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Vor dem G20-Gipfel
Eine unruhige Stimmung

Die Vorboten zum G20-Gipfel in Hamburg: Am Sonntag gab es eine friedliche Demo, im Elbpark Entenwerder wurden von der Polizei unter Protest Zelte beschlagnahmt. Die Polizeipräsenz in der Stadt ist hoch - und sorgt bei vielen Anwohnern für Beunruhigung.

Von Axel Schröder |
    Polizisten stehen am 02.07.2017 in Hamburg bei der Beschlagnahmung von Schlafzelten in einem Protest-Camp gegen den G20-Gipfel auf der Elbhalbinsel Entenwerder. Nach einer Entscheidung des Hamburger Verwaltungsgerichts über ein G20-Protest-Camp auf der Elbhalbinsel Entenwerder hat die Polizei das Übernachten in dem Camp verboten. Foto: Bodo Marks/dpa | Verwendung weltweit
    G20 Protest-Camp in Entenwerder (dpa)
    Über 10.000 Menschen sind in Bewegung, der Demonstrationszug zieht vom Rathausmarkt rund um die Hamburger Binnenalster, mit Fahnen, Transparenten: "Schluss mit dem Drohnenkrieg!", "Gerechte Welt statt G-20", "Kohle stoppen!" fordern sie, junge und alte, Eltern mit ihren Kindern. Timo Zill, Sprecher der Hamburger Polizei blickt auf den mittlerweile fast leeren Rathausmarkt:
    "Diese Demonstration ist im Grunde genommen ein großer, bürgerlicher, breiter Protest. Es ist bunt. 10.500 haben sich jetzt hier auf den Marschweg gemacht, es ist alles friedlich geblieben bisher. Und unsere Einschätzung ist, dass es auch friedlich bleibt."
    Acht Stunden später rückt die Polizei dann aber an anderer Stelle mit einem Großaufgebot an. Im Elbpark Entenwerder, weit ab der Innenstadt, bauen G20-Gegner ihre Zelte auf. Und das sei verboten, urteilt die Polizeiführung. In der beginnenden Dämmerung riegeln Polizeiketten die 16.000 Quadratmeter große Fläche ab. Pfefferspray wird eingesetzt, während einer der Sprecher des linksautonomen Zentrums "Rote Flora" den Abbruch der Polizeiaktion fordert:
    "Stoppen Sie diesen rechtswidrigen Einsatz."
    Unter dem Protest der Aktivisten werden elf Zelte beschlagnahmt, ein G20-Gegner wird festgenommen. Zwar hatte erst gestern das Hamburger Verwaltungsgericht entschieden, dass ein Camp von Gipfelgegner im Entenwerder Elbpark nicht einfach verboten werden darf. Nach Ansicht der Polizei gelten dabei aber die gleichen Regeln, die auch für das bereits aufgebaute Camp im Altonaer Volkspark gelten, so Polizeisprecher Timo Zill:
    "Wir haben immer deutlich gemacht: Gerade auch Übernachtungszelte wird es dort eben nicht geben, werden nicht aufgebaut. Und das muss man dann ein Stück weit auch überprüfen."
    Abbau von Versammlungszelten
    Tagsüber dürften Versammlungszelte genutzt werden, Übernachtungen darf es in den G20-Protest-Camps aber nicht geben. Sonst, so die Begründung der Polizei, könnten die Zeltstädte als Rückzugsort für gewaltbereite Gipfel-Gegner dienen.
    Vor dem Treffen der Staatschefs am Freitag und Samstag ist die Stimmung in der Hansestadt angespannt. Zum Beispiel an der Grundschule Altonaer Straße, beim Informationsabend der Polizei. Die Aula ist brechend voll. Der Leiter der nahegelegenen Wache gibt Auskunft, womit an den Gipfeltagen zu rechnen ist:
    "Speziell bei der Schule ist es so, dass wir an den relevanten Tagen Herrn Fangmann, das ist der zuständige "Cop for You", den werden wir hier dauerhaft an der Schule haben. Das heißt, wir werden darüber die aktuellen Informationen über Funk, über Telefon umsetzen, damit hier eine sehr unmittelbare Information an die Schulleitung, an die Lehrer erfolgen kann."
    Beunruhigte Eltern an einer Schule
    Wirklich beruhigen kann der Beamte die Eltern nicht. Ja, es könne auch sein, dass es vor dem Schulgebäude zu Ausschreitungen kommt und ja, auch ein Polizeieinsatz auf dem Schulhof sei denkbar, aber ziemlich unwahrscheinlich. Nach dem Infoabend gehen die Diskussionen über den G20-Gipfel auf dem Schulhof weiter.
    "Ich habe kein gutes Gefühl. Vor allem nicht, weil ich die Bedrohung sehe, dass hier wahnsinnig viel Polizei steht. Und meine Kinder haben Angst davor. Und davor möchte ich sie gerne schützen. Und ich habe auch nicht den Eindruck, dass hier in vollem Umfang gesagt wird, wie es wirklich sein wird."
    "Die Wut richtet sich jetzt nicht gegen die Leute, die vorne saßen, sondern die Verantwortlichen, die die Entscheidung getroffen haben, hätten hier sitzen müssen und sich das anhören müssen. Und dementsprechend eine andere Entscheidung treffen müssen und nicht das in einem Stadtgebiet abhalten."
    Viele Eltern wollen das Angebot der Schulbehörde annehmen, ihre Kinder am Donnerstag und Freitag zuhause zu lassen. Zu unwägbar scheint das, was im Schanzen- und dem Karolinenviertel während des Gipfels passieren könnte. Viele werden frühzeitig die Stadt verlassen, andere wiederum verstehen die ganze Aufregung nicht:
    "Also, ich finde das gut. Die Leute sollen her, dann wird Hamburg bekannt. Ist doch gut. Ich denke, Hamburg ist eine weltoffene Stadt oder ist das ein Dorf?"
    "Der Effekt ist ja häufig übersichtlich. Aber ich finde gut, dass generell eine Gesprächssituation da ist unter international Mächtigen. Muss ich sagen."
    20.000 Polizisten im Einsatz
    Insgesamt sollen 19.000 Beamte von Landes- und Bundespolizei den Gipfel schützen. Dazu kommen noch rund 1.000 Beamte des Bundeskriminalamts. Die GSG 9 wird vor Ort sein, Amtshilfe leisten auch österreichische und niederländische Spezialeinheiten. In den Dachkammern in der Nähe der Messehallen werden Scharfschützen postiert. Und längst ist der Secret-Service der Amerikaner in Hamburg unterwegs. Vor den Toren der Stadt hat die Polizei eine Gefangenensammelstelle in einem einstigen Baumarkt aufgebaut. Drinnen stehen dicht an dicht weiße Stahlcontainer. Mit zwei Riegeln an der Tür und einer glatten, harten Liegefläche.
    "Hier sehen sie ein Containermodul mit acht Einzelzellen. Die Sammelzelle hat neun Quadratmeter, die Einzelzelle 3,2 Quadratmeter. Die Räume sind klimatisiert. Wir haben hier dimmbares Licht. Das heißt, auch zur Nachtzeit besteht die Möglichkeit natürlich, das Licht ein bisschen runter zu dimmen, damit die Personen, die sich hier befinden, auch schlafen können. Wir haben Türspione ..."
    ... und Platz für 400 in Gewahrsam oder festgenommene G20-Gegner. Acht Arbeitsplätze stehen für Rechtsanwälte zur Verfügung. Und auf dem gleichen Gelände stehen – getrennt durch einen Zaun – die Container, in denen Richterinnen und Richter darüber entscheiden können, ob Festgenommene in Haft bleiben dürfen oder nicht. 130 Millionen Euro wird der G20-Gipfel in Hamburg kosten. Und auch, wenn die Proteste friedlicher ablaufen als von der Polizei vorhergesagt, werden die Hamburgerinnen und Hamburger nach dem Gipfel erleichtert aufatmen.