"Es kam oft vor, dass die Beatles in einem der Studios arbeiteten und wir im Nachbarstudio mit unseren Songs beschäftigt waren. George Harrison oder Paul schauten dann schon mal rein und hörten sich an, was wir so machten. Wir waren musikalisch zwar sehr verschieden, aber es herrschte immer eine sehr freundliche Atmosphäre. Das war schon eine zauberhafte Zeit."
So erinnert sich der heute 70-jährige Sänger und Gitarrist Tony Hicks an die 1960er-Jahre, als seine Band The Hollies und die Beatles Stammgäste in der Londoner Abbey-Road waren. Bei vielen Aufnahmen der Beatles saß Ken Townshend als Ton-Ingenieur im Regieraum und nicht immer klappte alles auf Anhieb.
Mit 17 hatte der heute über 80-jährige Ken Townshend in den Abbey-Road-Studios als Lehrling angefangen und sich schließlich zum Studioleiter hochgearbeitet. Bis zu seiner Pensionierung war er Chef der wohl berühmtesten Aufnahmestudios der Welt.
"Die Studios wurden durch die Beatles zur Legende. Sie sorgten für den weltweiten Mythos. Aber nicht weniger wichtig ist die Tatsache, dass es kaum eine Größe der Popmusik gibt, die nicht irgendwann einmal in den Abbey Road Studios gearbeitet hat."
Platz für ein komplettes Symphonie-Orchester
Alle waren sie da. Kate Bush, Cliff Richard, Elton John, Pink Floyd, Police, Adam and the Ants, Take That oder Adele. Stars aus Rock, Pop, Punk, New Wave. Es entstanden aber auch unzählige Klassik-Aufnahmen in der Abbey-Road. Studio Eins, das größte weltweit, bietet Raum für ein komplettes Symphonie-Orchester, einen hundertköpfigen Chor und Publikum.
Bei der Eröffnungsfeier platzte das riesige Studio aus allen Nähten. Der als Ehrengast geladene Literaturnobelpreisträger Bernard Shaw musste sogar auf der Bühnen-Treppe sitzen.
"Hier auf dem Foto sieht man den Komponisten Edward Elgar. Und hier unten sitzt auch Bernard Shaw. Das Foto wurde am Tag der Eröffnungs-Zeremonie am 12. November 1931 gemacht. Damals dirigierte Elgar seinen Falstaff. 1931 war es weltweit der erste Studiokomplex, der speziell nach Kundenwünschen für Musikaufnahmen und für Hörfunkübertragungen konzipiert worden war."
"Londons neuestes Wunder!"
Lautete eine Zeitungs-Schlagzeile am Tag nach der Eröffnung. Die Londoner Presse war begeistert.
"Eine sensationelle Akustik der Studios. Eine Klimaanlage, die mit gefilterter Luft für optimale Behaglichkeit der Musiker sorgt. Viereinhalb Meilen verlegte Kabel. In jedem Studio können sechs Mikrofone gleichzeitig genutzt und separat geregelt werden."
1970 hatten die Abbey Road Studios Probleme
Eigentümer des Gebäudes war die damals gerade neu gegründete Schallplattenfirma EMI. 100.000 Pfund hatte sie in den Umbau der schmucken Villa gesteckt, die 100 Jahre zuvor erbaut worden war. Die hervorragende technische Ausstattung der drei Studios zwang die Mitbewerber regelrecht in die Knie. Schon nach ein paar Monaten stellte die benachbarte Firma Columbia resigniert ihren Studio-Betrieb ein. Doch Abbey Road blieb nicht ewig konkurrenzlos. Ab 1970 gab es Probleme.
"Die Zahl von Studios ist damals regelrecht explodiert. Wir mussten viel in moderne Technik investieren, um mithalten zu können. 1980 hat uns der Rückgang der Umsätze im Klassik-Bereich zu schaffen gemacht. Wir dachten damals sogar daran, Studio Eins umzubauen, um dort Platz für viele kleine Arbeitsbereiche zu schaffen. Aber ich hatte dann die Idee, das Studio für Filmarbeit zu nutzen."
Durch die Orchester-Vertonung von Kino-Streifen wie "Amadeus" oder "Die Rückkehr der Jedi-Ritter" konnte das Flaggschiff durch die 1980er-Jahre gerettet werden. Es ist heute immer noch das größte Studio für Ton-Aufnahmen in der Welt. Der gesamte Gebäudekomplex in der Abbey Road steht seit 2010 unter Denkmalschutz. Die Geschichte der legendären Studios scheint auch der Garant für ihre Zukunft.
"Würde man sich jemals dazu entschließen, von hier fortzuziehen, dann würde dadurch der Mythos zerstört werden, von dem auch die jungen Künstler immer noch profitieren."