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Vor 65 Jahren überfiel die deutschen Wehrmacht Polen

Am frühen Morgen des 1. September 1939 eröffnete das deutsche Schlachtschiff Schleswig-Holstein im Hafen von Danzig das Feuer auf die Westerplatte. Der Zweite Weltkrieg hatte begonnen. Für die Rundfunkhörer im Großdeutschen Reich berichtete ein Reporter vom Schauplatz der Ereignisse:

Von Volker Ullrich |
    Großer, gelber, schwarzer Qualm. Jetzt wieder eine Salve hereingeknallt. Der Feuerkampf ist eröffnet. Die deutschen Waffen sprechen jetzt vor Danzig.

    Den Weg in den Krieg hatte Hitler seit 1933 konsequent beschritten. Von Beginn an verfolgte er nicht nur das Ziel einer Revision des Versailler Vertrages. Ihm ging es darüber hinaus um die Gewinnung von "Lebensraum im Osten", um die Errichtung eines Großgermanischen Reiches auf rassistischer Grundlage. Deshalb fasste er unmittelbar nach der Münchner Konferenz von Ende September 1938, die ihm mit der Abtrennung der Sudetendeutschen Gebiete von der Tschechoslowakei einen weiteren großen Erfolg beschert hatte, die Zerschlagung des tschechischen Rumpfstaates ins Auge. Am 15. März 1939 marschierten deutsche Truppen in Prag ein.

    Mit diesem offenen Vertragsbruch hatte Hitler freilich für die Westmächte die Grenze des Zumutbaren überschritten. Der britische Premierminister Chamberlain erkannte, dass seine Appeasement-Politik, also der Versuch, den deutschen Diktator durch weitgehende Zugeständnisse friedlich zu stimmen, gescheitert war. Am 31. März gab er vor dem Unterhaus eine Garantiererklärung für die Unabhängigkeit Polens ab. Tatsächlich richtete sich Hitlers Augenmerk bereits auf Polen als nächstes Objekt seiner ungebremsten Expansionslust. Am 3. April erteilt er der Wehrmacht die Weisung, den Angriff auf Polen vorzubereiten. Gleichzeitig entfesselt die Propaganda eine antipolnische Kampagne, die sich von Woche zu Woche steigert. Wahrheitswidrig werden den Polen die schlimmsten Gräueltaten an der der deutschen Minderheit dort zugeschrieben.

    Die polnischen Behörden haben in der Gegend von Brest-Litowsk Verschleppungslager für Volksdeutsche eingerichtet. [...] ungeheuerliche Verhältnisse, unter denen die Deutschen zu leiden haben.

    Um die Aggression gegen Polen diplomatisch abzusichern, streckte Hitler Fühler nach Moskau aus. Und stieß auf Gegenliebe. Denn dem sowjetischen Diktator Stalin schien ein Arrangement mit dem ideologischen Todfeind verlockender als ein Bündnis mit den Westmächten, die ihm nicht das bieten konnten, was er brauchte: eine Atempause, um die Rote Armee soweit aufzurüsten, dass sie einem später erwarteten Angriff der deutschen Wehrmacht gewachsen schien. Am 23. August unterzeichneten der deutschen Außenminister Ribbentrop und sein sowjetischer Kollege Molotow in Moskau einen Nichtangriffspakt, der in einem geheimen Zusatzprotokoll die Aufteilung Polens und des Baltikums in eine russische und deutsche Interessensphäre vorsah. Dieser Pakt war nichts anderes als eine direkte Einladung zum Angriff auf Polen. Die von verschiedenen Seiten unternommenen Versuche, in letzter Minute doch noch den Frieden zu retten, waren vergeblich. Hitlers Entschluss zum Krieg stand, wie er die Spitzen der Wehrmacht am 23. August auf dem Obersalzberg wissen ließ, unumstößlich fest.

    Von Kriegsbegeisterung war am 1.September allerdings, anders als im August 1914, nichts zu spüren. Als Hitler kurz vor 10 Uhr früh zur Krolloper fuhr, säumten nur wenige Menschen die Straßen in Berlin. In seiner Rede vor den Reichstagsabgeordneten suchte der Diktator den Anschein zu erwecken, als sei die Aggression von Polen ausgegangen, während er selbst alles getan habe, um den Frieden zu erhalten:

    Polen hat heute Nacht zum ersten mal auf unserem eigenen Territorium mit bereits regulären Truppen geschossen. [...] Von jetzt an wird Bombe mit Bombe vergolten.

    Hitlers Hoffnung, durch den Nichtangriffspakt mit Russland die Westmächte von einer Unterstützung Polens abhalten zu können, erfüllte sich nicht. 2 Tage später erklärten England und Frankreich dem Deutschen Reich den Krieg. Für einen kurzen Augenblick scheint Hitler geahnt zu haben, dass das der Anfang vom Ende seiner Herrschaft war. "Was nun?", fragte er ratlos seinen Außenminister, als er am Morgen des 3. September das britische Ultimatum empfing.