Der NATO-Gipfel in knapp vier Wochen in Warschau wirft seine Schatten voraus – auch auf das Treffen der Verteidigungsminister des Bündnisses. Es ist das letzte NATO-Treffen auf Minister-Ebene vor dem Gipfel. Einiges soll festgeklopft, letzte Details abgestimmt werden, damit es dann mehr oder weniger nur noch des abschließenden formalen Okay der Staats- und Regierungschefs bedarf, beispielsweise bezüglich der sogenannten "Vorgelagerten Präsenz" des Bündnisses an seiner Ostgrenze. Dass es sie geben wird, ist schon beschlossene Sache. Langsam zeichnet sich auch das "Wer, wie viele, was, wann, wo" ab, so kündigte NATO-Generalsekretär Stoltenberg gestern an.
"Wir werden beschließen, vier robuste multinationale Bataillone in den baltischen Staaten und Polen zu stationieren."
Also vier Mal rund 1.000 Truppen aus wechselnden Ländern, koordiniert an jedem der vier Standorte jeweils von einer sogenannten Rahmen-Nation. Drei stehen schon fest: Deutschland, Großbritannien und die USA.
Das Signal geht Richtung Russland und ist ganz klar: Das Verteidigungsbündnis stellt sich auf einen möglichen Verteidigungsfall - nicht nur, aber auch - im Osten ein. Russland gilt seit seiner Annektierung der Krim vor zwei Jahren und seiner Rolle in der Ostukraine nicht mehr als Partner. Vor allem diejenigen Nato-Länder, die ehemals zur Sowjetunion bzw. zum Warschauer Pakt gehörten, haben auf entsprechende Signale gedrängt. Verständlich findet das General Manfred Hofmann, Befehlshaber des multinationalen Korps Nord-Ost in Stettin.
Der "Adversary" sitzt im Kreml und heißt Wladimir Putin
"Wenn ich rumreise – und ich tue das ja von Estland runter bis nach Ungarn – erlebe ich schon, dass ein Bedrohungsgefühl da ist. Das ist sehr, sehr stark ausgeprägt, in den baltischen Staaten noch mehr. Und je größer der Abstand zu dem möglichen "Adversary" ist, desto weniger ist es ausgeprägt, aber es ist permanent da."
Der "Adversary" – um das Wort Gegner oder Feind zu vermeiden – sitzt im Kreml und heißt Wladimir Putin. Die NATO hat mit Russland ein Abkommen – die NATO-Russland-Grundakte. Zustande gekommen 1997, in jener Phase also, als man sich als Partner begriff.
Diese Grundakte sieht unter anderem, interpretationsfähig formuliert, vor, dass an der Ostgrenze der NATO keine nennenswerten Einheiten dauerhaft stationiert werden.
Mit rotierender, multinationaler Präsenz, jeweils in Bataillons-Stärke verstieße man, jedenfalls aus NATO-Sicht, nicht gegen dieses Abkommen.
"So wie wir jetzt aufgestellt sind, sind wir vertragskonform und können gleichzeitig machen, was ja nun in Wales auch entschieden worden ist, dass man Fähigkeiten entwickelt, um einer Bedrohung – vor allem jetzt in diesem Ost-Bereich – zu begegnen."
Seit Wales, wo vor zwei Jahren der letzte NATO-Gipfel stattfand, hat die NATO erheblichen Aufwand betrieben, diesem Anspruch gerecht zu werden. Sie hat unter anderem ihre Eingreiftruppe auf 40.000 Mann nahezu verdreifacht. Und hat sich zudem eine Speerspitze von mehreren Tausend Truppen gegeben, die binnen Tagen, samt Panzern und anderem militärischem Gerät, in jedem beliebigen Nato-Land einsatzfähig sein soll - gerade geübt in einem großen Manöver in Polen. Ebenfalls in Wales beschlossen:
mehr Geld für Verteidigung auszugeben. Innerhalb von zehn Jahren, so das Ziel, sollte jedes NATO-Mitglied bei seinen Verteidigungsausgaben zwei Prozent der Wirtschaftskraft erreicht haben. Davon ist man noch um Einiges entfernt, aber 20 von 28 Nato-Ländern wollen mehr für Verteidigung ausgeben. Eine gute Nachricht, findet der NATO-Generalsekretär.
Institutionalisierte Kooperation zwischen EU und NATO
"Nach einem anhaltenden Rückgang der Verteidigungsausgaben nach dem Ende des Kalten Krieges gab es 2015 erstmals wieder einen kleinen Anstieg und davon gehen wir auch für 2016 aus."
Was beim Warschauer NATO-Gipfel ebenfalls mit einer Erklärung offiziell besiegelt werden soll und was die NATO-Verteidigungsminister heute in Brüssel ebenfalls beschäftigt: Eine institutionalisierte Kooperation zwischen Europäischer Union und NATO.
Beginnend mit den fast parallelen Amtsantritten des aktuellen NATO-Generalsekretärs und der aktuellen EU-Außenbeauftragten Mogherini hat es in den letzten Monaten mehr Kontakte zwischen Union und Allianz gegeben als in Jahren zuvor.
Bei hybriden Bedrohungen jenseits von erklärtem Krieg will man künftig enger zusammenarbeiten. Und beim Kampf gegen Schlepper im Mittelmeer.
"Bei Geheimdienstinformation, bei der Überwachung, der Erkennung, aber auch mit Blick auf Kommunikationssysteme und Logistik gibt es eine Menge, was EU und NATO im Mittelmeer gemeinsam machen können."