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Vor dem CSU-Parteitag
Machtkampf beendet, Landtagswahl im Blick

Am kommenden Wochenende leitet die CSU den Führungswechsel ein: Horst Seehofer bleibt Parteichef, Spitzenkandidat für die Bayernwahl und ab 2018 Ministerpräsident wird Markus Söder. Dem 50-jährigen Franken steht ein schweres Jahr bevor: Er soll Wähler am rechten Rand zurückgewinnen, ohne die Mitte zu verprellen.

Von Barbara Roth und Michael Watzke |
    Ein Notausgangsschild hängt am 14.12.2017 in Nürnberg (Bayern) beim Aufbau zum CSU-Parteitag in der Messehalle im Blickfeld des Bühnenhintergrunds mit der Aufschrift "CSU". Vom 15. bis 16. Dezember findet in Nürnberg der Parteitag CSU statt.
    Jahrelang brannte zwischen Markus Söder (l.) und Horst Seehofer ein erbitterter Machtkampf in der CSU - jetzt rücken beide in einer Doppelspitze zusammen (dpa / picture alliance / Daniel Karmann)
    "Es gibt nichts schönzureden. Das Wahlergebnis der Bundestagswahl 2017 ist für uns eine herbe Enttäuschung."
    München am Abend der Bundestagswahl. Im Franz Josef Strauß-Haus - der Parteizentrale der Christsozialen - ringt Horst Seehofer um Worte. Als Parteivorsitzender trägt er die Verantwortung für das schlechteste Wahlergebnis der CSU seit 1949: magere 38,8 Prozent in Bayern, ein Absturz um 10,5 Prozentpunkte. Ein Desaster für den CSU-Chef - das ihn zehn Wochen später einen Teil seiner Macht kosten wird. Anfang Dezember kündigt der 68-Jährige an, "dass ich im nächsten Jahr nicht mehr für das Amt des bayerischen Ministerpräsidenten kandidieren werde, dass ich im Bereich des ersten Quartals 2018 auch meine Amtsgeschäfte übergeben werde. Wir haben für meine Nachfolge Markus Söder bestimmt. Das hat die Fraktion einstimmig beschlossen, und das wird auch der Parteitag so machen."
    Am Freitag und Samstag dieser Woche werden sich rund 1.000 Delegierte in Nürnberg treffen, um Markus Söder zum Ministerpräsidenten-Kandidaten zu küren. Der 50-jährige Franke polarisiert - doch bei der CSU ist die Angst größer, im Herbst 2018 bei der bayerischen Landtagswahl auch noch die absolute Mehrheit einzubüßen.
    Forsa-Chef: CSU hat Stimmen in der Mitte, nicht rechts außen verloren
    Auch Manfred Güllner, Geschäftsführer des Meinungsforschungsinstituts Forsa, sieht diese Gefahr. Nicht etwa, weil die AfD mit 12,4 Prozent im Freistaat stärker abschnitt als in jedem anderen westdeutschen Bundesland. Sondern weil Horst Seehofer nach wie vor glaubt, die Wahl wegen Merkels Flüchtlingspolitik verloren zu haben:
    "Der Hauptfehler war, überhaupt den Konflikt mit Merkel anzufangen. Denn wir wissen, dass ein großer Teil auch der CSU-Wähler lieber CDU gewählt hätte, wenn die CDU in Bayern wählbar gewesen wäre. Man hat ja angeblich mit der Betonung von Themen, die Wähler am rechten Rand interessieren, die Abwanderung von CSU-Wählern zur AfD verhindern wollen. Aber genau das ist nicht passiert. Die CSU muss sich ganz hart und ganz klar von der AfD abgrenzen, um Wähler, die sie in der Mitte verloren hat, wieder zurückzugewinnen."
    Daran will Horst Seehofer mitwirken, denn ganz loslassen kann er nicht. Parteivorsitzender - der er seit knapp zehn Jahren ist - will er bleiben und als Verhandlungsführer der CSU in Berlin die Koalitionsgespräche mit CDU und SPD führen. Dass ihm der Parteitag das Mandat dafür gibt, gilt als sicher.
    "Wenn wir in Berlin versagen, wenn es darum geht, Verantwortung für Deutschland wahrzunehmen, dann werden wir in Bayern nicht siegen. Versagen in Berlin ist gleichzeitig die Einleitung einer Niederlage in Bayern."
    CSU-Logik, die manche Menschen außerhalb Bayerns mit Kopfschütteln quittieren. Die Not der Christsozialen jedoch ist groß: Die absolute Mehrheit in Bayern gilt für die Partei bisher als gottgegeben. Ohne Alleinregierung zuhause ist in Berlin die einmalige Sonderstellung der CSU bedroht. 38,8 Prozent der Stimmen in Bayern bedeuten auf den Bund hochgerechnet gerade mal 6,2 Prozent - auch im 19. Bundestag ist die CSU nur die kleinste Partei.
    Doch worauf gründet sich dann eigentlich das bayerische Selbstbewusstsein? Die Betonung der Eigenständigkeit saugt ein Bajuware schon mit der Muttermilch ein: Denn Bayern blickt auf eine über 1.000-jährige Geschichte zurück. Wie keiner anderen Partei gelingt es der 1946 gegründeten CSU, diesen Stolz zu verkörpern. Sie ist ganz auf die Belange Bayerns ausgerichtet und nimmt in Anspruch, sich dafür auch auf Bundesebene stark machen zu dürfen.
    "Der CSU hat immer geschadet, wenn der Eindruck entsteht, auch noch der berechtigte Eindruck entsteht, dass sie bayerische Interessen im Bund nicht mehr durchsetzen kann. Denken Sie an ein so nachrangiges Thema wie die Pendlerpauschale von Erwin Huber vor vielen Jahren. Und was hatten wir in der Flüchtlingskrise in den Monaten vor der Bundestagswahl? Wir hatten einen Horst Seehofer, der sich lange Zeit immer stärker rhetorisch aufgeplustert hat. Und eine Kanzlerin, die davon scheinbar unberührt blieb. Horst Seehofer wirkte wirkungslos und machtlos in Berlin - und das, glaube ich, ist der entscheidende Punkt, den die Bayern ihrer CSU nie verzeihen."
    So fasst der Spiegel-Redakteur Peter Müller zusammen, was er bereits in seinem im Jahr 2016 erschienenen Buch "Der Machtkampf" ahnte, in dem er die Rivalität zwischen Seehofer und Söder beschrieb. Der Einfluss der CSU ist prägend, ihr verdankt die Republik zum Beispiel das Betreuungsgeld und die Pkw-Maut. Doch warum hat die CSU heute noch so viel Macht? Nicht nur Forsa-Chef Manfred Güllner hält den Einfluss der Regionalpartei längst für aus der Zeit gefallen.
    "Die CSU war ja mal die modernste Volkspartei Europas mit dieser enormen Bindekraft, was sich in den Wahlergebnissen niederschlug. 50 plus x war die Formel von den abgegebenen gültigen Stimmen, das waren manchmal bis 60 Prozent. Wenn man auf Strauß schaut, der ja auch immer in Bonn damals gepoltert hat: Er konnte das, weil er in Bayern stark war. Aber wenn ich in Bayern schwach bin, wie die CSU heute, und dann in Berlin so poltere, das kommt auch in Bayern eher schlecht an."
    Merkels Motto: Kein Streit mit der CSU
    Jahrzehntelang waren die Christsozialen Garant für staatliche Wahlerfolge. Und sorgten für Ergebnisse, die die Unionsschwester CDU in keinem anderen Bundesland aufweisen konnte. So mancher Bundeskanzler der Christdemokraten verdankt der CSU die Wiederwahl.
    "Wahr ist, dass Angela Merkel, die sich sonst ja in vielem von Helmut Kohl unterscheidet, eine Sache jedenfalls schon abgeschaut hat bei Helmut Kohl, und das ist der Spruch: Streit mit der CSU lohnt sich nie. Mir hat das mal der inzwischen verstorbene Peter Hintze erzählt. Frau Merkel hat sich über die Jahre an der Seite Horst Seehofers am Ende doch immer sehr kulant gezeigt, wenn es darum ging, der CSU zumindest eine Trophäe in Koalitionsverträgen zukommen zu lassen."
    Die kleinste Partei in einer Großen Koalition
    Bei den Jamaika-Verhandlungen hat die CSU Grüne und FDP mit dem Nein zum Familiennachzug, dem Nein zum Kohleausstieg und dem Nein zur raschen Abschaffung des Solidaritätszuschlags gequält. Im Nachhinein ist der eine oder andere Politiker vielleicht insgeheim erleichtert, dass die Sondierungsgespräche an den Liberalen gescheitert sind. Denn Jamaika hätte ohne die Stimmen der CSU-Abgeordneten im Bundestag keine Mehrheit gehabt.
    Diese Durchsetzungskraft werden die Christsozialen, falls es zu einer Neuauflage der Großen Koalition kommt, wohl nicht mehr haben. Denn nicht nur sie plagen Existenzängste, auch CDU und SPD sind aus der Wahl am 24. September geschwächt hervorgegangen. Für den neuen bayerischen Spitzenkandidaten Markus Söder hat Forsa-Chef Güllner deshalb diesen Rat:
    "Die CSU kann ja anknüpfen an das, was in Bayern alles positiv ist. Es ist ja ein Land, wo es ökonomisch hervorragend funktioniert, wo das Gefühl der Sicherheit viel ausgeprägter ist; wenn wir in den Großstädten fragen, dann hat man das höchste Sicherheitsgefühl in München. Es gibt also lauter Pluspunkte, auf denen die CSU aufbauen könnte. Sie muss anknüpfen an das Wohlgefühl, das die Bayern mit Bayern verknüpfen. Und diese Interessenidentität wieder herstellen zwischen Bayern, der CSU und den Wählern."
    Markus Söder vor dem Sprung zum Regierungschef
    Haushaltsdebatte im bayerischen Landtag. Am Rednerpult: der bayerische Finanzminister Markus Söder, CSU.
    "Meine sehr verehrten Damen und Herren. Haushaltspolitik ist Staatsphilosophie. Es gilt der Grundsatz: ‚Ohne Moos nix los'. Wir in Bayern, meine Damen und Herren, haben wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, finanzielle Solidität - und drum geht's den Bayern besser als den anderen Bundesländern."
    Söder tritt auf wie ein Ministerpräsident. Seine Rede ist in Inhalt und Ton eine Regierungserklärung. Er skizziert die großen Linien bayerischer Politik seit Franz Josef Strauß. Dabei ist Söder noch gar nicht Regierungschef. Noch bekleidet Horst Seehofer dieses Amt. Der weilt an diesem Mittwoch in Berlin - bei Sondierungsgesprächen der Union mit der SPD. Söder soll erst später an möglichen Koalitionsverhandlungen teilnehmen. So sei es mit Seehofer abgesprochen, sagt der Finanzminister im Gespräch mit dem Deutschlandfunk:
    "Also das ist jetzt wirklich Sache des Parteivorsitzenden. Ich glaube, er weiß auch ganz genau, worauf es da ankommt. Es ist ja ganz entscheidend, dass man das Ergebnis der Bundestagswahl annimmt. Die Leute haben nach wie vor Sorgen, was die Zuwanderung, den Rechtsstaat und die Integrationsfähigkeit unseres Landes betrifft. Oder ob Pflege in ländlichen Regionen überhaupt noch möglich ist. Da bin ich ganz sicher, dass nicht nur Horst Seehofer das weiß, sondern eigentlich jeder in der Union."
    Nach dem jahrelangen, teils ganz öffentlich ausgetragenen Machtkampf in der CSU vermeidet Markus Söder derzeit jeden noch so kleinen Dissens mit seinem Parteichef. Wenn Seehofer im "Spiegel"-Interview sagt, er, Seehofer, bestimme die Richtung der CSU in Berlin, dann nickt Söder treuherzig. Und er stapelt tief, wenn es um seine Ziele für die bayerische Landtagswahl im kommenden Jahr geht. Absolute Mehrheit? Derzeit kein Thema:
    "Das wird ja kein einfaches Jahr: Wir haben in Berlin eine nach wie vor ungeklärte Situation. Wir haben Umfragewerte, die sehr, sehr herausfordernd sind. Wir haben eine neue Partei, die das alte Dogma von Franz Josef Strauß durchbricht - dass es rechts neben uns auf der demokratischen Seite einen Mitbewerber gibt. Und man darf nicht vergessen: Wir haben in Bayern noch eine Menge vor uns. Also einfach wird es nicht im nächsten Jahr, umso wichtiger ist, dass wir geschlossen sind. Und das lässt sich am Parteitag gut zeigen."
    Durchgeplante Staffelübergabe
    Auf diesem CSU-Parteitag, der jetzt Freitag in Nürnberg beginnt, will die CSU endlich wieder Einigkeit demonstrieren. Erstmals in der Geschichte der Partei kommt der CSU-Vorstand am Vormittag - unmittelbar vor dem Beginn des Parteitages - zu einem Abstimmungstreffen zusammen. Nichts überlassen die Christsozialen dem Zufall. Sogar den Streit um Seehofers Stellvertreterposten will das Präsidium noch vor der Delegiertenversammlung abräumen.
    Es werde, sagt ein Präsidiumsmitglied, kein "Reise nach Jerusalem"-Spiel geben, bei dem sechs Bewerber um fünf Plätze konkurrieren. Deshalb wird wohl Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt zähneknirschend auf seine Kandidatur verzichten. Stattdessen soll die Bundestagsabgeordnete Dorothee Bär aufrücken und die CSU jünger und weiblicher erscheinen lassen. Dabei pflegte Seehofer früher zu scherzen, die Hundehütte sei für den Hund - und der Stellvertreter-Posten für die Katz.
    Frostige Stimmung zu Weihnachten
    Weihnachtsfeier der CSU Anfang dieser Woche. In der Münchner Parteizentrale spielt ein DJ "Rudolph, the Red-Nosed Reindeer". Horst Seehofer sitzt auf einem wackligen Barhocker auf der einen Seite des Saales. Auf der anderen Seite steht Markus Söder. Seehofer erwähnt Söder in seiner Ansprache mit keinem Wort. Den gesamten Abend lang gehen sich die beiden wichtigsten CSU-Männer aus dem Weg. Katja Auer, die Leiterin der Bayern-Redaktion der "Süddeutschen Zeitung", erlebt die Feier als wenig weihnachtlich. Die CSU-Alphatiere hätten wie Inseln in der Nordsee gewirkt.
    "Das waren Inseln, und die Stimmung darauf war eher kühl, fand ich. Das war keine Party. Man hat gemerkt, wer sich mag und wer sich nicht mag. Also es war nicht so, dass Seehofer und Söder aufeinander zugelaufen sind und sich herzlich begrüßt hätten. Auch Herr Spaenle und Herr Scheuer zum Beispiel nicht. Also wer da welches Lager vertritt, hat man schon gemerkt."
    Seehofer sagt, er werde keine Sympathien heucheln oder Theater spielen. Das habe schon mit der Kanzlerin nicht funktioniert. Und natürlich sei es schwer loszulassen, Macht abzugeben.
    "Das fällt einem persönlich nicht leicht. Aber ich habe auch einige Hundert Male in meiner Amtszeit als Ministerpräsident gegenüber Menschen den Satz gebraucht: 'Der Wechsel gehört zum Leben!' Dann muss man diesen Grundsatz auch akzeptieren, wenn man selbst betroffen ist."
    Bei der Weihnachtsfeier der CSU hält sich Seehofer erkennbar mit Scherzen und Nickeligkeiten zurück, für die er früher in der Partei gefürchtet war. Katja Auer erinnert sich vor allem an die CSU-Weihnachtsfeier des Jahres 2012. Damals sagte Seehofer in seiner Eröffnungsrede, die Journalisten dürften alles schreiben, was er an diesem Abend sage.
    "Dann ist er von Tisch zu Tisch gegangen - und dann ging's auf einmal los: Söder sei vom Ehrgeiz zerfressen und leiste sich zu viele Schmutzeleien. Und dann kapierten langsam die ersten Kollegen, was da gerade los ist. Und dann war's vorbei mit dem Weihnachtsfrieden. Da war die Stimmung natürlich katastrophal. Es war dann Plenum in den Tagen danach, da war auch Haushaltsdebatte. Und da hat Söder demonstrativen Beifall bekommen von der Landtagsfraktion. Damit hat Seehofer, glaube ich, nicht gerechnet. Die Fraktion hat sich sehr, sehr dicht geschlossen um den eigentlich nur mittelmäßig beliebten Söder."
    In der Rückschau wird deutlich: Seehofers Taktik ist nicht aufgegangen. Er konnte seinen Rivalen Markus Söder nicht verhindern, obwohl er ihn bis heute für charakterlich ungeeignet hält, das Amt des bayerischen Ministerpräsidenten zu bekleiden. Seehofer hat seine damals gestreuten Indiskretionen nie ausdrücklich widerrufen. Wer ihn heute fragt, was er über Söder denke, erhält als Antwort "das schöne, bayerische Sprichwort: Wenn einer alles vergisst als Mensch, ist er arm dran. Wenn einer nichts vergessen kann, ist er viel, viel ärmer dran."
    Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU)
    Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) bleibt auf Distanz zu Söder (picture alliance/ dpa/ Sven Hoppe)
    Ein Bayern der Regionen
    Und die Partei? Kann die vergessen? Oder hat der Kampf um Vorherrschaft in der CSU unheilbare Wunden geschlagen?
    Ilse Aigner, die bayerische Wirtschaftsministerin und Verliererin im Kampf um das Ministerpräsidenten-Amt, klingt skeptisch.
    "Ich kann nur immer wieder sagen: Die Menschen haben uns die letzten Wochen und Monate nicht verstanden. Sie haben den Eindruck gehabt, wir beschäftigen uns nur mit uns selbst. Jetzt ist es höchste Zeit, dass wir uns um die Menschen und um die Themen kümmern. Ich bin die Vorsitzende des größten Regierungsbezirks. Ich bin stellvertretende Ministerpräsidentin. Und nebenbei Wirtschaftsministerin des erfolgreichsten Bundeslandes in der Bundesrepublik Deutschland. Und das hat schon auch alles seinen Grund."
    Aigner hält erkennbar Distanz zu Markus Söder. Sie weist häufig darauf hin, wie wichtig ihre Heimat Oberbayern für einen möglichen Wahlerfolg der CSU bei der Landtagswahl ist. Söder ist Mittelfranke, er kommt aus Nürnberg. Diese regionalen Unterschiede spielen in Bayern immer noch eine wichtige Rolle. Der Oberbayer Horst Seehofer hatte bei der letzten Landtagswahl vor allem im Süden des Freistaates gut abgeschnitten. Söder hat seine stärksten Unterstützer im Norden Bayerns. Etwa im oberfränkischen Kronach.
    Dort, beim Treffen des CSU-Ortsverbands Höfles, ist die Basis der Partei mit der Doppelspitze Seehofer-Söder zufrieden. Jonas Geissler, örtlicher Kreisrat und Bezirksvorsitzender der Jungen Union Oberfranken, erwartet beim CSU-Parteitag in Nürnberg Jubelstürme für Markus Söder.
    "Ich denke, die meisten Mitglieder der CSU haben ganz klar verstanden, dass man bei der Landtagswahl erfolgreich sein wird, wenn Markus Söder neuer bayerischer Ministerpräsident wird. Es gibt kaum einen in der CSU, der nicht sagt, dass Söder nicht eingebunden werden muss."
    Der CSU-Parteivorsitzende Horst Seehofer verlässt während eines Parteitags die Bühne, auf dem Bildschirm im Hintergrund ist der applaudierende bayerische Finanzminister Markus Söder zu sehen.
    Die künftige Doppelspitze bei der CSU: Seehofer und Söder (Peter Kneffel/dpa)
    Rechts wird es eng
    In Bayern konkurrieren gleich vier Parteien um konservative Wähler: Neben der alteingesessenen CSU und der neu hinzugekommenen AfD buhlen auch die Freien Wähler um Stimmen rechts der Mitte. Sogar die FDP schlägt in Bayern nationalliberale Töne an. Markus Söder steht vor einer schwer lösbaren Aufgabe: Er darf keine CSU-Anhänger verprellen, die sich eher in der Mitte des politischen Spektrums sehen, muss aber gleichzeitig abtrünnige Wähler am rechten Rand zurückgewinnen.
    "Vertriebene, Mittelständler, Konservative, auch Intellektuelle übrigens, die rechtsstaatlich denken. Sie alle suchen eigentlich wieder einen Weg zurück."
    Freitag, 16 Uhr, besucht die Kanzlerin den CSU-Parteitag. Angela Merkel wird genau registrieren, wie die CSU die Macht zwischen Seehofer und Söder austariert. Wenn die beiden starken Männer aus dem Süden sich gegenseitig behindern und beharken, macht es das für die Kanzlerin nicht leichter.
    Andererseits weiß Merkel, dass auch ihre Parteifreunde in der CDU genau beobachten, was die Bayern tun. Im Süden ist der Machtkampf vorerst beendet. "Die CSU hat es hinter, die CDU noch vor sich", sagt ein Vorstandsmitglied der Christsozialen süffisant. Ob Horst Seehofer die Kanzlerin wieder so freundlich ansprechen wird wie vor einem Monat?
    "Danke, Angela Merkel, für diese vier Wochen."
    Berlin am Abend des Jamaika-Aus. Angela Merkel ist sichtlich verblüfft - mit einem öffentlichen Lob von Horst Seehofer hat sie nicht gerechnet. Auf dem CSU-Parteitag im November 2015 las er der Kanzlerin auf offener Bühne 15 Minuten lang die Leviten. 2016 wurde sie erst gar nicht zum Parteitag eingeladen - da tobte der partei-schwesterliche Streit um ihre Flüchtlingspolitik noch. Dieses Mal in Nürnberg darf die CDU-Vorsitzende wieder ein Grußwort sprechen. Dass ausgerechnet sie die große Harmonie-Show der CSU eröffnen wird, hat sie sicherlich nicht erwartet.