Täglich meldete die amerikanische Presse das Neueste von Amelia Earharts Erdumrundung. Sie war die berühmteste Fliegerin der Welt, seit sie 1928 als erste Frau den Atlantik überquert hatte. Dabei hatte damals ein Pilot namens Wilmer Stultz das Steuer in der Hand. Sie war nur dabei, weil die Besitzerin des Flugzeugs darauf bestanden hatte, dass eine Frau mitflog. Aber Amelia Earhart wurde als Heldin gefeiert und Stultz kaum beachtet. "Stultz ist geflogen. Ich war nur Gepäck, wie ein Sack Kartoffeln. Vielleicht versuche ich es eines Tages allein", sagte Earhart damals.
Es sollte nur ein Abenteuer in ihrem Leben als Sozialarbeiterin und Hobbyfliegerin in Boston sein. Doch der plötzliche Ruhm veränderte alles, und Amelia Earhart packte ihre große Chance beim Schopf. Binnen drei Monaten warf sie ein Buch über den Atlantikflug auf den Markt und ging dann auf eine Vortragstournee durch die USA. Ihr vollgepackter Terminplan war anstrengend, aber er brachte ihr zweieinhalbtausend Dollar in der Woche - als Sozialarbeiterin hatte sie fünfunddreißig verdient. Sie bekam lukrative Werbeverträge, und die Zeitschrift Cosmopolitan stellte sie als Redakteurin an. Auf den Tag genau fünf Jahre nach Charles Lindberghs legendärem Alleinflug über den Atlantik versuchte Amelia Earhart es tatsächlich selbst, und es gelang ihr als erster Frau: sie flog über den Ozean, allein, nonstop von Neufundland nach Irland.
Engagement für die Chancengleichheit von Frauen
Amelia Earhart setzte sich sehr engagiert für Dinge ein, die ihr am Herzen lagen. Chancengleichheit für Frauen war eines der wichtigsten. Sie war 1929 Mitgründerin und erste Präsidentin der "Ninety Nines", einer Vereinigung von Pilotinnen, die gemeinsam für bessere Berufschancen kämpfen wollten - sie existiert heute noch. In ihren Vorträgen und Artikeln betonte sie immer wieder, wie wichtig ein eigener Beruf und finanzielle Unabhängigkeit seien. Ihre eigenen Rekordflüge waren kein sportlicher Selbstzweck, wie sie erklärte: "Es ist jetzt Routine. Ich stelle einen Rekord auf und dann halte ich Vorträge darüber. Da kommt das Geld her. Bis es Zeit ist für einen neuen Rekord."
Doch in den Dreißigerjahren wurde das Flugzeug allmählich zum normalen Verkehrsmittel. Die Begeisterung für spektakuläre Flugleistungen schwand. Amelia Earhart plante ein letztes Bravourstück: eine Erdumrundung auf Höhe des Äquators, ein neuer Langstreckenrekord. "Ich habe das Gefühl, ich habe nur noch einen guten Flug übrig, und ich hoffe, dies ist er. Es ist mein Schwanengesang, was Rekordflüge angeht, mein Zuckerguss auf dem Kuchen", sagte sie zu einem Freund.
Ihr Verschwinden machte sie zur Legende
Am 1. Juni 1937 startete sie in Miami, zusammen mit dem Navigator Fred Noonan. Als sie am 29. Juni auf Neuguinea landete, hatte sie schon 35.000 Kilometer zurückgelegt. Der schwierigste Teil lag noch vor ihr: der lange Flug über den Pazifik. Ungeduldig saßen sie zwei Tage lang in Lae, einem Nest an der Küste, fest, bis das Wetter den Weiterflug erlaubte. Zum Auftanken wollte sie auf Howland Island landen. Die Itasca, ein Schiff der amerikanischen Küstenwache, sollte sie per Funk zu ihrem winzigen Ziel lotsen. Doch Amelia Earhart konnte den Funker der Itasca nicht hören. "Wir müssen über ihnen sein, können Sie aber nicht sehen. Benzin geht zur Neige", meldete sie, und Minuten später: "Rufe Itasca. Wir kreisen, aber wir können Sie nicht hören."
Panisch probierte der Schiffsfunker alles nur Mögliche aus - vergeblich. "Wir fliegen auf der Linie nach Norden und Süden", das war ihr letzter Funkspruch. Drei Wochen vor ihrem vierzigsten Geburtstag verschwand Amelia Earhart im Pazifik. Mehr als alles, was sie geleistet hatte, machte sie ihr mysteriöses Ende zur Legende.