"Ob es in einer Familie licht oder dunkel ist, das hängt wirklich in erster Linie von den Müttern ab."
So mahnte Elly Heuss-Knapp 1950 in einer Rundfunkansprache. Die Frau des ersten deutschen Bundespräsidenten, Theodor Heuss, war eine engagierte Frauenrechtlerin und wusste um das Elend vieler Mütter im Nachkriegsdeutschland: Körperlich erschöpft durch Flucht, schlechte Ernährung und unbehandelte Krankheiten litten sie nun unter den Spätfolgen des Krieges: Viele mussten ihre Kinder allein durchbringen, weil sie Witwen oder ihre Männer vermisst waren, oder weil die Ehepartner körperlich und seelisch verletzt heimkehrten.
"Die Not ist wirklich auch heute noch unendlich groß. So groß, dass die Selbstmorde sich mehren. Dass die Ehen auseinanderbrechen. Dass viele einfach erklären, sie könnten nicht mehr."
"Individuell jeder einzelnen Frau helfen"
Der deutsche Sozialstaat kannte durchaus Erholungskuren für Erwerbstätige, aber nicht für Mütter, die ja "nur" zu Hause die Kinder versorgten. Es gab zwar einige Organisationen, die sich um Frauen kümmerten, denen mangelte es jedoch an Geld. Deshalb wandte sich Antonie Nopitsch, die Gründerin des "Bayrischen Mütterdienstes", 1949 an Elly Heuss-Knapp, die selbst ein paar Jahre aktive Politikerin gewesen war. Und tatsächlich schaffte die es in kurzer Zeit, mehrere Wohlfahrtsverbände für eine Stiftung "Deutsches Müttergenesungswerk" zusammenzubringen.
"Auftrag war, individuell jeder einzelnen Frau zu helfen, deshalb auch: eine Spendenorganisation musste es sein, und Elly Heuss-Knapp wollte ein Vernetzungsprojekt", sagt Anne Schilling, die heutige Geschäftsführerin der Elly Heuss-Knapp-Stiftung. "Sie hat ganz klar formuliert, sie möchte mit dem Müttergenesungswerk den Müttern eine Stimme geben, und sie will all die, die für Mütter sich einsetzen, stärken."
Und weil die erste "First Lady" der Bundesrepublik auch eine Pionierin der Radio-Werbung war, gab sie die Gründung des Müttergenesungswerks im Rundfunk bekannt, und zwar nicht an irgendeinem Tag.
"Elly Heuss-Knapp war unglaublich versiert mit Politik", erklärt Anne Schilling. "Und auch mit Öffentlichkeitsarbeit, mit Werbung, und sie hat die Stiftung am 31. Januar ihrem Mann, dem Bundespräsidenten, zum Geburtstag geschenkt, weil sie damit öffentliche Aufmerksamkeit haben wollte für diese Stiftung."
"Ganzheitliche" Angebote gegen Überlastung
Das ist ihr auch gelungen: Die ersten Spendensammlungen – auf der Straße mit Sammelbüchsen, Pfennig für Pfennig oft – brachten im ersten Jahr, 1950, schon 2,5 Millionen Mark für das Müttergenesungswerk zusammen. Und Elly Heuss-Knapp konnte stolz verkünden:
"26.000 müde, abgespannte, nervöse Mütter – stellen Sie sich diesen Zug vor. Sie kamen in ein Heim, das dieser besonderen Arbeit gewidmet ist. Sie wohnten in kleinen Schlafzimmern, schlossen zum Teil Freundschaft und merkten, dass andere noch schwere Schicksale hatten. Und im Übrigen mussten sie einmal nicht sorgen für sich, sondern es wurde für sie gesorgt."
Aber die Mütterkuren waren keineswegs nur kleine Auszeiten, sondern "ganzheitliche" Angebote. Es gab neben der medizinischen Betreuung auch psychologische und soziale Hilfen.
"Das war das Supermoderne auch damals", so Anne Schilling, "insbesondere in der psychosozialen Therapie geht es auch immer darum: Was hat das mit der Rolle als Frau, mit dem Mutterbild in der Gesellschaft zu tun, und welche Impulse kann eine Frau auch für sich entdecken, um Belastungen zu verändern."
Ansprüche und Erwartungen, die auszehren
Elly Heuss-Knapp starb schon zwei Jahre nach der Gründung des Müttergenesungswerks, aber ihre Stiftung lebt und ist heute so nötig wie damals.
"Natürlich gibt es viele technische Erleichterungen, auch viele Perspektiven, die Frauen heute haben", bilanziert Anne Schilling. "Aber was sich nicht verändert hat, ist der Blick der Gesellschaft, dass eine Mutter zuständig ist für Familie. Und das kollidiert heute mit ganz vielen anderen Ansprüchen und Erwartungen an Frauen und insbesondere an Mütter."
Das Müttergenesungswerk hat sich den neuen Zeiten immer angepasst. Anne Schilling: "Wir sehen, dass Väter Familienarbeit leisten, und wir sehen auch, dass viele Pflegende, und hier insbesondere wieder Frauen, die leisten familiäre Sorgearbeit."
So wurde im Sommer 2013 die "Zustiftung Sorgearbeit" gegründet, um auch für diese Menschen Erholungskuren zu finanzieren.