Archiv

Vor 90 Jahren gestorben
Emil Berliner, der Vater der Schallplatte

1887 erfand der Deutschamerikaner Emil Berliner, Spross einer jüdischen Kaufmannsfamilie aus Hannover, Grammophon und Schallplatte. Die ersten Kritiken waren vernichtend, den Siegeszug des damals neuen Mediums konnten sie jedoch nicht aufhalten.

Von Frank Grotelüschen |
    Ein altes Grammophon mit grünem Trichter
    Kritiker bemängelten 1887 vor allem die Tonqualität des Grammophons (picture alliance / Ulrich Baumgarten)
    "Zuerst klingt es wie eine wahnsinnig gewordene Dampfmaschine. Wenn Sie dann die Hoffnung hegen, gleich würde es besser, vernehmen Sie als nächstes das Rumpeldipumpel eines schwerbeladenen Fuhrwerks."
    Die Kritik in "The Phonoscope", der ersten Fachzeitschrift für Apparate zum Zwecke der Tonaufzeichnung, war vernichtend. Doch sie konnte den Welterfolg nicht verhindern. 1887 hatte der Deutschamerikaner Emil Berliner Grammophon und Schallplatte erfunden. Jahrzehntelang sollten beide den Markt dominieren und der Musik aus der Konserve zum Durchbruch verhelfen.
    Geboren wurde Emil Berliner 1851 als Spross einer jüdischen Kaufmannsfamilie in Hannover. Um dem preußischen Militärdienst zu entkommen, setze er sich mit 19 in die USA ab. Dort musste er sich zunächst mit Gelegenheitsjobs über Wasser halten, in seiner Freizeit bastelte er an diversen Erfindungen. Ein erster Erfolg kam 1877, als Berliner ein Mikrofon für die ersten Telefone entwickelt hatte. Das bescherte ihm 50.000 Dollar, und er konnte sich in Ruhe einer weiteren Tüftelei widmen – einem Gerät, das Schallwellen aufnimmt und anschließend wiedergibt.
    Dass sich Klänge überhaupt aufzeichnen ließen, hatte bereits 1877 der legendäre Thomas Alva Edison bewiesen. Das Prinzip: Eine Membran nahm die Schallwellen aus der Luft auf und übertrug sie auf eine Nadel. Deren Bewegung ritzte dann eine Schlangenlinie in eine Walze. Doch Edisons Phonograph hatte einen Nachteil: Die Walzen ließen sich nicht vervielfältigen und deshalb nur schwer vermarkten.
    Dieses Manko rief Emil Berliner auf den Plan: Er entwarf einen Apparat, der die Schallwellen nicht auf Walzen ritzte, sondern auf Scheiben. 1887 erhielt er das Patent für Grammophon und Schallplatte.
    Erste Geräte mussten per Handkurbel betätigt werden
    Zunächst war die Klangqualität noch bescheiden, wie auf einer Aufnahme von 1897, auf der Berliners Stimme nur zu erahnen ist. Und: Die ersten Geräte mussten per Handkurbel betätigt werden.
    "Ich erklärte meinem Besucher, warum es wichtig sei, dass die Geschwindigkeit, mit der die Schallplatte bei der Wiedergabe gedreht würde, genau dieselbe sei wie bei der Aufnahme."
    Erinnerte sich Emil Berliner Jahrzehnte später.
    "Dass bei langsamerer Geschwindigkeit der Ton tiefer sei, und bei schnellerer höher als die Originalstimme."
    Bald gelangen technische Verfeinerungen, die Klangqualität wurde besser. Der entscheidende Vorteil gegenüber Edisons Phonograph aber war ein anderer.
    "Die Schallplatte ist viel leichter zu reproduzieren."
    Sagt Stefan Puille von der Hochschule für Wirtschaft und Technik in Berlin.
    "Sie können mit Hilfe eines Pressstempels Tausende von Schallplatten pressen. Dazu kommt, dass Schallplatten aus einem Material gepresst werden können, was wesentlich widerstandsfähiger ist als es bei Walzen der Fall war."
    Zunächst versuchte es Emil Berliner mit Zink und Hartgummi, später mit einer Mischung aus Schiefer, Baumwolle, Ruß und Schellack.
    "Man wird von meinen Platten so viele Kopien machen können, wie man will, und prominente Sänger, Sprecher und Schauspieler werden durch den Verkauf ihrer Phonoautogramme zu einem Tantieme-Einkommen gelangen können.
    Die Schallplatte wird zum Massenmedium
    Eine Prognose, mit der Emil Berliner Recht behalten sollte. 1895 gründete er in Philadelphia die Berliner Grammophone Company, drei Jahre später in seiner alten Heimat die Deutsche Grammophon-Gesellschaft, bis heute eines der bekanntesten Plattenlabel für klassische Musik. Der endgültige Durchbruch kam im März 1902: Damals schmetterte Enrico Caruso, der Star der Mailänder Scala, seine ersten Arien in den Aufnahmetrichter des Grammophons – ein Welterfolg und der Startschuss für den Siegeszug der Schallplatte. Später dann wandte sich Berliner einem anderen Feld zu: Gemeinsam mit seinem Sohn Henry tüftelte er an der damals noch jungen Helikoptertechnik und schuf dabei wichtige Grundlagen für spätere Hubschrauber. Doch als Emil Berliner am 3. August 1929 in Washington starb, gedachte man seiner vor allem wegen einer Tat – der Erfindung des ersten Massenmediums der Musikgeschichte.