Es ist ein bizarres Stück NS-Propaganda. Der "Dokumentarfilm aus dem jüdischen Siedlungsgebiet", so der Titel, zeigt das Ghetto Theresienstadt im Spätsommer 1944: Gut gekleidete Menschen gehen eifrig ihrer Arbeit nach und genießen danach den Feierabend:
"Oft nimmt der Strom der Heimkehrenden nur eine Richtung: zur größten Sportveranstaltung in Theresienstadt, zum Fußballwettspiel."
Doch die Protagonisten des Films sind Häftlinge, ein "Siedlungsgebiet" gab es nicht. In der Kleinen Festung in Theresienstadt bestand bereits seit 1940 ein Gestapogefängnis, vor allem für tschechoslowakische Widerstandskämpfer. 1941 suchten die Nationalsozialisten eine Zwischenstation für die 88.000 Juden im "Protektorat Böhmen und Mähren" – vor der endgültigen Deportation in die Vernichtungslager. Die ersten Häftlinge trafen am 24. November in der ehemaligen Festungsstadt ein. Nach einem Beschluss der Wannseekonferenz 1942 wurden auch alte und prominente Juden aus dem Reichsgebiet nach Theresienstadt deportiert – ein erstes Zeichen für die Propaganda-Funktion, sagt der Historiker Michal Frankl:
"Die Ankunft in einem überfüllten, ärmlichen und hungernden Ghetto war für diese älteren Menschen ein großer Schock. Sie mussten sehr oft auf dem Boden schlafen, in überfüllten Räumen, wo es entweder heiß oder kalt war. Krankheiten gingen um, sie hatten eine geringere Lebensmittelzuteilung. Und häufig starben sie sehr schnell."
Jedem Häftling bleiben zwei Quadratmeter
Schon bald sind die Kasernengebäude völlig überfüllt. Im September 1942 befinden sich 50.000 Menschen in Theresienstadt – jedem Häftling bleiben zwei Quadratmeter. Die tschechische Jüdin Hana Hnátová erinnert sich an die Ankunft im November 1942, 18 Jahre war sie damals alt:
"Als wir angekommen sind, sind wir zu einer Arbeit eingeteilt worden, die Hundertschaft hieß. Naiv habe ich angenommen, dass das hundert Stunden bedeutet. Wir haben Karren geschoben, auf denen Brot, Werkzeuge und andere Dinge transportiert wurden. Und die haben wir gezogen wie die Pferde."
Der Alltag der Häftlinge ist bestimmt von Erniedrigung, strikten Regeln und drakonischen Strafen. Familien werden voneinander getrennt, abends herrscht zunächst Ausgangssperre. Die Organisation delegiert die SS vordergründig an die sogenannte jüdische Selbstverwaltung, tschechische Gendarmen bewachen die Festungsstadt. Gearbeitet wird bis zu zehn Stunden täglich, sechs Tage die Woche. Dennoch entfaltet sich ein reges Kulturleben, mit wissenschaftlichen Vorträgen, Malklassen und Musik.
Hans Krása war einer von vielen Künstlern, die hier interniert waren. Anfang 1944 führte das Theresienstädter Quartett sein Stück "Tanz" auf. Die SS duldete das "Freizeitprogramm", und sie missbrauchte es. Die Kinderoper "Brundibár" etwa wurde 1944 auch einem Abgesandten des Roten Kreuzes vorgeführt – wenig später wurde das Ensemble nach Auschwitz deportiert. Den Besuch des Roten Kreuzes erinnert Hana Hnátová als "Komödie":
"In der Straße, durch die die Kommission des Roten Kreuzes kommen sollte, wurden die Dreistock-Pritschen abgerissen, in den Fenstern wurden Gardinen aufgehängt, und man hat ein paar Kinder ausgewählt, mit denen der Lagerleiter Rahm, Obergruppenführer SS, dann gesprochen hat."
Narrative vom "Altersghetto" mit Kulturprogramm
Das Rote Kreuz fällt herein auf die Inszenierung. Zitat:
"Es gibt sicher kaum eine Bevölkerung, die so gut versorgt wird, wie die von Theresienstadt",
Hana Hnátová, ihr Bruder und ihre Eltern entgehen 1943 einem Transport:
"Nachher haben wir erfahren, dass der gesamte Transport direkt ins Gas gegangen ist. Das haben wir aber erst sehr viel später erfahren. In Theresienstadt haben wir nicht mal das Wort Auschwitz gekannt. Wir haben nur gewusst, dass die Transporte in den Osten gehen, aber nicht wohin."
Von 141.000 Inhaftierten starben 33.000 in Theresienstadt. Fast 90.000 Menschen wurden weiter in die Vernichtungslager deportiert, nur 4.000 kehrten zurück. Dennoch wurde das Ghetto nach 1945 verharmlost. Lange Zeit überlagerten die Narrative vom "Altersghetto" mit Kulturprogramm die historische Realität.