"Lieber Suhrkamp, natürlich möchte ich unter allen Umständen in dem Verlag sein, den Sie leiten". Mit diesem solidarischen Gruß ließ Bertolt Brecht keinen Zweifel daran, wo er die Zukunft seines Werkes sah: im Verlag von Peter Suhrkamp, der am 1. Juli 1950 gegründet werden sollte. Die Nationalsozialisten hatten den unbeugsamen Suhrkamp, der den Verlag von Samuel Fischer durch die Nazi-Zeit steuerte und auch verfemten Schriftstellern die Treue hielt, im April 1944 im KZ Sachsenhausen interniert. Nach zehn Monaten war seine Gesundheit ruiniert, Suhrkamp wurde entlassen, zeitlebens litt er unter den Folgen der KZ-Haft. Seinen Elan als Verleger, der vor allem in der Bildung und Liebe zur Literatur eine Hoffnung für Deutschland sah, konnte das nicht bremsen.
Peter Suhrkamp: "Im Verkehr mit meinen Kollegen habe ich gefunden, dass die großen und echten Verleger von Dichterwerken tatsächlich in ihre Dichter verliebt waren. Mit der Ehrfurcht, der Gewogenheit, der Zartheit, der Begeisterung und der Scheu des Liebhabers und auch mit dem ständigen Bedürfnis nach persönlichem Kontakt".
Suhrkamp war Hesse in herzlicher Zuneigung verbunden
In den ersten beiden Verlagsjahren publizierte Suhrkamp Bücher von T.S. Eliot, Max Frisch, Theodor W. Adorno, Walter Benjamin, Bertolt Brecht, Halldor Laxness und - selbstverständlich - Hermann Hesse. Dem deutsch-schweizerischen Schriftsteller war er in herzlicher Zuneigung verbunden. Die Bewunderung für Hesse war es auch, die den jungen Siegfried Unseld in den Verlag brachte. Er hatte über Hesse promoviert und ließ bei seinem Idol durchblicken, dass er nach einer Tätigkeit als Lektor suche.
Siegfried Unseld: "Warum gehen Sie nicht zu meinem Freund Suhrkamp, der ist krank und der sucht einen Nachfolger. Aber Sie können sich das gar nicht vorstellen: Für mich war der Suhrkamp-Verlag der Olymp. Da habe ich nie dran gedacht, dass es möglich ist".
Sechs Jahre nach seinem Verlagseintritt wurde Unseld zum persönlich haftenden Gesellschafter, nach Peter Suhrkamps Tod im März 1959 übernahm er alleinige Verantwortung. Er setzte fort, was Suhrkamp mit Autoren wie Martin Walser, Hans Magnus Enzensberger oder Max Frisch vorbereitet hatte: den Siegeszug der sogenannten Suhrkamp-Kultur. Eine historisch einmalige Situation, meint Hans-Ulrich Müller-Schwefe, seit 1975 Lektor des Verlags.
"Moderne sollte nachgeholt werden und Avantgarde sollte vorangetrieben werden. Was Philosophie und Soziologie betraf, gab es die Frankfurter Schule und die Wiedergewinnung jüdischer Intellektueller für das geistige Leben der Bundesrepublik, also die Namen Adorno, Benjamin, Scholem. Und dann kamen eben die 60er-, 68er-Jahre, da hatte er die richtigen Autorinnen und Autoren im Programm und die linke Bewegung jener Jahre auch mit vorangetrieben, ganz klar".
Bestimmend für die intellektuellen Debatten
Die brisante Mischung aus Psychoanalyse und kritischem Marxismus prägte das Denken einer ganzen Generation. Die lateinamerikanische Literatur, dann die französischen Philosophen erschlossen neue geistige Horizonte. Die Handschrift des Gestalters Willy Fleckhaus schließlich machte den Suhrkamp-Verlag unverwechselbar.
Hans-Ulrich Müller-Schwefe: "Er hat mit seinem Stil das moderne Gesicht des Verlags geprägt. Die Inhalte waren ja bereits Moderne längst, aber das Gesicht des Verlags, mit dieser modernen, rationalen, leichten, enorm wiedererkennbaren Ästhetik. Das war so ein richtiges Markenimage, was er Suhrkamp verpasst hat. Die Spitze war die Bibliothek Suhrkamp einerseits, und andererseits, viel wirksamer, viel breiter bekannt: die Regenbogenreihe der Edition Suhrkamp, das war sensationell, spektakulär, und es ist bis heute eigentlich unüberholt geblieben".
Siegfried Unseld hatte die Jahr für Jahr produzierten Titel des Suhrkamp-Verlags einmal mit "Jahresringen" verglichen, in denen sich zeitgenössisches Bewusstsein abbilde. Wie kein anderer hat der Suhrkamp-Verlag die intellektuellen Debatten und das kulturelle Leben Deutschlands bestimmt.
Peter Suhrkamp: "Ja, was wäre ein Verlag, der das nicht versuchte. Einfach nur eine Bücherfabrik, ein Werk, das Unterhaltungsware herstellt, das nur dem Zeitvertreib dient – das würde mich gar nicht interessieren". Peter Suhrkamps Wunschtraum von öffentlicher Wirkung und positiver Einflussnahme war in Erfüllung gegangen.