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Vor 70 Jahren in Italien
Urteil im Kriegsprozess gegen Herbert Kappler

Der Prozess gegen den ehemaligen SS-Obersturmbannführer Herbert Kappler war einer der ganz wenigen Prozesse, die in Italien wegen NS-Verbrechen durchgeführt wurden. Kappler wurde unter anderem wegen der Beteiligung an der Erschießung von 335 Geiseln in den Adreatinischen Höhlen angeklagt. Am 20. Juli 1948 fiel das Urteil.

Von Henning Klüver |
    Steinmeier, Mogherini und Minchetti stehen an einem Grab, im Hintergrund salutieren Soldaten.
    2014 jährte sich das Massaker von Civitella, an dem der SS-Obersturmbannführer Herbert Kappler beteiligt war, zum 70. Mal (dpa/picture alliance/Maurizio Gambarini)
    Rom am 20. Juli 1948. Gut drei Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wird beim ersten großen Prozess gegen deutsche Kriegsverbrecher in Italien das Urteil gesprochen. Aufnahmen einer Wochenschau dokumentieren den letzten Tag des sogenannten Kappler-Prozesses am römischen Militärgericht in der Via della Lungara.
    Angeklagt sind der 41-jährige Herbert Kappler und einige Untergebene. Dem Leiter des nationalsozialistischen Sicherheitsdienstes SD in Rom wird vor allem die Erschießung von 335 Geiseln im März 1944 sowie die Erpressung der jüdischen Gemeinde zu Schutzzahlungen zur Last gelegt. General Euclide Fantoni verkündet das Strafmaß:
    "Verurteilt zu lebenslänglicher Freiheitsstrafe für die erste Straftat, zu 15 Jahren Freiheitsentzug für die zweite, außerdem zu 4 Jahren Isolationshaft mit allen gesetzlichen Folgen."
    Nach der deutschen Besatzung
    Herbert Kappler, geboren 1907 in Stuttgart, trat 1931 der NSDAP bei und begann 1933 eine Laufbahn bei der Polizei. Sie führte ihn zum Sicherheitsdienst des Reichsführers SS, einer parteiinternen Geheimpolizei, die eng mit der Gestapo zusammenarbeitete.
    "Kappler war schon 1939 als Verbindungsmann der deutschen Polizei nach Rom gekommen und als Polizeiattaché in die deutsche Botschaft eingegliedert worden."
    Der Historiker Lutz Klinkhammer ist stellvertretender Direktor des Deutschen Historischen Instituts in Rom.
    "Nach der deutschen Besatzung Italiens, also nach dem 8. September 1943, hatte Berlin ein Netz von Dienststellen der Sicherheitspolizei in Italien aufgebaut und Kappler leitete das Außenkommando der Sicherheitspolizei und des SD in Rom."
    Ende September 1943 organisierte der inzwischen zum SS-Obersturmbannführer avancierte Kappler dort zunächst die erpresserische Beschlagnahme von jüdischem Besitz und kurz darauf die Deportation von über 1.000 jüdischen Bewohnern in das Vernichtungslager Auschwitz. Als im März 1944 Partisanen in der Via Rasella ein Attentat auf eine vorbeimarschierende Kompanie des SS-Polizeiregiment "Bozen" verübten, bei dem 33 aus Südtirol stammende Polizisten starben, leitete er auf Anordnung der militärischen Führung eine Aktion zur Vergeltung des Anschlags. Dabei wurden 335 italienische Geiseln, darunter auch viele Juden, in den Ardeatinischen Höhlen erschossen. Kappler und andere SS-Offiziere ermordeten die ersten Geiseln mit Genickschüssen selbst.
    Rechtfertigungsversuche
    Der Verurteilte versuchte, sich zwanzig Jahre später in einem Interview mit dem italienischen Fernsehen im Zuchthaus von Gaeta zu rechtfertigen:
    "Ja, ich war dabei. Aber ich habe nicht angefangen. Ich habe nicht die Umstände geschaffen. Ich habe nur Befehle ausgeführt. Und das war hart."
    Der Prozess gegen Kappler war einer der ganz wenigen Prozesse, die in Italien wegen NS-Verbrechen durchgeführt wurden. Erst Jahrzehnte später, 1998, konnte Erich Priebke als weiterer Verantwortlicher für das Massaker in den Ardeatinischen Höhlen abgeurteilt werden.
    "Die Italiener mussten erst überhaupt darum kämpfen, Deutsche vor Gericht stellen zu dürfen, denn die Alliierten hatten sich dieses Recht erst einmal vorbehalten."
    Symbol für den Kampf gegen das deutsche Unrecht
    Der Fall hatte noch eine Folgegeschichte. Der Kappler-Prozess war in der italienischen Öffentlichkeit zu einem Symbol im Kampf gegen das deutsche Unrecht geworden. Auf der anderen Seite versuchte die Politik des Landes, weitere Prozesse gegen deutsche Kriegsverbrecher im Interesse einer europäischen Normalisierung zu vermeiden. Am
    15. August 1977 gelang dem an Krebs erkrankten Herbert Kappler mit der Hilfe seiner Frau unter ungeklärten Umständen die Flucht aus einem römischen Militärkrankenhaus in die Bundesrepublik.
    "Mein Verdacht ist, dass diese Flucht in Anführungszeichen eine Möglichkeit war, ohne einen Gnadenakt sich eines Kriegsverbrechers zu entledigen."
    Es kam zu wütenden Protesten in der italienischen Öffentlichkeit, weil Deutschland eine Auslieferung ablehnte. Herbert Kappler, starb 1978 wenige Monate nach seiner Flucht im niedersächsischen Soltau. An der Trauerfeier nahmen viele hundert Menschen teil.