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Vor 75 Jahren
Tod eines überzeugten Rechtsstaatverfechters

Am 24. August 1944 starb der Sozialdemokrat Rudolf Breitscheid bei einem alliierten Luftangriff im Konzentrationslager Buchenwald. Sein Eintreten für den demokratischen Rechtsstaat, seine Verteidigung der Republik von Weimar gegen Rechtspopulismus und Faschismus bleiben bis heute unvergessen.

Von Bernd Ulrich |
    Der sozialdemokratische Politiker Rudolf Breitscheid (undatierte Aufnahme) wurde am 2. November 1874 in Köln geboren und kam 1944 im KZ Buchenwald ums Leben
    Der Politiker Rudolf Breitscheid war als Redner geliebt und gefürchtet zugleich (picture-alliance / dpa)
    "Meine Damen und Herren! Eine der wesentlichsten Grundlagen der auswärtigen Politik der europäischen Staaten ist der nach dem Weltkrieg geschaffene Völkerbund."
    Rudolf Breitscheid Anfang 1928. Der Sozialdemokrat und außenpolitische Sprecher seiner Fraktion formulierte wie immer pointiert und klar:
    "Die Organisation des Völkerbundes lässt sehr viele Wünsche unbefriedigt. Aber sie ist doch der unter den gegebenen Verhältnissen beste und sicherste Wall gegen die Wiederkehr der fürchterlichen Flut, die in der Zeit von 1914 bis 1918 so viel Werte und so viel Glück zerstört hat und unter deren Folge noch auf lange Zeit hinaus die ganze Welt leiden wird."
    Mitbegründer der "Demokratischen Vereinigung"
    Dabei war Breitscheid eine politische Karriere in der SPD wahrlich nicht an der Wiege gesungen. Als Sohn eines Buchhandlungsgehilfen 1874 in Köln geboren und aufgewachsen, gelang ihm der gesellschaftliche Aufstieg zum promovierten Nationalökonom und Journalisten. 1908 gehörte er zu den Mitbegründern der linksliberalen, vor allem auf soziale Fragen konzentrierten Demokratischen Vereinigung. Der spätere erste Bundespräsident der Bundesrepublik, Theodor Heuß, beschrieb ihn in seinen Erinnerungen so:
    "Der überschlanke Mann war eine höchst eindrucksvolle Erscheinung, als Redner bewundert und gefürchtet, nie sich verhaspelnd, Satz für Satz druckfertig, völlig rational argumentierend, mit einer gepflegten Begabung zum kühlen sarkastischen Hohn."
    1912: Eintritt in die SPD
    Die Erkenntnis, dass sich eine "radikalliberale Politik", wie er in einem Brief bemerkte, nur als "radikaldemokratische Politik" verwirklichen ließ, führte 1912 zum Eintritt in die SPD. Früh erkannte er nach 1918 die Gefahr, die der Republik und dem demokratischen Staat von rechts drohte. Deutlich wurde das etwa, als Breitscheid im Mai 1932 das kurz zuvor erlassene Verbot von SA und SS verteidigte:
    "Es geht nicht an, dass ein einzelner Führer eine Privatarmee nach militärischen Grundsätzen durchorganisiert aufstellt, eine Privatarmee, die in weiten Kreisen des Landes einen ungeheuersten Terror gegen politisch Andersdenkende …"
    Und zugleich mit beredten Worten dem von Rechts geforderten Verbot des "Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold" - ein Wehrverband der SPD zum Schutz der Republik - entgegen trat:
    "Das Reichsbanner hat keinen anderen Wunsch, als dass die politischen Auseinandersetzungen auf dem Boden der Verfassung ausgetragen werden, das Reichsbanner war nicht gegen den Staat, sondern das Reichsbanner hat diesen Staat geschützt und verteidigt."
    Vergebliches Bemühen um das Bilden einer Volksfront
    Es war klar, dass so jemand wie Rudolf Breitscheid nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten seine Heimat verlassen musste. Gemeinsam mit seiner Frau, der Frauenrechtlerin Tony Breitscheid, geborene Drevermann, gelang die Flucht nach Frankreich. In den folgenden Jahren bemühte er sich um die Bildung einer Volksfront – vergeblich. Im Sommer 1938 bilanzierte er in einem Brief:
    "Ich beklage diese Entwicklung aufs Lebhafteste, da ich mich ehrlich und ernsthaft für die Schaffung einer marxistischen Front eingesetzt habe, aber ich will unter keinen Umständen im Moskauer Schlepptau segeln."
    Rudolf Breitscheids Frau Tony überlebte den Alliierten-Angriff auf Buchenwald 1944 schwer verletzt
    Gedenktafel an Rudolf Breitscheid in Frankfurt (Oder) (imago/Steinach)
    Tod im Splittergraben
    Nach dem Einmarsch der Wehrmacht gelang die Flucht in den Süden Frankreichs. Doch - verraten und verhaftet - mussten Breitscheid und kurz darauf auch seine Frau zurück in das Land ihrer Feinde. Ihr Leidensweg endete ab September 1943 im KZ Buchenwald. Fast elf Monate später, am 24. August 1944, kam es zu einem Bombenangriff amerikanischer Verbände auf Buchenwald, insbesondere auf die dort angesiedelten Rüstungsbetriebe und den SS-Bereich des Lagers, wo sich auch die Isolierbaracke befand. Dort hatten bis dahin das Ehepaar Breitscheid sowie die nach dem Abfall des faschistischen Italiens verhaftete Tochter des italienischen Königs, Prinzessin Mafalda, als Sonderhäftlinge überlebt. Sie alle wurden im nahegelegenen Splittergraben verschüttet, auch Rudolf Breitscheid. Im Auffindbericht eines Häftlings heißt es:
    "Von ihm ragte nur eine Hand aus der Erde hervor. Über ihm lag die Erde am höchsten. Als ich ihn von der Erde befreit hatte, stellte ich fest, dass er bereits tot war. Auch ihn schafften wir zur Straße und legten ihn dort nieder."

    Tony Breitscheid überlebte schwer verletzt. Die engagierte Sozialdemokratin zog unmittelbar nach Kriegsende zu ihrem Sohn nach Kopenhagen. In das Land der Täter kehrte sie nicht zurück.