr irgendein Fahrzeug herbringt, wo vier Personen Platz haben, und es darf nicht mehr kosten wie ein Motorrad mit Seitenwagen und Bekleidung."
    Der deutsche Schauspieler Heinz Erhardt präsentiert ein Goggomobil, Hamburg 1957.
    Ein unverwüstlicher Winzling - mit Heinz Erhardt: das Goggomobil (picture allliance / United Archives)
    Junior-Chef Andreas Glas und der Ingenieur Karl Domprecht hatten um zwei Holzkisten herum, die als Sitzbänke dienten, das Wägelchen konstruiert. Heraus kam der Goggo-Winzling von 2 Meter 90 Länge, 1 Meter 30 Höhe und mit einer Fronttür-Konstruktion, die an die im Volksmund "Knutschkugel" genannte BMW Isetta erinnerte. Als der befreundete Rennfahrer Georg Meier sich den Prototyp anschaute, war er wenig begeistert von der Tür-Konstruktion, die eher an einen Kühlschrank denken ließ:
    "Oh, sagt der, schon wieder eine Fronttür. Da sag´ ich, Schorsch, das hat keinen Wert, wir kommen seitlich nicht rein, das Fahrzeug ist zu klein. Ach, da kann man doch einsteigen. Wir ham´da lang hin und her, bis mich die Wut gepackt hat. Und dann haben wir die Blechschere genommen und hab seitlich ein Loch reingeschnitten. Und siehe da, Schorsch hatte Recht. Man konnte doch einsteigen, und so sind dann die zwei Türen entstanden."
    Für Tausende das erste Auto
    Platz hatte der Goggo dann für zwei Erwachsene und zwei Kinder. Grundpreis 2.950 Mark und damit billiger als der VW Käfer. Für 50 Mark extra gab es einen Dachgepäckträger. Echter Luxus kostete 150 Mark Aufpreis: eine Heizung.
    Der 13,6 PS starke 250 Kubikmeter-Zwei-Takt-Heck-Motor beschleunigte das von Spöttern "Hustendrops auf Rädern" genannte Kleinstauto auf eine Spitzengeschwindigkeit von 75 Stundenkilometer. Für Tausende Besitzer wie Hertha und Sebastian Ringelstätter wurde das Goggomobil zum ersten Auto ihres Lebens:
    "Das war ein ganz süßes, kleines, astralweißes Goggomobil, und wir waren mächtig stolz und haben uns gefühlt wie die kleinen Könige"- "Und wenn zum Beispiel ein starker Gegenwind war, da hat der vierte Gang nicht mehr so gezogen, da hat man zurückschalten müssen auf den dritten."
    Symbol des Wirtschaftswunders
    Dafür war, wie sich herausstellte, der Goggo-Motor unverwüstlich und gewann sensationell im gleichen Jahr noch mehrere Alpen-Rallyes. Für Konstrukteur Karl Domprecht war das keine Überraschung:
    "Es gab ganz viele namhafte Autos, die solche harten Prüfungen gar nicht durchgestanden haben. Das Goggomobil war nun richtig alpenfreundlich. Durch seine Gebläse-Kühlung natürlich konnte er auch stundenlang im ersten und zweiten Gang Vollgas gefahren werden."
    Ein Erfolgsgeheimnis lag auch in dem Schlupfloch, das der Gesetzgeber unfreiwillig gelassen hatte: Der günstige Moped-Führerschein 4 galt damals für Fahrzeuge bis 250 Kubik. Nur war nicht geregelt, wie viel Räder sie haben sollten. Glas brachte sein Goggo deshalb als Vierrad-Roller mit Rolldach auf den Markt.
    "Wenn ich mit meinem Goggo so auf der Reise bin, dann hab´ ich gute Laune, weil ich das Goggoliedchen sing."
    Auch wenn in der engen Fahrgastzelle die gute Laune gelegentlich wegen Krämpfen in den Beinen verflog, mit rund 280.000 Fahrzeugen entwickelte sich das Goggomobil bis zum Produktionsende 1969 zum erfolgreichsten Kleinstauto weltweit. Glas wurde zwar von BMW übernommen, doch das Goggomobil war neben dem VW Käfer zum Symbol der westdeutschen Automobilmachung während der Wirtschaftswunderjahre geworden.