Der sich zuspitzende Konflikt in der Ostukraine dürfte auch die heutige Gipfel-Agenda durcheinanderbringen. Zumindest wird die Außenpolitik eine viel stärkere Rolle spielen als ursprünglich geplant, denn in erster Linie wollten die 28 Staats- und Regierungschefs auf ihrem Sondertreffen europäische Spitzenämter verteilen.
Doch die Eskalation der Gewalt in der Ostukraine, die offenkundige Präsenz von russischen Soldaten auf ukrainischem Boden – Berlin spricht deshalb auch schon von einer militärischen Intervention Russlands – setzt die Europäer unter Handlungsdruck, wie auch Bundeskanzlerin Angela Merkel einräumte:
"Das zeigt, dass wir uns auf dem Europäischen Rat mit der Frage werden wieder beschäftigen müssen. Und wir haben immer wieder deutlich gemacht, schon im Herbst dieses Jahres, dass bei weiteren Eskalationen natürlich auch über weitere Sanktionen gesprochen werden muss."
Zumal die Rufe nach einer Verschärfung der bestehenden Wirtschaftssanktionen parteiübergreifend zuletzt immer lauter geworden sind. Gut möglich also, dass der Rat heute weitere Maßnahmen beschließen wird, nachdem die EU erst vor wenigen Wochen ihre Strafmaßnahmen weiter verschärft hatte.
Der Zugang für russische Banken in Staatsbesitz zu den europäischen Kapitalmärkten wurde erschwert, außerdem gilt ein Handelsverbot für Maschinen und Geräte zur Ölförderung sowie ein Waffenembargo. Nun also könnte diese Liste noch ausgeweitet werden.
Italiens Außenministerin Federica Mogherini gilt quasi als gesetzt
Doch zum Auftakt ihres Treffens werden die Staats- und Regierungschefs erst einmal versuchen, die noch offenen Personalfragen zu klären. Dabei gilt inzwischen als weitgehend sicher, dass die italienische Außenministerin Federica Mogherini neue EU-Außenbeauftragte wird – und damit die glücklose Britin Catherine Ashton beerben wird. Doch die Personalie ist politisch umstritten, denn Mogherini fehlt es an Erfahrung und damit potentiell auch an Gewicht im Kreise der selbstbewussten 28 EU-Außenminister.
"Die Unerfahrenheit ist sicherlich ein Punkt. Und deswegen werden wir, wenn sie benannt werden sollte, im Europäischen Parlament eine klare Shopping list aufstellen, wo wir bisher die Mängel der europäischen Außenpolitik sehen und sie daran messen, in welcher Weise sie sich darauf einlässt, um auf die Art und Weise die Dinge voranzubringen",
kündigt der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Europäischen Parlament, Elmar Brok schon einmal vorsorglich an.
Donald Tusk ist Favorit auf den Posten des EU-Ratspräsidenten
Zugleich soll heute aber auch über die Nachfolge von EU-Ratspräsident Herman van Rompuy entscheiden werden. Klar ist, dass die Staats- und Regierungschefs nur jemand aus ihren Reihen akzeptieren können, schließlich muss der Ratspräsident die Treffen vorbereiten und koordinieren.
Hier könnte jetzt erstmals ein Osteuropäer zum Zuge kommen. Der polnische Ministerpräsident Donald Tusk gilt inzwischen als Favorit, der allerdings als wenig sprachbegabt gilt – was bei schwiegen Vermittlungsgesprächen zwischen den 28 ein deutlicher Nachteil wäre. Deshalb werden auch dem ehemaligen lettischen Ministerpräsidenten Valdis Dombrowskis oder dem Esten Andrus Ansip Chancen eingeräumt, ebenso aber der dänischen Regierungschefin Helle Thorning-Schmidt. So oder so – der Erwartungsdruck ist groß; ein Scheitern des Sondergipfels können sich die Staats- und Regierungschefs kaum leisten.