Es gab den jungen, von der Kritik hochgelobten Felix Nussbaum vor dem Exil, der heitere, ironische Bilder zu Sport und Gesellschaft im naiven Stil von Henri Rousseau malte. Und es gab den Felix Nussbaum, der malte, obwohl er aufgrund seiner jüdischen Herkunft im nationalsozialistischen Deutschland seiner Heimat den Rücken kehren musste. Er malte in diesem zweiten Leben gegen sein Schicksal an, er malte für sich und für alle von der Auslöschung bedrohten Juden. Ein Jahr vor der Machtübernahme der NSDAP 1933 hatte er noch ein Stipendium für die Villa Massimo in Rom erhalten. Von dort kehrte der damals 27-Jährige nicht mehr zurück in sein Atelier in Berlin. Im Ausland hatte ihn zudem die Nachricht vom Brand seines Ateliers erreicht; 160 seiner Bilder waren nun zerstört. Inge Jähner, die frühere Direktorin des Felix-Nussbaum-Hauses in Osnabrück.
"Er hat sich von dem Zeitpunkt an nie wieder von seinen Bildern getrennt. Er hat alles, auch in diesem unglaublichen Hin und Her zwischen den Pensionen im Exil, er hat immer alles bei sich behalten."
Flucht durch Europa
Von Italien aus reiste der 1904 in Osnabrück geborene Felix Nussbaum mit seiner Lebensgefährtin, der Malerin Felka Platek, über die Schweiz und Frankreich nach Belgien. Für eine Weile lebten sie in verschiedenen Pensionen in Ostende.
"Wir waren ziemlich herunter, müde im Kopf, müde in den Füßen, Fragezeichen an jeder Straßenecke. Ich berichte hier nicht über unsere Aufenthaltsschwierigkeiten allerorten."
Den eigenen Sorgen nicht noch im Bild begegnen
Das Paar entschied sich dann, von Ostende nach Brüssel zu ziehen, wo sich viele emigrierte Künstler aufhielten und es eine Organisation gab, die Bedürftige mit dem Nötigsten unterstützte. Ab 1938 malte Felix Nussbaum Bilder, die von düsteren Ahnungen bestimmt waren.
"Der Mensch will seinen eigenen Sorgen nicht noch einmal im Bilde begegnen. Das habe ich selbst an mir bemerkt. Und zwar malte ich jüngst einen Frauenkopf, an deren Seite ein kleiner Jungenskopf lehnt. Beide sehen wehmütig aus. Die Frau trägt eine dicke Perlenkette. Aus ihren Augen rinnen Tränen. Und diese Tränen verwandeln sich in Perlen, die über ihre Wangen rinnen. Der Hintergrund zeigt dumpfe, schwarze Farben. Wie im Nebel sieht man so etwas wie Soldaten und Kreuze. (...) Obgleich mir das Bild gelungen scheint, so möchte nicht einmal ich selbst es dauernd um mich haben."
Lager und Flucht
Während Felka Platek die Malerei aufgab, klammerte sich Felix Nussbaum an die Kunst. Es entstanden zahlreiche Selbstporträts und Stillleben, in denen der Maler selbstironisch seine Isolation und die ärmlichen Verhältnisse schilderte. Seine Lage verschlimmerte sich dramatisch, als Nussbaum am 10. Mai 1940 als feindlicher Deutscher in das südfranzösische Lager Saint-Cyprien deportiert wurde. Die Deutschen waren kurz zuvor in Belgien einmarschiert. Dem Künstler gelangen jedoch sowohl die Flucht als auch die Rückkehr nach Brüssel. Nun malte er Bilder, mit denen er die elende Situation im Internierungslager verarbeitete. Ausstellen konnte er diese Gemälde nicht.
"Ohne Echo zu schaffen, ist bedrückend. Man steht zwischen unendlich vielen Bergwänden und ruft und schreit und kein Echo klingt zurück. Bedrückend auch sind die vielen Bilder, die man gemalt hat, und malt, und die stumm auf Dachkammern und Mansarden herumstehen und sich langweilen."
Denunziert und in Auschwitz ermordet
Mit dem sogenannten Judenstern-Erlass im Mai 1942 in Belgien und den beginnenden Deportationen in die Vernichtungslager blieb ihm nur noch der Untergrund. In jener Zeit malte Felix Nussbaum die Bilder, die seinen Namen berühmt machen sollten: das "Selbstbildnis mit Judenpass", "Die Verdammten" und sein letztes Bild im April 1944: "Triumpf des Todes". Darin musizieren Knochenmänner ausgelassen auf den Trümmern der abendländischen Kultur. Sich selbst stellte Nussbaum in diesem Totentanz als verwesenden Orgelmann mit grüner Kappe dar. Vier Wochen später wurden Felix Nussbaum und Felka Platek denunziert, aus ihrem Versteck in einer Mansarde gezerrt und im letzten Deportationszug nach Auschwitz gebracht, wo beide starben. Inge Jähner über das Vermächtnis von Felix Nussbaum:
"Der hat wirklich nicht versucht jetzt mit aller Hast das festzuhalten, was ihn umgibt, also quasi als historisches Dokument. Sondern er hat auch in dieser Zeit der Bedrohung eigentlich es als Überlebensmittel angesehen, große Kunst zu schaffen. Das war sein Ziel. Durch Kunst unsterblich zu werden, als Maler unsterblich zu werden."