"Hallo, hört Ihr mich alle?!"
Sie hören ihn. Anwohner, Kohlekraft-Gegner und andere Aktivisten warten an diesem kalten Januar-Sonntag im brandenburgischen Kerkwitz darauf, dass es losgeht: Unweit vom Braunkohle-Tagebaugebiet Jänschwalde wollen die gut 300 Demonstranten zu einem Protestmarsch aufbrechen:
"Wir sind ja hier am gewohnten Treffpunkt der letzten elf Jahre. Es wird aber die Möglichkeit geben, einen Abstecher zu machen zu dem Waldgrundstück, das von Enteignung bedroht ist im Vorfeld des Tagebaus."
Mittendrin im Getümmel steht Annalena Baerbock, 37 Jahre alt. Aufgewachsen in Niedersachsen, hat die grüne Bundestagsabgeordnete ihren Wahlkreis in Brandenburg. So gesehen ist dieser Protestmarsch ein Heimspiel - für sie als Klimaexpertin der Grünen-Bundestagsfraktion erst recht.
Baerbock beeindruckte selbst politische Gegner
"Es geht darum, darauf aufmerksam zu machen, dass auch die aktiven Tagebaue massiv hier Eingriffe in die Natur, in die Umwelt, in die Landschaft, in die Heimat der Bevölkerung haben. Und dass man davor nicht die Augen verschließen darf, sondern alles dafür tun muss, dass die Schäden von dem, der sie verursacht hat, nämlich den Kohlebetreibern, angegangen werden."
Baerbock gehörte im vergangenen Herbst zum grünen Sondierungsteam bei den Jamaika-Verhandlungen. Sie beeindruckte in diesen Wochen selbst politische Gegner mit ihrer Fachkompetenz. Warum wie viele Tonnen CO2 zur Einhaltung der Klimaschutzziele bis wann eingespart werden müssen, das kann Baerbock in zehn Sätzen runterrattern. Sie kommt engagiert, glaubwürdig, kämpferisch rüber – alles Eigenschaften, die sie für ihre bisher größte politische Bewährungsprobe braucht: den Wettbewerb um den Grünen-Parteivorsitz. Warum sie antritt, erklärt sie im Deutschlandfunk-Interview so:
"Dieses Land bewegt eine Menge Themen. Wir haben große Zukunftsfragen in ganz Europa, die angegangen werden müssen. Das ist mir total wichtig - ich bin leidenschaftliche Europäerin -, dass wir nicht zurück ins nationale Kämmerlein fallen, sondern unsere Politik in allen Bereichen, sei es Kinderarmut, sei es Agrarpolitik - europäisch gestalten."
Baerbock und Habeck gehen als Favoritin ins Rennen
Baerbock geht, gemeinsam mit Robert Habeck aus Schleswig-Holstein, als Favoritin ins Rennen um den Parteivorsitz. Beide sind Realos, für den linken Flügel tritt Anja Piel an, bislang Fraktionschefin in Niedersachsen. Die Wahl der neuen Parteispitze ist der wichtigste Programmpunkt auf der Bundesdelegiertenkonferenz an diesem Wochenende. Allerdings weisen die Grünen auf ihrer Internet-Seite darauf hin, dass "die Wahl des Bundesvorstands wie des Parteirats unter Vorbehalt möglicher Neuwahlen des Deutschen Bundestags gestellt ist."
Rein formal ist das der langwierigen Regierungsbildung geschuldet. Doch der Hinweis wirft auch ein Schlaglicht auf die Verfasstheit der Grünen: Der Blues nach den geplatzten Jamaika-Gesprächen sei zwar überwunden, wird allerorten behauptet. Aber womit die Grünen künftig punkten, oder wie sie überhaupt Aufmerksamkeit auf sich lenken wollen, als kleinste von sechs Fraktionen im Parlament, das haben sie bisher nicht vermitteln können.
Von 23 neuen Bundestags-Ausschüssen werden die Grünen gerade einmal zwei Vorsitze erhalten – für Umwelt und für Verkehr. Franziska Brantner ist dennoch optimistisch. Gerade ist die 38-Jährige zur neuen stellvertretenden Geschäftsführerin ihrer Fraktion gewählt worden und erscheint mit Blumenstrauß im Bundestagsrestaurant.
"Es ist eine schwierige Situation für alle Parteien gerade. Diese Hängepartie und diese Ungewissheit."
Als habe jemand die Pause-Taste gedrückt
Noch immer keine neue Regierung, kein voll funktionsfähiger Bundestag, allenfalls ein Zurechtruckeln in der neuen - alten - Oppositionsrolle. Selbst Neuwahlen sind noch immer nicht ausgeschlossen. Und so wirken die Grünen, als habe jemand die Pause-Taste gedrückt. Diese Hab-Acht-Stellung - Brantner mag den Begriff nicht - "ermöglicht ja auch Dinge, die man sonst nicht hinbekommt. Also ich finde, im Bundestag sind die Debatten dadurch offener, weil man eben nicht weiß, wer wird jetzt Regierung sein, und wer Opposition. Das ist auch für uns Grüne eine Chance, unsere Inhalte stark nach vorne zu bringen."
Klimaschutz, Kinderarmut, eine weltoffene Gesellschaft, und ganz wichtig: Europa!
"Wir haben's auch geschafft, fraktionsübergreifend einen neuen Freundschaftsvertrag mit Frankreich auf den Weg zu bringen. Also von daher, klar sind wir alle in Wartestellung und planen mit einem halben Bein immer schon wieder den Wahlkampf und mit dem anderen halben Bein die Oppositionsarbeit. Das ist ein Spagat, aber eigentlich für uns eine ganz gute Aufgabe, da jetzt Leidenschaft, Inhalte voranzubringen, und auch das Gefühl, dass zum Beispiel für den Klimaschutz wirklich sonst niemand steht außer uns."
Seit dem Herbst sind die Umfragewerte der Grünen so deutlich gestiegen wie lange nicht. Brantner sieht den Grund in der klaren Profilierung während der Jamaika-Sondierung. Dennoch ist die Ausgangslage vor dem Parteitag, der sich eine frische, neue Führungsriege wählen will, alles andere als leicht.
Grünen mitten in den Aufräumarbeiten
Manche retten sich in den Spott über die mögliche neue GroKo und die SPD-Mitglieder-Debatte. Dabei stecken die Grünen selbst noch in den Aufräumarbeiten. Die anstehende Bundesdelegiertenkonferenz wurde überhaupt nur einberufen, um die Vorstandswahlen nachzuholen – die sich hinziehende Regierungsbildung hat den Parteitagskalender durcheinandergebracht. Und auch wenn die Grünen unisono versichern, dass der Katzenjammer vorbei sei: Jener Tag im November, als die FDP die Jamaika-Sondierungen für beendet erklärte, wirkt wie ein Trauma nach.
"Wir stehen hier – ich steh hier – mit gutem Papier und leeren Händen. Und diese Ohnmacht ist jetzt das, was sich breitmacht bei mir."
Robert Habeck sprach vielen Grünen aus der Seele, als er auf einem Parteitag Ende November, nur wenige Tage nach dem Aus der Jamaika-Gespräche, ans Rednerpult trat. Eigentlich wollten die Delegierten über die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit Union und den Liberalen abstimmen. Doch mit seinem Nein machte FDP-Chef Christian Lindner den Grünen einen Strich durch die Rechnung. Aus der Traum, nach zwölf Jahren Opposition endlich wieder mitzuregieren. Geblieben ist: ein neues, altes Feindbild:
"Die FDP von heute, sie will nicht gestalten. Die FDP von heute, die Liste Christian Lindner, ist eine rechte bürgerliche Protestpartei."
"Jetzt muss es vorwärts gehen!"
Jürgen Trittin, prominentes Sprachrohr der Parteilinken, prägt den Ton auf diesem Parteitag. Die Wut auf die Lindner-FDP, gepaart mit dem Stolz auf das eigene Sondierungsteam und diesem "Wir sind die Guten!"-Gefühl - all das prägt die Stimmung. Doch auch Renate Künast trifft einen Nerv, als sie am Ende des Tages ans Rednerpult tritt, ungeduldig und wütend:
"Nachdem ich mir den ganzen Tag angehört hab, sag ich Euch: Ich habe diverse gute Reden gehört, aber aus der Tiefe meiner Seele gesprochen, sag ich jetzt: Jetzt ist genug gelobt, jetzt ist genug geweint, jetzt muss es vorwärts gehen!"
Dankbar bejubeln die Delegierten diesen Appell:
"Eigentlich müssen wir jetzt mit der Power rausgehen, auch mit Blick auf den nächsten Parteitag Anfang nächsten Jahres, dass wir jetzt sagen: Wie stellen wir uns für die Zukunft auf?"
Künast will den Druck erhöhen
Künast gibt sogleich die Antwort. Erstens: Grüne Herzensthemen angehen. Die Agrar- und Verkehrswende, den Kampf gegen den Unkrautvernichter Glyphosat, der in Verdacht steht, Krebs auszulösen. Und: Künast fordert, weiter gegen die Erderwärmung und für einen Kohleausstieg zu kämpfen – nie hatte das Thema so viel Konjunktur wie während der vierwöchigen Jamaika-Sondierungen. Darauf sind die Grünen stolz, es ist das Identität stiftende Thema der Partei.
Künast will den Druck nicht nur auf Union und SPD erhöhen, sondern auch auf die AfD:
"Ich will die eine nicht schon wieder ansprechen, die hängt mir wie Sauerkraut aus den Ohren, ja! Das wird unsere Aufgabe der nächsten Zeit sein: Wer Bürgerrechtspartei sein will, muss an dieser Stelle von Justiz bis Freiheit alles durchdeklinieren. Die Leute lesen zum Teil keine Zeitung mehr, sie gucken ins Netz, sie gucken Youtube-Videos und, und, und. Ich frag mich: In Zeiten von immer mehr populistischen Parteien, wo wir eine Sachpartei sind, müssen wir uns aber miteinander überlegen, wie wir in Zukunft agieren. Wir müssen das Außerparlamentarische vielleicht wieder eine Zeit lang wieder zum Standbein der Bundestags-Abgeordneten machen, ein Stück Verlagerung. Gemeinsam schamlos Bündnisse schließen, um dieses Land zu modernisieren."
Kleinste Fraktion im Bundestag und wieder Opposition
Künast formuliert damit, was seit der Weihnachtspause viele Grüne umtreibt. Sie sind nun kleinste Fraktion im Bundestag, und wieder in der Opposition. Und gerade haben die Grünen mit magerem Ergebnis eine neue Fraktionsspitze wiedergewählt, die nicht gerade Begeisterungsstürme auslöst:
"Wir haben über drei Kilogramm Schokolade verarbeitet, und bei Schokolade sollte man immer eins bedenken: Dass man im Idealfall fair gehandelte Schokolade nimmt und noch Bio dazu."
In diesem Video der Grünen Jugend präsentiert sich Anton Hofreiter ganz unverstellt so, wie er ist: Ein langhaariger Öko und promovierter Biologe vom linken Parteiflügel, der auf Fotos im Netz mit Hühnern posiert oder eben Pralinen herstellt.
"Ich liebe Schokolade. Aber auf manchen Kakao-Plantagen müssen leider Kinder arbeiten. Deshalb meine große Bitte: Fair gehandelte Schokolade kaufen!"
Hofreiter gibt sich kämpferisch
Der alte und neue Fraktionschef Hofreiter wird gemocht von seinen Kolleginnen und Kollegen, nicht nur, weil er auch ihnen gerne selbst gemachte Pralinen schenkt. Ob er im neuen Sieben-Parteien-Parlament allerdings die nötige Durchschlagskraft hat und wirklich für die so viel beschworene Erneuerung der Grünen steht, daran hegen viele in der Fraktion offenbar Zweifel. Anders ist das schlechte Ergebnis, mit dem Hofreiter Anfang Januar im Amt bestätigt wurde, nicht zu erklären. Dennoch gibt er sich kämpferisch:
"Wir wollen die führende Kraft der linken Mitte werden, und da gibt’s eine ganze Reihe von Dingen, die anzupacken sind. Fragen, die die Bürger sehr, sehr direkt betreffen. Von Wohnen, über Pflege, über Kinderarmut. Auch einfach die Frage: Kann ich mit meinem Diesel zukünftig noch in die Stadt fahren, oder ist der völlig entwertet? Mein Gott, die Große Koalition überlässt die Bürger einfach der Unverantwortlichkeit der Autokonzerne, und so wird man die Probleme am Ende nicht lösen können."
Hofreiter führt die Fraktion gemeinsam mit Katrin Göring-Eckart. Die Doppelspitze ist nach Flügel und Geschlecht sorgsam austariert - was ein Grund ist, warum Cem Özdemir keine Chance hatte auf den Posten. Als Mann und Realo war für ihn schlichtweg kein Platz frei.
"…Oinr isch emmr dr Arsch…"
Der Plan, in anderen Milieus zu fischen
Seine Lieblingsband aus der schwäbischen Heimat erwähnt Özdemir in diesen Tagen gerne, wenn Reporter ihn nach seiner politischen Zukunft fragen. Den Parteivorsitz gibt er nun freiwillig ab, nach fast zehn Jahren. Und gibt ansonsten zu Protokoll, dass er in seiner Partei jetzt erst mal den Libero geben wolle. Anders Katrin Göring-Eckart. Die 51-Jährige hat ihren Spitzenposten in der Fraktion halten können und - seitdem Jamaika gescheitert ist - längst wieder umgeschaltete auf Opposition:
"Wir haben eine kleine Große Koalition, keine achtzig Prozent Mehrheit mehr. Wir haben Leute, die es eigentlich nicht wollen. Wir haben die Situation mit der AfD. Aber wir wissen, auch die FDP will nicht, die Linkspartei kann nicht, und die AfD soll nicht, und wir haben viel darüber diskutiert, wie wir ausgreifen auch über das Milieu hinaus, das wir bisher haben."
Das zielt zum einen auf die FDP. Grinsend erzählen grüne Spitzenvertreter, dass der Zahnarzt vielleicht weiter die Liberalen wähle. Seine Frau aber mache ihr Kreuzchen immer öfter bei den Grünen. Der Plan, in anderen Milieus zu fischen, bekommt vor allem vor den Landtagswahlen im kommenden Herbst in Hessen und in Bayern Bedeutung. Schwarz-Grün in Hessen wackelt, und in München zittert die CSU um ihre absolute Mehrheit.
Raketenhafter Aufstieg des Umweltministers aus Schleswig-Holstein
In Berlin sprechen selbstbewusste Grüne derweil von einer Machtverschiebung auch innerhalb ihrer Partei: Endlich werde jetzt die Bundespartei mal wieder das Ruder übernehmen, nach dem Machtverlust in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Der Fokus verlagere sich damit von den Ländern auf die grüne Parteizentrale in Berlin. Und diese Hoffnung hat einen Namen:
"Es ist nicht nur die Ostsee oder das Meer oder das Wattenmeer, das ich vermissen werde. Sondern es ist die Arbeit am Konkreten. Alles war eins zu eins zu besichtigen, anzufassen, zu riechen, zu spüren – das ist das, was man dann jedenfalls für den Moment aufgibt."
Der Einsatz für Robben und mausernde Brandgänse wird ihm fehlen, aber es zieht Robert Habeck mit aller Macht nach Berlin. Der Umweltminister aus Schleswig-Holstein hat einen raketenhaften Aufstieg in der Landespartei hinter sich. Jetzt geht der 48-Jährige als Favorit für den Grünen-Parteivorsitz ins Rennen. Vor zwei Jahren bewarb Habeck sich als Spitzenkandidat für die Bundestagswahl, verlor in der Urwahl jedoch mit nur 75 Stimmen gegen Cem Özdemir. Spätestens seit diesem Ergebnis gilt der vierfache Familienvater als Joker der Grünen. Er kommt klug, eloquent, unkonventionell daher, und die Zeitungen drucken lange Seite-3-Geschichten, in denen es viel um seine Person, aber wenig um grüne Themen geht. Habeck weiß um die Gefahr dieses Medienrummels:
"Das ist an der Grenze, eine Übersteigerung zu bekommen, die einfach ungesund ist, und die kann ja nur Enttäuschungen vorbereiten. Also das ist ja eine normale Kandidatur, wie wir ganz viele andere davor hatten, und die ist auch noch lange nicht gewonnen."
Habeck: "Ich bin eher der Anti-Fischer"
Manche Beobachter vergleichen ihn bereits mit Joschka Fischer, der für die Partei viel erreicht hat, aber kein Mannschaftspieler war. Habeck graust es vor diesen Vergleichen:
"Ich hab überhaupt nicht die Vorstellung: 'Ich sag, wo es langgeht, und alle anderen müssen sich dem unterwerfen oder folgen'. Also was diese ganze Schröder-Fischer-Generation so ausgestrahlt hat, dieses Egomanische. Ich bin eher der Anti-Fischer."
Aber auch ein Robert Habeck verfügt über einen ausgeprägten Machtinstinkt und kann schroff werden, wenn er unter Stress gerät. Manche Parteifreunde sind zudem genervt von der gelegentlich besserwisserischen Attitüde des Newcomers: Habeck spreche strategische oder inhaltliche Fehler öffentlich aus, und das tue eben weh. Seinen Nimbus als grüner Hoffnungsträger stellt dennoch niemand infrage. Am wenigsten er selbst:
"Mein bescheidene Erfahrung mit Medien ist: Wenn man was Interessantes zu sagen hat, dann berichten die Medien auch darüber."
Habeck will sich nicht als Flügelkandidat verstanden wissen
Habeck wird zum Realo-Flügel gezählt, hat aber auch Anhänger bei der Parteilinken. Er selbst will sich nicht als Flügelkandidat verstanden wissen, er trete für die gesamte Partei an:
"Wobei die Kategorien links und rechts ein bisschen durcheinandergeraten. Ich bin schon dafür, dass die Reichen und sehr Reichen einen höheren Beitrag gesellschaftlich leisten. Das heißt also, (dass) Steuern auf Vermögen stärker kassiert werden. Ich glaube aber nicht, dass sich eine linke, oder eine gesellschaftsorientierte Politik in der Steuerpolitik erschöpft."
Seine Niederlage bei der Grünen-Urwahl steckt Habeck allerdings noch in den Knochen. Deshalb prüft der Kandidat dieses Mal vor der Wahl, ob die Grünen bereit sind, ihm zu folgen: Sollte er Parteichef werden, will Habeck als Umweltminister noch mindestens acht Monate im Amt bleiben, um in Ruhe seine Nachfolge in Kiel zu regeln, wie er sagt. Das verlangt jedoch eine Anpassung der Grünen Partei-Satzung, die eigentlich die Trennung von Amt und Mandat vorsieht. Kritiker sprechen sogar von einer "Lex Habeck".
Fest verortet im linken Lager
Mehrere Änderungsanträge liegen der Parteitags-Regie für dieses Wochenende vor, und so zeichnet sich ab, dass die Debatte um Amt und Mandat, aber auch die Machtfrage zwischen dem Realo- und dem linken Parteiflügel diese Bundesdelegiertenkonferenz prägen wird.
Sollten Habeck und die zweite Favoritin Annalena Baerbock gewählt werden, wäre der linke Parteiflügel erstmals nicht an der Parteispitze vertreten. Konsequent betont Baerbock daher, die Partei sei ja schon von sich aus links:
"Wir sind als Grüne fest verortet im linken Lager. Also daran habe ich gar keinen Zweifel. Und in Zeiten, wo der Bundestag nach rechts rückt, wo frauenfeindliche Sprüche wieder auf der Agenda stehen, genauso wie Rassismus, gilt es für uns Grüne erst recht, die linksliberale, emanzipatorische Fahne hochzuhalten. Ich trete daher für die Gesamtpartei an, wo alle Stimmen gehört werden müssen, und das heißt für mich, natürlich auch die Flügeldebatten zu hören. Aber auch die unterschiedlichen regionalen Perspektiven. Oder auch die Position des globalisierungskritischen Studenten, und auf der anderen Seite des Ministerpräsidenten."
Das Rennen ist noch nicht gelaufen
Habeck und Baerbock müssten zudem beweisen, dass sie es besser können als ihre Vorgänger: Cem Özdemir und Simone Peter, die beide nicht mehr antreten, sind einander in herzlicher Abneigung verbunden. Noch aber ist das Rennen nicht gelaufen. Anja Piel aus dem Landesverband Niedersachsen ist die Dritte im Bunde. Sie geht zwar als Außenseiterin ins Rennen, aber Konkurrenz – so heißt es von allen drei Kandidaten, belebt die innerparteiliche Demokratie. Vor allem tritt Piel aber an, "weil ich weiß, dass ich auch eine gewisse Krisenresistenz mitbringe, und weil ich finde, dass die Partei neben den großen Kernkompetenzen Klima und Umwelt und Naturschutz auch in Gerechtigkeitsfragen noch ein bisschen besser aufgestellt werden muss."
Wer auch immer am Ende siegt: Der neuen Parteispitze steht ein üppiges Programm bevor: Zwei Landtagswahlen in diesem und drei im kommenden Jahr. Dazu die Europawahl im Frühjahr 2019. Und natürlich gilt es, der künftigen Bundesregierung etwas entgegenzustellen. Sagt Robert Habeck:
"Ich glaube, wir müssen nicht in den Oppositionsmodus, also uns abarbeiten an den Projekten der anderen, sondern im eigenständigen Modus, als wären wir quasi eine alternative Regierung, Antworten definieren, die die Gesellschaft auf die Höhe ihrer Zeit bringen."