Jean Genet hatte gerade seine Militärzeit in Marokko beendet, als er Anfang Februar 1933 in der Zeitung von einer Aufsehen erregenden Mordtat las: Die Schwestern Christine und Léa Papin, zwei junge Hausangestellte, hatten ihre Herrin und deren Tochter auf äußerst brutale Weise ermordet. In der blutigen Revolte der "Soeurs Papin", die später auch Filmemacher wie Nikos Papatakis und Claude Chabrol inspirieren sollte, sah Genet einen Bezug zu seiner eigenen Biografie. Er selbst war ein Findelkind, früh verstoßen, ohne Ausbildung und Zukunft, einer, der nicht dazugehörte. Der Romanist Vincent von Wroblewsky:
"Dieser Protest von Untergebenen gegen die Herrschaft und eine Befreiung, die verbunden ist mit einem Verbrechen, das ist dann etwas, das schon sehr ins Biografische bei Genet geht, der ja als Mündel aufwuchs bei Bauern, dann ausbrach aus der Gesellschaft, als Dieb, Verbrecher, Homosexueller. Das ist etwas, was im Stück sich widerspiegelt."
Nach acht Verurteilungen, insbesondere wegen Diebstählen, war Genet Anfang der 1940er-Jahre ins Gefängnis gekommen. Hier begann der Deserteur, Vagabund und Prostituierte mit dem Schreiben eines Langgedichts, eines Romans und eines Theaterstücks: Er nannte es "Les Bonnes", "Die Zofen". Ein Protest gegen die französische Gesellschaft in Form einer Maskerade: Der Autor feiert ironisch die "Schönheit des Verbrechens", wenn er die Revolte gegen die Herrschaftsverhältnisse von seinen Zofen Solange und Claire als Theater im Theater spielen lässt. Sie haben den Hausherrn eines Verbrechens bezichtigt und ihn so in Untersuchungshaft gebracht. Allein im Haus, spielen sie sich selbst Herrin und Dienerin vor. Ihrer "Madame" sind sie in Hassliebe verbunden, einer Mischung aus Bewunderung, Scham, Schuld und Verachtung.
"Madame tue avec sa douceur, avec sa bontée, madame nous empoisonne, car Madame est bonne, Madame est belle, Madame est douce."
Tödlich endet Genets Stück für die Zofe Claire. In der Rolle der Herrin trinkt sie den vergifteten Tee, der ursprünglich für Madame zubereitet worden war.
"Illusion, Verrat, Scheitern, alle Kardinalkategorien, die Genets Träume beherrschen, sind hier anwesend."
Das schrieb Jean Paul Sartre über das Stück, für das er Genet mit dem berühmten Schauspieler und Regisseur Louis Jouvet zusammenbrachte, der "Die Zofen" am 17. April 1947 im Pariser Théâtre de l’Athénée uraufführte.
"Hier sind zwei Vertraute, zwei Jugendliche das Thema des Stückes: Ihre Forderungen, Hoffnungen, Prägungen und Erfahrungen ..."
Missglückte Uraufführung
Jouvet interessierte die Psychologie der Figuren. Dass Genet seine Zofen jedoch in einem ständigen Spiel mit der Wirklichkeit sah und nicht als Protagonisten einer psychologischen Sozialkritik, kam in Jouvets Inszenierung nicht ausreichend zur Geltung. Auch berücksichtigte Jouvet den Wunsch des Autors nicht, der seine Zofen von jungen Männern gespielt sehen wollte.
"Das war für Genet wichtig, dass auch die Frauen irrealisiert werden. Indem junge Männer die Frauen spielen, müssen sie ja das Weibliche in einer anderen Weise darstellen, und damit wird das Weibliche nicht von Frauen gespielt, sondern von Männern und bekommt eine ganz andere Dimension, die auch dann für die Zuschauer wahrnehmbar wird."
Louis Jouvet hatte das einaktige Stück in einer Doppelpremiere quasi zum Vorspiel für das eher konventionelle Giraudoux-Stück "Der Apollo von Bellac" degradiert. Das Publikum verweigerte den Applaus; der Saal reagierte mit eisigem Schweigen. Die Kritik war überwiegend vernichtend. Der Rezensent Pol Gaillard schrieb am 2. Mai 1947 in den Lettres Françaises:
"Dieses Drama ist konstruiert und künstlich. Der Misserfolg kommt vom prätentiösen Stil und der morbiden Selbstgefälligkeit des Autors."
Trotz der missglückten Uraufführung haben sich "Die Zofen" auf den Spielplänen weltweit durchgesetzt. Sie wurden so zum meistgespielten Stück des Poète maudit Jean Genet. Heute ist wiederum Genets Feier des Verbrechens zu einer etwas angestaubten Chiffre einer Literatur der Transgression, der Grenzüberschreitung geworden. In Luc Bondys Inszenierung mit Edith Clever, Caroline Peters und Sophie Rois etwa wurde das Stück 2008 zu einer Parade von drei Bühnenstars und zu kulinarischem Theater ohne jede Skandalwirkung.
"Claire ..."
"Sie bereitet gerade den Lindenblütentee für Madame."
"Sie soll sich beeilen!"