"Wir waren Christen, die sich für die Erneuerung der Kirche einsetzten; für die gesellschaftlichen Strukturen aber, die alle angehen, Christen, Juden und Heiden alter und neuer Prägung, hatten wir nicht spezifisch christliche, wohl aber übergreifende humane Lösungen anzubieten. Sie liefen auf einen ‚Sozialismus mit menschlichem Antlitz‘ hinaus, wie er bisher noch von keinem Staat der Welt verwirklicht worden ist."
Mit emphatischen Sätzen kündigten Eugen Kogon und Walter Dirks 1984 in der Oktober-Nummer der "Frankfurter Hefte" das Ende der von ihnen herausgegebenen "Zeitschrift für Kultur und Politik" an. Einige Monate vorher hatte Kogon in einer Radiosendung noch begeistert von den Anfängen der erstmals am 1. April 1946 erschienenen Zeitschrift geschwärmt:
Mit emphatischen Sätzen kündigten Eugen Kogon und Walter Dirks 1984 in der Oktober-Nummer der "Frankfurter Hefte" das Ende der von ihnen herausgegebenen "Zeitschrift für Kultur und Politik" an. Einige Monate vorher hatte Kogon in einer Radiosendung noch begeistert von den Anfängen der erstmals am 1. April 1946 erschienenen Zeitschrift geschwärmt:
"Meine Damen und Herren, wir hatten 70 000 Abonnenten und hätten sicherlich 200 000 haben können, wenn wir genügend Papier besessen hätten. Es war die aus dem Krieg und der Gefangenschaft zurückkehrende jüngere Generation, die sich neu orientierte und diese Zeitschriften wirklich las, und wir hatten wirklichen Einfluss."
Sendungsbewusster österreichischer Publizist
Die "Frankfurter Hefte" gehörten zu den ersten von den Alliierten lizensierten Publikationen, und sie erwiesen sich als eine der langlebigsten. Für die Gründer, Herausgeber und häufig auch Autoren Kogon und Dirks hatten sie geradezu existenzielle Bedeutung.
Eugen Kogon, 1903 in München geboren als unehelicher Sohn einer jüdischen Ärztin, war bei Pflegeeltern und in katholischen Internaten groß geworden. Das Studium beschloss er 1927 in Wien mit einer Dissertation über "Faschismus und Korporativstaat". Er wurde ein sendungsbewusster österreichischer Publizist, der später im Rückblick auf seine Jahre als Redakteur der "Schöneren Zukunft" meinte:
"Das war ein großes katholisches Wochenblatt, das eine gründliche antikapitalistische Sozialreform wollte, aber in jeder anderen Hinsicht sehr konservativ war, zum Beispiel gegen den parlamentarischen Staat."
Kogons Standardwerk "Der SS-Staat"
Beim Einmarsch deutscher Truppen in Wien 1938 wurde Kogon sofort verhaftet. Es folgten sieben Jahre im Konzentrationslager Buchenwald. Nach der Befreiung durch die U.S. Army verfasste ein von Kogon geleitetes Team früherer Häftlinge einen Bericht über das Lager. Er wurde zu einer der Grundlagen für Kogons Buch "Der SS-Staat. Das System der deutschen Konzentrationslager". Dessen letztes Kapitel bildete unter dem Titel "Gericht und Gewissen" Kogons Beitrag zur ersten Nummer der "Frankfurter Hefte". Es war der Beitrag eines Autors, der von sich sagte, er könne nicht hassen:
"Ein Volk, das in luftkriegsgeschlagenen Städten allüberall die verkohlten Reste seiner Frauen und Kinder gesehen hatte, konnte durch die massierten Haufen nackter Leichen, die ihm aus den letzten Zeiten der Konzentrationslager vor Augen geführt wurden, nicht erschüttert werden, und es war nur allzu leicht geneigt, hartgeworden die toten Fremden und Verfemten mitleidsloser anzusehen als das eigene in Phosphorregen und Granatsplitterhagel getötete Fleisch und Blut."
Projekt eines christlichen Sozialismus
Die Hoffnung auf einen Neuanfang im Zeichen eines christlichen Sozialismus teilte Kogon mit Walter Dirks, für den diese Kombination allerdings eine Bedeutung mit stärker klassenkämpferischen und marxistischen Anklängen hatte. Der 1901 in Hörde bei Dortmund geborene Sohn aus verarmtem bürgerlichem Elternhause hatte ein Theologiestudium abgebrochen und wurde u. a. Mitarbeiter der linkskatholischen "Rhein-Mainischen Volkszeitung". Nach dem Zweiten Weltkrieg sah er wie Kogon die beste Chance, sich für das Projekt eines christlichen Sozialismus einzusetzen, in einer Zeitschrift, die eine offene Plattform für die Diskussion eines "Dritten Weges" jenseits von Kapitalismus und Kommunismus bot. "Die Zweite Republik. Zum Ziel und zum Weg der deutschen Demokratie" lautete der Titel seines programmatischen Beitrags zur ersten Nummer der "Frankfurter Hefte". Charakteristisch für Dirks war die Idee einer geradezu revolutionären Rolle des Christentums.
Nach der baldigen Enttäuschung solcher Hoffnungen blieben die "Frankfurter Hefte" eine offene Diskussionsplattform. Als wegen zu geringer Verkaufszahlen 1984 das Ende bereits angekündigt war, fanden sie Zuflucht bei der sozialdemokratischen Zeitschrift "Die Neue Gesellschaft", die seit 1985 "Die Neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte" heißt.