"Der imposante, repräsentative Saal des Admiralspalastes war ebenso festlich wie würdig geschmückt. Mehr als tausend Delegierte und Ehrengäste, dazu noch eine größere Zahl von Gästen und Zuhörern, füllten den mächtigen Raum bis auf den letzten Platz. Lebhaft und herzlich war durchweg die persönliche Begrüßung alter Kampfgenossen aus den bisher getrennten Parteilagern nach jahrzehntelanger Spaltung."
So steht es im Protokoll des Vereinigungsparteitages von SPD und KPD. Er fand am 21. und 22. April 1946 im Admiralspalast in der Berliner Friedrichstraße statt, im sowjetisch besetzten Sektor Berlins. Nachdem Beethovens Fidelio-Ouvertüre verklungen war, betraten Otto Grotewohl, der Vorsitzende des SPD-Zentralausschusses in der sowjetischen Besatzungszone, und der KPD-Vorsitzende Wilhelm Pieck die Bühne und reichten sich die Hände. Ihr Händedruck sollte als Symbol der Vereinigung von SPD und KPD das Parteiabzeichen der SED, der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, prägen. Otto Grotewohl sagte:
"30 Jahre Bruderkampf finden in diesem Augenblick ihr Ende. Ein alter Traum ist Wirklichkeit geworden: die Einheit der deutschen Arbeiterklasse." (Beifall).
Nach Grotewohl sprach Wilhelm Pieck:
"Es ist eine große Aufgabe, ein neues, antifaschistisches demokratisches Deutschland zu schaffen. Das sei der Sinn unseres Händedruckes, das sei unser heiliges Gelöbnis, das sei unsere Tat!" (Beifall).
Überlebende des NS-Terrors
Ein Jahr zuvor war die nationalsozialistische Herrschaft zu Ende gegangen. Viele Kommunisten und Sozialdemokraten waren verfolgt, in den Folterkellern der Gestapo oder in Konzentrationslagern ermordet worden. Als sich ab Juni 1945 wieder Parteien organisieren konnten, reifte vor allem in der Sozialdemokratie der Gedanke an eine Einheit der Arbeiterbewegung. Dazu der Soziologe Manfred Wilke:
"Dann kommt die Tatsache, dass es ein besetztes Land ist und die sowjetischen Siegerinteressen zum Tragen kommen. Und im Gefolge der siegreichen Sowjetarmee kommt die Equipe deutscher Kommunisten aus Moskau, die in Stalins Auftrag die KPD auf der Basis der Interessen der sowjetischen Deutschlandpolitik rekonstruieren."
Mit Gewalt auf Einheitskurs gezwungen
In der KPD wurde der Einheitsgedanke zunächst weitgehend abgelehnt. Das änderte sich, als die SPD zur mitgliederstärksten Partei anwuchs und nicht die KPD die Massenbasis erhielt, die Stalin sich erhoffte. Das bedeutete: Kursänderung ab Herbst 1945 auf Richtung Einheit. Mit Mitteln der Gewalt durch die sowjetische Besatzungsmacht wurden sozialdemokratische Gegner der Fusion auf den Einheitskurs gezwungen. Allein zwischen Dezember 1945 und April 1946 wurden bis zu 20 000 Sozialdemokraten in der SBZ eingeschüchtert, inhaftiert oder deportiert. Hunderte flohen in den Westen.
Bei den Einheitsbefürwortern der Sozialdemokratie herrschten Hoffnungen, Illusionen und Bedenken. Eine für Ende März 1946 geplante Urabstimmung über die sofortige Verschmelzung wurde vom sowjetischen Stadtkommandanten in Ost-Berlin verboten. In den Westsektoren Berlins gab es eine klare Absage. Dann proklamierte KPD-Funktionär Walter Ulbricht am Ende des Vereinigungsparteitages:
"Wir kommen nunmehr zur Wahl der Vorsitzenden des Parteivorstandes der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands ..."
Die sozialdemokratischen Werte gingen unter
Während es anfangs noch weitgehend Gleichberechtigung zwischen den Parteihälften gab, bestimmten wenige Jahre später Stalintreue wie Ulbricht den Kurs. Die sozialdemokratischen Werte gingen in der SED, der späteren Staatspartei der DDR, unter. Am 22. April 1946 wurden Otto Grotewohl und Wilhelm Pieck zu den ersten Vorsitzenden der SED gewählt. Ulbricht sprach das Schlusswort:
"Mit dem heutigen Tage gibt es keine Sozialdemokraten und keine Kommunisten mehr. Mit dem heutigen Tag gibt es nur noch Sozialisten."
Mit dem alten Arbeiterlied "Brüder zur Sonne zur Freiheit" schloss der Vereinigungsparteitag. Erst im Oktober 1989 wurde in der DDR eine neue sozialdemokratische Partei gegründet, die SED ging in der PDS auf.