"Guten Morgen!"
Federnden Schrittes betritt Björn Höcke den Fraktionsraum der AfD. Wie meist ein paar Minuten zu spät. Der Mann, der so gern auf preußische Tugenden verweist, lässt gern ein bisschen auf sich warten. Vor allem Journalisten. Von denen aber sind nur zwei gekommen. Die vielen anderen Leute im Raum sind zwei weitere AfD-Abgeordnete und eine Menge AfD-Mitarbeiter. Die Pressekonferenz wird von ihnen beobachtet, fotografiert, aufgenommen und live ins Internet übertragen. Höcke weltweit sozusagen. Vor Ort aber geht es wenig spektakulär zu.
"So, Herr Zeiler, los geht’s!"
Höckes Pressesprecher muss immer ein wenig angestupst werden, damit es weiter geht. Dann Auftritt Höcke. Alternativvorschläge zum Doppelhaushalt der Landesregierung. Mehr Geld für Polizisten, Lehrer, Kommunen, etc. Die Gegenfinanzierung sei ganz einfach. Das Geld für Migranten zum Beispiel könne man ja fast komplett einsparen. Darauf hingewiesen, dass das nicht so einfach ginge, weil von der Bundespolitik abhängig, eiert Höcke ein wenig herum.
"Aber das ist natürlich ein Entwurf, den wir vorstellen, um damit auch einen alternativen Ansatz in die Öffentlichkeit zu transportieren. Das wäre alles möglich, wenn man diesen Paradigmenwechsel eben wollte. Und wir wollen diesen Paradigmenwechsel."
Tobias Zeiler: "Gibt es weitere Fragen zum Haushalt?"
Seine Wahl in den Bundesvorstand könnte die Partei zerreißen
Nein, beide Journalisten sind nicht wegen der alternativen Haushaltsvorschläge der AfD gekommen, sondern, wie so oft, wegen Björn Höckes Rolle in der Bundespolitik. Regelmäßig vor jedem Bundes-Parteitag der AfD wird er gefragt, ob er für den Bundesvorstand kandidieren wolle. Regelmäßig antwortet er ähnlich:
"Ich bin auch weiterhin noch im Nachdenken begriffen. Es gibt da Pro- und Kontra-Argumente. Wir haben hier in Thüringen eine gute Aufgabe auch vor uns, auch im Hinblick auf 2019. Und man muss auch überlegen, auf wie vielen Hochzeiten man tanzt, wie viel Ämter man wirklich bekleidet."
Eine Wahl des AfD-Rechtsaußen Höcke in den Bundesvorstand könnte die Partei zerreißen. Die Berliner AfD-Politikerin Beatrix von Storch etwa hat für den Fall, dass Höcke in den Bundesvorstand will, eine Kampfkandidatur gegen ihn angekündigt. Alice Weidel, die AfD-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, steht weiter zum Parteiausschlussverfahren gegen Höcke:
Alice Weidel: "Der Beschluss wurde gefasst im Februar!"
Reporterfrage: "Glauben Sie, dass der weiter bestehen wird?"
Alice Weidel: "Der Beschluss wurde einmal gefasst, und die Schiedsgerichte sind die Entscheidungsträger."
Reporterfrage: "Glauben Sie, dass der weiter bestehen wird?"
Alice Weidel: "Der Beschluss wurde einmal gefasst, und die Schiedsgerichte sind die Entscheidungsträger."
Ein Dreiviertel Jahr ist der Vorstandsbeschluss, Björn Höcke nach seiner Dresdner Rede wegen parteischädigenden Verhaltens aus der AfD auszuschließen, nun her. Das Verfahren war noch unter Frauke Petrys Regie zustande gekommen. Getan hat sich zumindest in der Öffentlichkeit: nichts. Auf Nachfrage müssen Höcke und seine Abgeordnetenkollegin Wibke Muhsal lachen.
Wibke Muhsal: "Was für ein Parteiausschlussverfahren?"
Björn Höcke: "Was für ein …? Nein, also: Das Landesschiedsgericht wird von einem sehr souverän operierenden Präsidenten geleitet. Und dieses Landesschiedsgericht operiert vollkommen unabhängig."
An dieser Stelle verkneift sich Höcke ein Lachen. Er weiß, dass Leute, die ihm auf Landesparteitagen widersprechen, gnadenlos ausgebuht werden. Und er erklärt, dass es noch im Dezember eine Anhörung geben wird.
"… und dann hoffe ich, dass dieses Parteiausschlussverfahren als gegenstandslos auch ad acta gelegt wird. Und davon gehe ich mal aus."
Rechter Flügel ist eine wichtige Größe in der Partei
Und alle Beobachter wohl auch. Höcke hat den Abgang von Bernd Lucke 2015 und den Abgang von Frauke Petry im September dieses Jahres aus der Ferne beobachtet. Kaum einer bezweifelt aber, dass er im Hintergrund nicht nur an einem Faden gezogen hat. Björn Höcke ist mit seinem rechten Flügel eine wichtige Größe in der Partei. Auch wenn er nur Vorsitzender eines kleinen Landesverbandes ist. Die Funktionäre in Bayern oder Nordrhein-Westfalen wissen, dass nur Höcke in der Lage war, 2015 und 2016 Tausende Anhänger auf die Straße zu bringen. Und wer immer von ihnen auf dem Erfurter Domplatz redete: Am meisten Beifall bekam immer einer:
"Wir brauchen einen neuen Bundeskanzler! Und der kann nur aus der AfD kommen, liebe Freunde!"
"Höcke! Höcke! Höcke!"
Und so klang es nicht nur in Thüringen, sondern auch in Sachsen – etwa im Januar in Dresden nach seiner Rede wider das Holocaust-Gedenken:
"Höcke nach Berlin! Höcke nach Berlin! Höcke nach Berlin!"
Bislang hat er sich geziert, wollte auch im September nicht für den Bundestag kandidieren. Beobachter vermuten, dass er nicht irgendwo hinter Frauke Petry im Bundestag sitzen wollte, sondern ganz vorn. Dafür ließ er einen seiner engsten Vertrauten nach Berlin ziehen, Stephan Brandner, vormals der schmerzfreie Wadenbeißer der AfD-Fraktion im Thüringer Landtag.
"Kein AfDler will mit euch fucken. Das müsst ihr schon selber machen untereinander. Und was dann da raus kommt, das sieht man ja!"
Engste Vertraute fiel in Berlin durch
Brandner jedoch konnte in der Bundestagsfraktion nicht so reüssieren, wie er und Höcke sich das vorgestellt hatten: Sowohl bei der Wahl zum stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden fiel er durch als auch bei der zum Parlamentarischen Geschäftsführer. Nun, wo die Möglichkeit für Neuwahlen im Raum steht, könnte sich Höcke doch noch eine Kandidatur für den Bundestag vorstellen:
"Also, das ist keine Chance für mich persönlich. Also erst mal wissen Sie: Ich bin da nicht so personenfixiert, schon gar nicht, wenn es meine Person angeht. Wir haben vielleicht jetzt Neuwahlen vor uns, ja. Und wir werden überlegen müssen, ob die Lage eine neue ist, ob sich die Lage geändert hat."
Für ihn persönlich hat sich die Lage auf jeden Fall geändert: Seine Intimfeindin Frauke Petry hat aufgegeben, auch andere, denen die AfD zu weit nach Rechts gekippt ist. Und der derzeitige Fraktionsvorsitzende Alexander Gauland hält ohnehin große Stücke auf Höcke, sich selbst aber ohnehin für zu alt für Spitzenjobs.