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Vor 70 Jahren
Errichtung einer Luftbrücke für Westberlin

Als die Sowjets 1948/49 Westberlin von Westdeutschland abschnitten, versorgten die USA die Stadt elf Monate lang aus der Luft. Eine logistische Meisterleistung, bei der 70 Piloten ihr Leben verloren – und die in den Augen der Westdeutschen aus Siegermächten Schutzmächte machte.

Von Monika Köpcke |
    Pilot Gail S. Halvorsen wirft 1948 auf dem Flughafen Berlin-Tempelhof amerikanische Süßigkeiten aus seinem C-54 Transportflugzeug, die von Kindern auf dem Flugfeld aufgefangen werden. Der heute 85-jährige Halvorsen war 1948 während der Berlin-Blockade in einem so genannten Rosinenbomber im Einsatz.
    Er wurde mit seiner Idee, Süßigkeiten an Mini-Fallschirmen abzuwerfen, das Gesicht der Berliner Luftbrücke: der Pilot Gail S. Halvorsen. (picture alliance / dpa / edition Grüntal Verlag)
    "Berlins Versorgung in den Westsektoren gesichert / Luftbrücke geschlagen / Britische Militärregierung" – Meldungen des Rias am 29. Juni 1948. "Alle acht Minuten landet eine Maschine auf dem Flugfeld in Berlin-Tempelhof. – Das waren etwa die Schlagzeilen heute Morgen in den Berliner Morgenzeitungen."
    Schon seit vier Tagen bewies die "Berliner Luftbrücke" ihre Schlagkraft. Weil die Sowjets alle Straßen- , Wasser- und Schienenwege blockierten, hatte der amerikanische Militärgouverneur Lucius D. Clay am 25. Juni 1948 befohlen, Westberlin über die Luft zu versorgen.
    "Pardon, what have you loaded on your ship today?" – "Salmon" – "How many flights you have between Frankfurt and Berlin?" – "Oh. I couldn't tell you, too many". – "Ja, wir hören gerade von dem Sergeanten, dass er sehr viel Flüge in der letzten Zeit nach Berlin gemacht hat und dass er in seiner heutigen Fracht hauptsächlich Salm hat, also Fischbüchsen."
    Erste Pläne kamen von einem Briten
    Die Operation "Vittles", Verpflegung, war straff organisiert. Fast im Minutentakt landete ein mit Kohle, Medikamenten oder Lebensmitteln bepacktes Flugzeug in Berlin. Zum Teil waren es dieselben Flugzeuge, die noch vor wenigen Jahren Bomben abgeworfen hatten. Da einer der ersten Transporte Trockenfrüche brachte, hießen die Flugzeuge der Luftbrücke im Volksmund "Rosinenbomber".
    "Nur eine kurze Zigarettenpause ist unserem Piloten, mit dem wir eben sprachen, geblieben. Jetzt sitzt er wieder oben in seiner Kanzel, wir sehen seinen Kopf nur ganz klein. Die Maschine wendet, rollt auf das Startfeld zu und fliegt zurück nach Frankfurt am Main oder Wiesbaden."
    Die Herzen der eingekreisten Berliner flogen den Piloten zu. Der größte Sympathieträger unter ihnen war Gail Halvorsen, der "Candy-Bomber". Seine Idee, vor der Landung in Tempelhof kleine Taschentuchfallschirme mit Süßigkeiten abzuwerfen, erwies sich als ein riesiger PR-Erfolg.
    "Also, die Amerikaner haben es damals wie auch heute am besten verstanden, sich als die Macher und fast als die Hauptnation der Luftbrücke darzustellen." – Bernd von Kostka, Kurator am Berliner Alliiertenmuseum. "Das ist in einem Aspekt falsch, weil die Erfinder der Luftbrücke nicht die Amerikaner waren, sondern die Briten. Der britische Air Commodore Rex N. Waite hat genau dieses Undenkbare gedacht, dass eine gemeinsame Luftflotte der Amerikaner und Briten nicht nur die eigenen Soldaten in der Stadt versorgen könnte, sondern ein Surplus, was mehr eingeflogen wird, eben auch an die Berliner verteilt wird."
    Im April 1948 hatte die Sowjetunion schon einmal für kurze Zeit die Zufahrtswege nach Westberlin blockiert. Waite war der Chef der britischen Luftwaffe in Berlin. Er nahm diese sogenannte kleine Blockade zum Anlass, detaillierte Pläne für eine eventuelle Luftversorgung Westberlins auszuarbeiten. Und diese Pläne waren es, die den Vier-Sterne-General Lucius D. Clay veranlassten, die Luftbrücke ins Leben zu rufen.
    Aus Siegermächten wurden Schutzmächte
    Die amerikanischen Piloten starteten in Frankfurt am Main oder Wiesbaden, die Briten in Hamburg oder von improvisierten Flugplätzen in Schleswig-Holstein.
    "Es ist 21.55 Uhr, und ich glaube, wir haben so ungefähr die Zonengrenze erreicht. Wir wollen gerade mal unseren Bord-Ingenieur fragen. – Do you know we passed the frontier yet?" – "Yeah, we passed about five minutes ago." – "Vor fünf Minuten haben wir die Grenze passiert. Wir sind jetzt in einer Höhe von 3.000 Metern. Es ist ein eigenartiges Gefühl für einen Rias-Reporter, in dieser riesigen Armee-Transportmaschine über der russischen Zone zu schweben."
    Fast 1,5 Millionen Tonnen Kohle und 490.000 Tonnen Nahrungsmittel flogen die Briten und Amerikaner nach Westberlin; 70 Piloten verloren dabei ihr Leben. Am 12. Mai 1949, nach fast elf Monaten Blockade, gab die Sowjetunion alle Wege wieder frei. Noch am gleichen Tag verabschiedete sich Lucius D. Clay von den Berlinern.
    "Ich bin mir sicher: Die kraftvolle Stimme der Berliner, die immer auf der Seite der Freiheit erklingen wird, wird bei der Bildung einer neuen Regierung für Deutschland eine entscheidende Rolle spielen."
    Die Luftbrücke war nicht nur eine technische und logistische Meisterleistung, sie besaß auch eine starke Symbolik. Der lange Atem der Westalliierten und der Durchhaltewillen der Westberliner wurden als Überlegenheit des kapitalistischen gegenüber dem kommunistischen System gedeutet. Und das Verhältnis zwischen den Westalliierten und den Westdeutschen veränderte sich nachhaltig: Aus Siegermächten machte die Luftbrücke Schutzmächte.