Als General Allenby 1917 mit seinen Truppen in Jerusalem einzog, sah sich Großbritannien am Ziel seiner Träume. Das mit Deutschland verbündete Osmanische Reich war untergegangen, zum ersten Mal hatte die Krone die Kontrolle über das strategisch wichtige Heilige Land auf halber Strecke zwischen London und der britischen Kronkolonie Indien. Doch um die Einflusssphäre zu sichern, bedurfte es neuer Modelle, so André Bank vom GIGA-Institut für Nahoststudien in Hamburg:
"Bereits nach dem Ende des Ersten Weltkrieges war es ja so, dass klassische Kolonien im Zeitalter des Imperialismus verschrien waren, und die britische Reaktion war es ja, die so genannten Mandatsgebiete im Nahen Osten zu etablieren, Transjordanien ist ja auch eins davon, also dort lokale Herrscher zu etablieren, mit denen die Krone sehr eng zusammenarbeitet, aber dann sukzessive, indem man sie im Grunde sozusagen modernisiert und entwickelt, dann perspektivisch in die Unabhängigkeit entlässt."
An der Seite des "Lawrence von Arabien"
Zunächst gehörte Transjordanien zum Mandatsgebiet für Palästina. Doch schnell wurde klar, dass die Fläche im Osten des Jordan wenig mit der jüdischen Heimstätte, deren Errichtung im Mandat des Völkerbundes festgeschrieben war, zu tun hatte. Und so entstand 1921 auf gut drei Viertel der gesamten Mandatsfläche das Emirat Transjordanien. Emir war der aus einer haschemitischen Herrscherfamilie stammende Abdallah Ibn Hussein, der bereits im Ersten Weltkrieg auf Seiten Großbritanniens gegen die Achsenmächte gekämpft hatte.
"Die Haschemiten sind ja eigentlich eine Dynastie, die aus dem Hedschas kommt, also aus dem westlichen Teil von heute Saudi-Arabien, wo die heiligen Stätten des Islams, Mekka und Medina, liegen. In der sogenannten großen arabischen Revolte, also im arabischen Aufstand zusammen mit Großbritannien - Stichwort Lawrence von Arabien - gegen die Osmanen im Ersten Weltkrieg, haben sie eine wichtige Rolle gespielt, und sie sollten eben im Nachgang des Ersten Weltkrieges hier honoriert werden."
Nachdem sich Abdallah auch im Zweiten Weltkrieg als loyaler Verbündeter Großbritanniens erwiesen hatte – und die britische Regierung einsehen musste, dass nicht nur die Zeit der Kolonialmächte zu Ende ging, sondern auch die der Völkerbundmandate –, entließ die Krone das Emirat 1946 in die Unabhängigkeit. Am 25. Mai wurde der Emir zu König Abdallah I. der Haschemitischen Monarchie Transjordanien gekrönt, die sich bald nicht mehr "Trans-" sondern nur noch "Jordanien" nannte. Grundlage des neuen Staates war der Vertrag von London, der die weiterhin engen Beziehungen zwischen den beiden Ländern regelte, André Bank:
"Zum einen ging es darum, das Emirat Transjordanien in die Unabhängigkeit zu entlassen, in die formelle Unabhängigkeit, zum zweiten ging es aber auch darum, dass eben Großbritannien zusichert, weiterhin grundlegende Zahlungen an Jordanien zu leisten, und zum dritten aber gleichzeitig hier eben auch eine gewisse Vorherrschaft oder Dominanz in der ‚Arab Legion‘, also in der von Briten geführten jordanischen Armee, zu behalten."
Wie die "Arab Legion" die jordanische Armee gebar
Die als Polizeieinheit von den Briten gegründete "Arab Legion" spielte beim Aufbau Jordaniens eine zentrale Rolle: Nur mit ihrer Hilfe ließ sich die staatliche Ordnung gegen arabische Nationalisten und rivalisierende nomadische Stämme durchsetzen. In den 50er-Jahren, unter Abdallahs Nachfolger und Enkel, König Hussein, wurden die britischen Offiziere aus der Armee entlassen und die "Arab Legion" in die jordanische Armee überführt. Doch die Kontakte in den Westen blieben.
Die militärische und finanzielle Unterstützung durch Großbritannien und später die USA sind bis heute wichtige Garanten für die Stabilität des Landes. Inzwischen sitzt mit Abdallah II. der Urenkel von Abdallah I. auf dem Thron, die Bevölkerung ist seitdem um mehr als das 20-fache gewachsen. Und obwohl sich viele Jordanier und Jordanierinnen mehr Freiheiten in dem autoritär regierten Land wünschen, kam es im Arabischen Frühling nur zu verhältnismäßig wenig Protesten. Das allerdings, so André Bank, liegt weniger an der demokratischen Gesinnung des Königs als an den Zuständen im Rest der arabischen Welt, sagt André Bank:
"Die Monarchie hat es geschafft, trotz aller Unkenrufe über Jahrzehnte, dass sie sozusagen kurz vor dem Zusammenbruch steht, trotzdem zu überleben, und das vor allem deshalb, weil es dieser Monarchie gelungen ist, sich im Grunde als alternativlos innerhalb Jordaniens zu etablieren. Und wenn man dann eben direkt in die Nachbarschaft schaut, Syrien, Irak, Libanon, Palästina, auch Saudi-Arabien, dann steht dagegen Jordanien relativ besser da, und davon hat Jordanien ironischerweise immer profitiert, dass es in einzelnen der Nachbarstaaten noch schlechter war."