Weihnachten 1945: Die großen Städte liegen in Trümmern, Kälte und Hunger herrschen in Deutschland. Die Menschen freuen sich zwar, dass der Krieg nach sechs Jahren vorbei ist, aber zum Lachen ist den meisten nicht zumute. Auch nicht dem Karikaturisten Herbert Sandberg und dem Schriftsteller Günther Weisenborn – der eine aus dem KZ Buchenwald befreit, der andere aus dem Zuchthaus Luckau. Und doch haben die beiden bei der "Nachrichtenkontrolle der amerikanischen Militärregierung in Berlin" die Lizenz für eine Satirezeitschrift erworben.
"Wir sind keine bitterbösen Ruinenspießer, denen die schlaffen Trauerflore des Missvergnügens von der Melone wehen."
Heißt es in der ersten Ausgabe des "Ulenspiegel", die am 24. Dezember 1945 erscheint. Lachen sei "eine von den anständigsten Arten", mit Angst und Schmerz fertig zu werden.
"Wir sind keine bitterbösen Ruinenspießer, denen die schlaffen Trauerflore des Missvergnügens von der Melone wehen."
Heißt es in der ersten Ausgabe des "Ulenspiegel", die am 24. Dezember 1945 erscheint. Lachen sei "eine von den anständigsten Arten", mit Angst und Schmerz fertig zu werden.
"Dornröschen erwache!", steht über der Zeichnung auf dem Titelblatt des ersten Heftes. Im Zentrum ein Maler vor seiner Staffelei, der durch das Fenster auf zerbombte Häuser schaut und erstaunt ausruft: "Nanu, war da nicht eben noch das 1000-jährige Reich?
Zur Trümmerliteratur gesellt sich Trümmersatire
Acht Seiten hat die Weihnachtsausgabe, voller politischer Satire und entlarvender Karikaturen von Journalisten und Grafikern, Schriftstellern und Künstlern, die, wie Sandberg betont: "… in der Zeit der Hitlerbarberei saubere Hände behalten hatten."
Und selbstverständlich gibt es auch zwei Weihnachtsgedichte. Das des Lyrikers Horst Lommer endet mit den Zeilen:
"Gottlob, wonach die Nazis strebten,
ist fortgefegt wie lockrer Sand.
Des Führers Weisheit überlebten,
die Weisen aus dem Morgenland."
"Gottlob, wonach die Nazis strebten,
ist fortgefegt wie lockrer Sand.
Des Führers Weisheit überlebten,
die Weisen aus dem Morgenland."
Ab Januar 1946 erscheint die Zeitschrift dann alle 14 Tage. Sie wollten die Vergangenheit aufarbeiten und das Bild eines besseren, neuen demokratischen Deutschlands zeichnen, schreibt Herbert Sandberg in einem Buch zur Geschichte des "Ulenspiegel", fügt aber gleich hinzu:
"Das Neue zu fassen war schwierig … denn die Trümmer lagen ja nicht nur auf der Straße, auch die Köpfe waren noch voll davon."
Im Gefühl der Nachkriegsjahre
Die meisten Texte und Zeichnungen handeln vom Alltag der ersten Nachkriegsjahre: von Hunger, Ruinen und Schwarzmarkt, von Flüchtlingen und Heimkehrern, von tiefer Trauer und kleinen Glücksmomenten. Aber bald wird auch Wut und Enttäuschung spürbar. So schreibt Günther Weisenborn schon 1946:
"Wohin wir blicken, bemerken wir bei den früheren Hoheitsträgern die verstellte Zunge des antifaschistischen Biedermanns, der im Grunde immer dagegen gewesen zu sein vorgibt." Und in der "Ballade nach zwei vergeblichen Sommern" von Stephan Hermlin heißt es:
"Die Magier singen die neuen Lieder
Auf die alte Melodie
Die Nacht ist durchrauscht vom Gefieder
Unserer Agonie"
"Wohin wir blicken, bemerken wir bei den früheren Hoheitsträgern die verstellte Zunge des antifaschistischen Biedermanns, der im Grunde immer dagegen gewesen zu sein vorgibt." Und in der "Ballade nach zwei vergeblichen Sommern" von Stephan Hermlin heißt es:
"Die Magier singen die neuen Lieder
Auf die alte Melodie
Die Nacht ist durchrauscht vom Gefieder
Unserer Agonie"
Umzug nach Ost-Berlin
1948, mit der Berlin-Blockade und dem beginnenden Kalten Krieg, gerät der "Ulenspiegel" wegen "zu linker Tendenzen" immer mehr unter Druck seitens der amerikanischen Lizenzgeber:
"Sie kürzten unser an sich schon kleines Papierkontingent um die Hälfte, doch wir gaben nicht auf, im Gegenteil, wir gaben die Lizenz zurück und zogen in den damaligen Ostsektor, wo die Zeitschrift ohne Pause pünktlich weiter erschien."
Und sich fortan in der deutsch-deutschen Frage eindeutig positioniert:
Im Mai 1949 bringt der "Ulenspiegel" auf dem Titelblatt eine Karikatur zur Gründung der Bundesrepublik: ein Berg mit Bonn auf der Spitze, von dem sich der erste Bundespräsident Theodor Heuss herunterstürzt – direkt in das Dollar speiende Maul eines Drachens, "Einmal muss der Sprung in die Unabhängigkeit gewagt werden!", lautet die Bildunterschrift.
Zwei Hefte später dann ebenfalls auf dem Titel: Menschen dicht gedrängt in einem kleinen Rettungsboot auf hoher See, über ihnen eine Friedenstaube, am Horizont der Schriftzug "Deutsche Demokratische Republik".
Im Mai 1949 bringt der "Ulenspiegel" auf dem Titelblatt eine Karikatur zur Gründung der Bundesrepublik: ein Berg mit Bonn auf der Spitze, von dem sich der erste Bundespräsident Theodor Heuss herunterstürzt – direkt in das Dollar speiende Maul eines Drachens, "Einmal muss der Sprung in die Unabhängigkeit gewagt werden!", lautet die Bildunterschrift.
Zwei Hefte später dann ebenfalls auf dem Titel: Menschen dicht gedrängt in einem kleinen Rettungsboot auf hoher See, über ihnen eine Friedenstaube, am Horizont der Schriftzug "Deutsche Demokratische Republik".
Selbstauflösung 1950
Diesen politischen Neuanfang allerdings begleitet der "Ulenspiegel" nicht sehr lange. Im August 1950 stellt die Redaktion selbst ihre Arbeit ein.
"Offenbar war die Zeit für eine derartige Publikation abgelaufen", schreibt Herbert Sandberg lakonisch in seinem Buch zur Geschichte der Satirezeitschrift.
Und Günter Kunert, auch ein Autor der ersten Stunde, bescheinigt dem "Ulenspiegel" zwar "einstige Vitalität", schließt aber mit dem Satz:
"Ich fürchte, am Grabe dieser Zeitschrift, meine Freunde, wird es kein Gedränge geben."
"Ich fürchte, am Grabe dieser Zeitschrift, meine Freunde, wird es kein Gedränge geben."