"Die Judenpogrome sind ein Angriff auf die gesamte arbeitende Bevölkerung! Sie sind der Auftakt für schärfer werdende Unterdrückung und Terror!"
Mit diesen Worten riefen niederländische Kommunisten in einem Flugblatt unter der Schlagzeile "Streikt, streikt, streikt" im Februar 1941 zu landesweiten Protesten gegen das deutsche Besatzungsregime auf:
"Arbeitende Bevölkerung von Amsterdam: Könnt Ihr das dulden? Nein, tausendmal nein! Habt Ihr die Macht und die Kraft, diesen abscheulichen Terror in Zukunft zu verhindern?
Ja, die habt Ihr!"
Ja, die habt Ihr!"
Die Deutschen setzten auf "Selbstnazifizierung" der Holländer
Nach dem Angriff der deutschen Wehrmacht auf die Niederlande im Mai 1940 und der Kapitulation wenige Tage später, hatte sich die holländische Bevölkerung relativ schnell mit dem NS-Regime abgefunden. Die deutschen Besatzer traten gemäßigt auf, betrachteten die Nachbarn als "germanisches Brudervolk" und hofften, die Bevölkerung für sich zu gewinnen. Dazu die Historikerin Katja Happe, Autorin eines Buchs über die Judenverfolgung in den Niederlanden:
"Nach dem deutschen Überfall verhielten sich viele Niederländer zunächst abwartend. Die meisten arrangierten sich jedoch schnell mit den neuen Gegebenheiten, weil Deutschland zunächst überall siegreich zu sein schien. Grundsätzlich bleibt Deutschland aber der Feind und wird als Besatzer kritisch gesehen."
"Nach dem deutschen Überfall verhielten sich viele Niederländer zunächst abwartend. Die meisten arrangierten sich jedoch schnell mit den neuen Gegebenheiten, weil Deutschland zunächst überall siegreich zu sein schien. Grundsätzlich bleibt Deutschland aber der Feind und wird als Besatzer kritisch gesehen."
Amsterdams Juden setzten sich gegen Pogrome zur Wehr
Allerdings existierte schon seit Anfang der 1930er-Jahre die NSB als Pendant zur deutschen NSDAP, eine bei Wahlen durchaus erfolgreiche Partei mit einer paramilitärischen Abteilung, der WA. Diese organisierte Anfang Februar 1941 in Amsterdam Krawalle rund um das jüdische Viertel am Waterlooplein, so Katja Happe:
"Die WA marschierte provokativ auf, zerschlug Fensterscheiben und zerstörte Stände des jüdischen Marktes. Am 9. Februar 1941 ließen junge Juden sich das aber nicht mehr gefallen und griffen ihrerseits die WA an."
Ein WA-Mitglied kam dabei ums Leben. Das Viertel wurde daraufhin vorübergehend abgeriegelt und an den Straßensperren Schilder aufgestellt: "Jüdisches Viertel". "De Waarheid", die illegale Zeitung der kommunistischen Partei, schrieb über das deutsche Vorgehen:
Ein WA-Mitglied kam dabei ums Leben. Das Viertel wurde daraufhin vorübergehend abgeriegelt und an den Straßensperren Schilder aufgestellt: "Jüdisches Viertel". "De Waarheid", die illegale Zeitung der kommunistischen Partei, schrieb über das deutsche Vorgehen:
"Es ist eine Lüge, dass die Juden zu einer eigenen Nation oder Rasse gehören und deshalb ausgeschlossen werden müssten. Kommt auf die Straße! Protestiert!! Demonstriert euren Abscheu vor dem barbarischen Antisemitismus!"
Die Besatzer reagierten mit Razzien und Deportationen
Wenige Tage später kam es erneut zu einer tätlichen Auseinandersetzung, als die deutsche Ordnungspolizei einen Treffpunkt von Emigranten überprüfen wollte und dabei auf heftigen Widerstand stieß. Ein Anlass für das Besatzungsregime, ein Exempel zu statuieren, so die Historikerin Katja Happe:
"Es wurde beschlossen, als Abschreckung und Strafmaßnahme, bei einer Razzia mehr als 400 jüdische Männer zu verhaften und in ein KZ zu deportieren. Diese Razzia fand am 22. und 23. Februar statt."
Mitglieder der Ordnungspolizei nahmen willkürlich 425 junge jüdische Männer auf offener Straße fest, traten und schlugen sie und transportierten sie auf Lastwagen ab. Ihr Ziel: das KZ Buchenwald.
Mitglieder der Ordnungspolizei nahmen willkürlich 425 junge jüdische Männer auf offener Straße fest, traten und schlugen sie und transportierten sie auf Lastwagen ab. Ihr Ziel: das KZ Buchenwald.
Für kommunistische Aktivisten war dies das Signal für einen landesweiten Streik. Viele folgten dem Aufruf und legten am 25. Februar die Arbeit nieder. In Amsterdam, aber auch in Utrecht und Hilversum blieben Werkstore und Geschäfte geschlossen, die Straßenbahnen fuhren nicht, städtische Bedienstete erschienen nicht auf der Arbeit, Jugendliche verließen die Schulen. Die Besatzer waren überrascht vom Ausmaß des Streiks, sagt Katja Happe:
"Erst am zweiten Tag des Streiks begann die Ordnungspolizei und SS-Einheiten, den Streik gewaltsam niederzuschlagen. Insgesamt starben neun Personen, mehr als 20 wurden verwundet."
Der Massenmord an den niederländischen Juden ging weiter
Das gewaltsame Vorgehen des NS-Regimes wirke abschreckend: Viele Niederländerinnen und Niederländer wagten nicht mehr, sich offen mit ihren jüdischen Landsleuten zu solidarisieren, sie wurden aber auch nicht zu Anhängern des Nationalsozialismus. Die sogenannte Selbstnazifizierung der holländischen Bevölkerung war gänzlich gescheitert, sagt Katja Happe:
"Aus heutiger Sicht engagierte sich in keinem anderen besetzten Land zu einem so frühen Zeitpunkt ein so großer Bevölkerungsteil gegen die Verfolgung der Juden."
Als "Februarstreik" ging der Ausstand in die Geschichte ein
Bis heute gilt der Februarstreik in den Niederlanden als wichtiges Zeichen im Kampf gegen die deutsche Besatzungsmacht. Die Deportationen konnte der Streik allerdings nicht aufhalten. Von 140.000 Jüdinnen und Juden wurden rund 100.000 ermordet.