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Vor 70 Jahren
Entstehung des ifo-Instituts aus Ludwig Erhards Thinktank

Schon während des Zweiten Weltkriegs dachte Ludwig Erhard über den Wiederaufbau der deutschen Wirtschaft nach. 1942 gründete der Ökonom und spätere Vater des Wirtschaftswunders ein kleines Institut, wo er die Blaupause für die Währungsreform entwarf. Daraus sollte das Münchner ifo-Institut entstehen.

Von Jutta Hoffritz |
    Der "Vater des deutschen Wirtschaftswunders" in einer undatierten Aufnahme mit der obligatorischen Zigarrre.
    Das ifo-Institut sollte den wirtschaftlichen Wiederaufbau wissenschaftlich begleiten - so wollte es Mitbegründer Ludwig Erhard (picture-alliance / Wachsmann)
    Januar 1949: Deutschland hat eine neue Währung, aber noch keine neue Regierung. Hitlers Preiskontrollen sind aufgehoben, aber die kriegszerstörte Industrie kann den Bedarf an Kleidung, Nahrung und Baumaterial nicht decken. Die Preise steigen. Und die Deutschen hoffen auf ein Wirtschaftswunder.
    Erhards subversive Studien
    Um den ökonomischen Wiederaufbau wissenschaftlich zu unterstützen, wird am 24. Januar 1949 in München das Institut für Wirtschaftsforschung, kurz ifo-Institut, aus der Taufe gehoben. Keimzelle war eine Einrichtung, die Ludwig Erhard, der spätere Vater der sozialen Marktwirtschaft, als junger Ökonom bereits 1942 in Nürnberg gründete. Schon mitten im Krieg machte er sich Gedanken über die Zeit danach.
    "In seiner Studie ‚Kriegsfinanzierung und Schuldenkonsolidierung‘ ging er davon aus, dass Deutschland den Krieg verlieren würde, was seinerzeit den Tatbestand des Hochverrats erfüllte. Bereits die Arbeit an dieser Studie war subversiv, weil es aufgrund eines Hitler-Erlasses verboten war, sich mit Planungen für die Zeit nach dem Weltkrieg zu befassen."
    Erklärt Professor Meinhard Knoche vom ifo-Institut, der die Rolle Erhards bei der Entstehung seiner Einrichtung erforscht hat.
    Erhards frühe Forschungen waren umso gefährlicher, als er dabei mit dem Widerstandskämpfer Carl Friedrich Goerdeler zusammenarbeitete, der später hingerichtet wurde.
    "Ich habe seinerzeit schon in einem dicken Manuskript in Zusammenarbeit mit Goerdeler dann die Gedanken niedergelegt, die die Politik kennzeichnen, die notwendig ist, um auf wirtschaftlichem und finanziellem Gebiet das ganze Elend zu überwinden und wieder einen neuen fruchtbaren Beginn überhaupt zu wagen", so Erhard später in einem Interview.
    Kriegsschulden abbauen
    Der riskante Einsatz sollte sich auszahlen, war diese frühe Studie doch die Blaupause der Reformen, mit denen Erhard später die Grundlagen für das deutsche Wirtschaftswunder schuf.
    "Und ich muss sagen, so wie die Währungsreform gekommen ist, sind eigentlich die Grundgedanken von mir verwirklicht worden."
    "In Erhards Studie ging es um grundlegende Fragen, etwa darum, wie die im Krieg entstandene Staatsverschuldung von mehr als 400 Milliarden Reichsmark abzubauen sei, aber natürlich auch schon in starkem Maße um eine währungspolitische Neuordnung, also um eine Währungsreform. Auch auf das Problem der Kartelle ging er ein. Die IG Farben war ja nicht das einzige, was später entflochten werden musste, es gab auch noch andere Kartelle."
    Als Erhard dann bayerischer Wirtschaftsminister wurde, holte er seinen kleinen Thinktank 1946 nach München – auch, um ihm Landesmittel zu sichern. Allerdings konkurrierte das Institut dort mit einer Abteilung des Statistischen Landesamtes, die ebenfalls ökonomische Forschung betrieb.
    1949 schließlich verschmolzen die Rivalen zum ifo-Institut – und hatten in der Phase nach der Einführung der D-Mark auch gleich jede Menge Arbeit.
    "Unmittelbar nach der Währungsreform führte das Institut eine Erhebung bei einigen Hundert Unternehmen durch, um die Auswirkungen der Geldumstellung auf Produktion und Investitionsverhalten abschätzen zu können. Die Befragungen dienten in der frühen Nachkriegszeit zunächst dem ganz praktischen Ziel, die beträchtlichen Lücken in der amtlichen Statistik zu schließen und so die Basis für politische Weichenstellungen zu schaffen. Das waren sozusagen die Vorläufer des heutigen ifo-Geschäftsklimaindexes."
    Umfragen statt Wissenschaft
    Ludwig Erhard verfolgte die Geschicke seines Instituts nur noch aus der Ferne: Die Alliierten hatten ihn 1948 als Wirtschaftsbeauftragten der westlichen Besatzungszone nach Frankfurt geholt. Nach der Bundestagswahl 1949 zog er als erster Wirtschaftsminister ins Kabinett von Konrad Adenauer ein. 1963 wurde er sogar selbst Bundeskanzler.
    Und wie ging es mit dem ifo-Institut weiter? Das stürzte sich mehr und mehr in Umfragen - zulasten der Wissenschaft. 1998 hätte es so fast seine Förderung verloren.
    "Das Institut expandierte dabei sehr schnell, vernachlässigte aber die Auseinandersetzung mit den theoretischen Grundlagen. Das haben wir dann korrigiert und das Institut damit auf den Weg zurückgeführt, den Erhard skizziert hatte."
    Nie mehr allerdings sollte die Politik so auf das Wort der Forscher hören wie in den Anfangsjahren.