"Triumph, Triumph, der Plan ist fertig." In der Rolle des Franz Moor in Friedrich Schillers "Die Räuber" trat Generalintendant Gustaf Gründgens am Eröffnungsabend auf die Bühne seines neuen Düsseldorfer Schauspielhauses. Nach den vorausgegangenen Querelen wird das Publikum an diesem 13. September 1951 bei manchen Sätzen aufgehorcht haben:
"Müssen denn aber meine Entwürfe sich unter das eiserne Joch des Mechanismus beugen
Soll sich mein hochfliegender Geist an den Schneckengang der Materie ketten lassen?"
Soll sich mein hochfliegender Geist an den Schneckengang der Materie ketten lassen?"
Gründgens war ein Vorzeigekünstler Nazi-Deutschlands
Vor dieser feierlichen Premiere wäre es beinahe zum Bruch zwischen Gustaf Gründgens und Düsseldorf gekommen. Dabei war die Stadt so glücklich, als sie 1947 den Bühnenstar als Generalintendanten für seine Heimatstadt gewinnen konnte. Nach zehn Jahren als Intendant des Preußischen Staatstheaters Berlin und Vorzeigekünstler des Dritten Reichs war er zwar umstritten, aber als Schauspieler und Regisseur von hochkarätigen Aufführungen sehr willkommen. Gründgens stellte sich dem Publikum in der Titelrolle von "König Ödipus" vor, forderte es mit Sartres "Die Fliegen" heraus und begeisterte mit seinen Paraderollen "Hamlet" und "Mephisto".
Der Generalintendant stand in Düsseldorf einem städtischen Dreispartenbetrieb vor mit einem lädierten Opernhaus und provisorischen Spielstätten für das Schauspiel. Versprochen war ihm ein neues Haus, zu dem ein kriegsbeschädigtes Operettenhaus umgebaut werden sollte. Als dieses 1950 immer noch nicht fertig war, rebellierte er und pochte in einem Brief auf die alten Abmachungen:
"Ich darf noch bemerken, dass die Wiederherstellung eines neuen Schauspielhauses ein integrierender Bestandteil unserer Verhandlungen war. Und ich möchte bei dieser Gelegenheit noch einmal betonen, dass es im dringenden Interesse der Stadt ist, wenn dieses Projekt wie vorgesehen um den November dieses Jahres herum realisiert würde."
Gründgens versus die Ämter
Aber der Umbau zog sich weiter hin. Im Februar 1951 war die Geduld des Generalintendanten aufgebraucht. Er erklärte seinen Vertrag als gebrochen und kündigte seinen Weggang zum Ende der Spielzeit an. Die Abhängigkeit von den kommunalen Entscheidungsträgern empfand Gründgens als erstickend für die künstlerische Tätigkeit:
"Im Theater ist sehr oft das Kind bereits in den Brunnen gefallen, eh das Amt 15 den Bericht an das Amt 29 weitergegeben hat und eh das Amt 52 entschieden hat, ist das Theater meistens schon ruiniert."
Theaterkrise am Rhein
Natürlich hatten viele Schauspieler sich mit Gründgens solidarisiert und drohten ebenfalls mit ihrem Weggang. In einer zweistündigen Pressekonferenz legte der Generalintendant seine Gründe dar und drückte auch sein Bedauern aus:
"Ich hätte – ich für meine Person erkläre Ihnen unter Eid - am 29. Januar noch nicht geglaubt, dass ich gehe. Weil ich immer noch geglaubt habe: Mensch, es wird doch jemand begreifen, dass eine Kunstwelt einstürzt." Die Reaktionen waren heftig. Ganz Deutschland sprach über die Theaterkrise am Rhein, und die Theaterfreunde plakatierten einen Aufruf, der mit dem Satz begann: "Düsseldorfer! Wenn Ihr nicht wollt, dass man sich draußen über Euch lustig macht und für engstirnig hält, dann sorgt in allerletzter Minute dafür, dass die Stadtväter unser ausgezeichnetes Theater nicht verlorengehen lassen."
Da bewegte sich die Stadt. Im April wurde die Neue Schauspiel GmbH gegründet, eine autonome Gesellschaft mit der Stadt Düsseldorf und dem Land Nordrhein-Westfalen als Hauptgesellschafter. Damit war das Düsseldorfer Schauspielhaus, wie es seitdem offiziell heißt, selbständig, und Gustaf Gründgens hatte als Geschäftsführer alle administrativen und finanziellen Kompetenzen gewonnen.
Es folgten weitere glanzvolle Theaterjahre, in denen Gründgens sich vermehrt auch der neuen Dramatik zuwandte. Den größten Erfolg aber feierte er mit Raimunds "Alpenkönig und Menschenfeind" – mit Fritz Kortner in der Hauptrolle.
Als Gustaf Gründgens sich 1955 nach Hamburg verabschiedete, schimpfte er noch einmal über das neue Haus, nannte es einen Stall und eine Scheune. Es blieb ein ungeliebtes Provisorium bis zum Januar 1970, als der von Bernhard Pfau entworfene, architektonisch aufsehenerregende Neubau des Düsseldorfer Schauspielhauses bezogen wurde.