"I regard myself as a soldier, though a soldier of peace."
Als einen Soldaten für den Frieden hat er sich selbst bezeichnet. Mohandas Karamchand Gandhi, den seine Anhänger Mahatma, die große Seele, nannten, hat niemals die Hand gegen seine Feinde erhoben. Sein ganzes Leben lang, so die Asienwissenschaftlerin Melitta Waligora von der Berliner Humboldt Universität, kämpfte der charismatische Prediger mit gewaltfreiem Widerstand gegen die britische Kolonialmacht, für ein freies Indien.
"Natürlich war Gandhi noch eine Symbolfigur und hat ja auch die Massen mobilisiert, die ja nicht militant waren. Und das ist auch die Tragik des Todes von Gandhi, dass ausgerechnet der Mann, der mit friedlichen Mitteln ein geeintes Indien anstrebte, nun auf diese Weise zu Tode kam."
Am 30. Januar 1948 hatte sich der 78-jährige Gandhi in Delhi zu einem öffentlichen Gebet eingefunden, als er von einem fanatischen Hindu erschossen wurde.
"Nathuram Vinayak Godse. Der hat sich verbeugt vor Gandhi und hat dann geschossen. Er hat sich auch nicht versteckt, ist nicht fortgelaufen, er hat sich festnehmen lassen, er wollte diese Tat als ein Fanal, ein Signal gewertet wissen. Er hat Gandhi angekreidet, dass er bereit war, den Muslimen, die ja nicht wenige waren, einen Platz in Indien zu gewähren."
Viele Muslime unter seinen Anhängern
Obwohl Gandhi selbst gläubiger Hindu war, befanden sich unter seinen Anhängern viele Muslime. Als es im Vorfeld der indischen Unabhängigkeit immer wieder zu blutigen Unruhen zwischen den Anhängern beider Religionen kam, weil die Hindus die Muslime als unrein diskriminierten, kämpfte Gandhi mit Predigten und Hungerstreiks für ein Ende der Gewalt. Er schlug sogar vor, der Muslimliga in einem ungeteilten Indien die Führung zu überlassen.
"Die Botschaft des Friedens ist, dass wir unserer eigenen Identität treu bleiben, und nicht die Methoden des Westens kopieren, ihre Gewehre und Atombomben. Wir müssen gemeinsam nach Liebe und Wahrheit suchen."
Doch der letzte Vizekönig Indiens Louis Mountbatton kam 1947 zu dem Schluss, dass der Subkontinent geteilt werden müsse: In ein hinduistisches Indien unter der Führung von Jawaharlal Nehru, einem Mitstreiter Gandhis, und einen muslimischen Staat, der Pakistan heißen sollte, mit Muhammad Ali Jinnah an der Spitze, dem Präsidenten der Muslimliga. Die hinduistische Kongresspartei wollte sich keinesfalls einem muslimischen Präsidenten unterwerfen und stimmte schließlich einer Teilung zu. Nehru wurde Indiens erster Ministerpräsident.
"Vor vielen Jahren hatten wir ein Stelldichein mit dem Schicksal. Und jetzt ist die Zeit gekommen, unseren Schwur einzulösen. Um Mitternacht, wenn die Welt schläft, erwacht Indien zum Leben und zur Freiheit."
Massaker, Vertreibung, Massenflucht
Der britische Rechtsanwalt Cyril Radcliffe war zuvor beauftragt worden, den Grenzverlauf zwischen Indien und Pakistan festzulegen. Das Ergebnis wurde beiden Staaten am Unabhängigkeitstag vorgelegt. Indien erhielt die Provinzen mit hinduistischer Mehrheit Pakistan die mit überwiegend muslimischer Bevölkerung. Besonders dramatisch gestaltete sich die Teilung in der nördlichen Provinz Punjab, durch die Radcliffe die Grenze mitten hindurch gezogen hatte, weil er keine religiöse Mehrheit feststellen konnte.
"Radcliffe, der hatte Karten. Der hat eine Grenzlinie gezogen, die ging dann zum Teil durch die Höfe, durch die Häuser, durch die Dörfer. Dass also der Bauer sein Feld plötzlich in einem anderen Staat hatte oder sein Haus. Oder der Marktplatz oder die Heiratsbeziehung, das war wirklich ein Zerreißen einer Kultur."
Es kam zu Massakern in Dorfgemeinschaften, die bis dahin friedlich zusammengelebt hatten, zu Vertreibung und Massenflucht. Mindestens 200 000 Menschen verloren ihr Leben. Etwa fünf Millionen Hindus und Sikhs flohen nach Indien und etwa genauso viele Muslime nach Pakistan.
Gandhis Utopie vom friedlichen Miteinander aller Inder war zerbrochen. Sein Mörder Nathuram Godse, der ihn im Prozess einen Verräter an den Hindus genannt hatte, wurde zum Tode verurteilt und 1949 hingerichtet.