"Parole Emil! Parole Emil!" - Mit der "Parole Emil" aus Erich Kästners Theaterstück "Emil und die Detektive" verbindet sich das Bild pfiffiger, selbstbewusster Kinder, die, wenn‘s ihnen zu bunt wird, ihr Herz in die Hand nehmen und für Recht und Gerechtigkeit kämpfen. Es ist also kein Wunder, dass mit eben diesem Klassiker Deutschlands ältestes professionelles Kinder- und Jugendtheater eröffnet wurde: Das "Theater der Jungen Welt" in Leipzig.
"In Berlin geht es anders zu als bei uns in Deutschland. Wenn man kein Geld hat, geht man auf die Bank und lässt sein Gehirn als Pfand dort.
Pfui Spinne, war das eine feine Welt!
Mensch Emil, ick freu mir halb dämlich, dat wird ne janz dolle Kiste!
Guten Tag, guten Tag!"
Pfui Spinne, war das eine feine Welt!
Mensch Emil, ick freu mir halb dämlich, dat wird ne janz dolle Kiste!
Guten Tag, guten Tag!"
Vereinnahmung durch die russische Besatzungsmacht
Die Premiere fand am 7. November 1946 statt, ein gutes Jahr nach dem Ende von Krieg und Nazi-Diktatur. In dieser desolaten Lage hatten sich einige Kultur-Enthusiasten zusammengefunden, um etwas gegen die moralische und kulturelle Vernachlässigung der Jugend zu tun. Spannende Unterhaltung sollte ihnen geboten werden, aber auch Erziehung. Was prompt zur Vereinnahmung durch die russische Besatzungsmacht führte.
Einheitserziehung zur sogenannten sozialistischen Persönlichkeit stand nun auf dem Programm. Und so wurde das "Theater der Jungen Welt" bald nach seiner Gründung Teil des kommunistischen Kulturapparats. Erst der Zusammenbruch der DDR im Herbst 1989 brachte dem Theater die Unabhängigkeit zurück - und seit 2003 auch eine schmucke Spielstätte in einem ehemaligen Ballhaus im Westen Leipzigs, umbraust von Marktgewühl und Straßenlärm.
Intendantin: "Fürsprecher für die Belange von Kindern"
"Willkommen, willkommen in meinem kleinen Reich, willkommen, willkommen in meinem klitzekleinen Reich …"
Winnie Karnofka ist Intendantin des "Theaters der Jungen Welt": "Das Theater an sich hat eine sehr gute Auslastung gehabt bis zum Corona-März. Wir waren immer so bei 90 Prozent. Wenn Sie mich jetzt fragen, wer kommt zu uns, sind es natürlich sehr, sehr viele Schulklassen, Kindergartengruppen."
Um die 650 Vorstellungen im Jahr stellen die knapp siebzig Leipziger Theatermacher auf die Beine. Für 60.000 Zuschauer bespielen sie drei Bühnen in ihrem Stammhaus, gehen in Schulen und Kindergärten, arbeiten mit jungen Leuten in Klubs zusammen und lassen sie auch bei Neuinszenierungen mitreden.
"Hallo!" - "Na, dann können wir ja anfangen!"
Anders als in manchen Häusern der großen Theaterwelt kommen allzu eigenwillige Regie-Ideen im Kindertheater nicht gut an. Auch Belehrung und Erziehung sind nicht die Ziele der Leipziger Theatermacher: "Wir sind ein Begleiter für Kinder. Ein Begleiter beim Kindsein, beim Erwachsenwerden. Und wir sind ein Fürsprecher für Belange von Kindern", sagt Winnie Karnofka.
Aufführungen auch in Corona-Zeiten
Diesen Ansatz spiegelt auch der Spielplan wider. Es gibt Märchen, es gibt "Peter und der Wolf" und auch für junge Leute bearbeitete Klassiker des Erwachsenentheaters wie "Hamlet", es gibt experimentelle Stücke. Doch am wichtigsten ist, dass man nicht nur vor Kindern, sondern für sie und mit ihnen spielt und ihre Erwartungen und Fragen ernst nimmt. So mischt man in Leipzig Digitales und Analoges, Tanz, Puppenspiel und Musik, man nimmt die Themen der jungen Leute auf, Klimafragen, Geschlechtergerechtigkeit. Und auch die Jüngsten müssen auf ihre Kosten kommen.
Winnie Karnofka: "Wir fangen ja an für Kinder ab zwei Jahren zu spielen, und dann geht es ja open end, sag ich mal, also bis 104. Es ist oft eher performatives Theater. Es ist ein Miteinanderspielen, es geht ganz oft um Objekte, um Geräusche, um Musik." In der Corona-Zeit haben die Theaterleute keineswegs die Füße hochgelegt, sondern mit digitalen Stücken Kinder von Dubai bis New York erreicht. Trotzdem: Richtiges Theater ist durch nichts zu ersetzen.
"War das eine Aufregung!"