Der Morgen des 24. Juni. Die BBC meldet das Ergebnis des EU-Referendums. In gut zwei Stunden wird David Cameron seinen Rücktritt erklären. Die Briten haben sich entschieden. Die Antwort lautet: Wir sind draußen.
Der ehemalige Sprecher David Camerons, Craig Oliver, beschreibt in seinen unmittelbar vor der Parteikonferenz erschienenen Erinnerungen, wie Theresa May – eine eigentlich erklärte EU-Befürworterin – sich faktisch geweigert habe, für die Remain-Kampagne aufzutreten.
Risse und Gräben in der konservativen Partei
"Wenn Theresa May mit ganzem Herzen für den Verbleib in der EU gewesen wäre, dann wäre es für sie viel schwieriger geworden, für Camerons Nachfolge zu kandidieren," meint Isabelle Oakeshott von der Tageszeitung "Daily Mail". "Sie muss das im Kopf gehabt haben, als sie sich entschied, sich so in der Referendum-Kampagne zu verhalten."
Die Risse und Gräben in der konservativen Partei sind auch nach dem Referendum nicht überwunden. "Haben Sie sich mit Michael Gove versöhnt, der ihre Karriere zerstören wollte?", wird Außenminister Boris Johnson gefragt. Keine Antwort. Stattdessen wirbt das Brexit-Schwergewicht dafür, endlich mit den EU-Austrittsverhandlungen zu beginnen – und setzt so Theresa May unter Druck.
"Mein Schlüsselsatz lautet, lasst uns den Prozess nicht hinauszögern. Das ist nicht nur in unserem Interesse, sondern auch in dem unserer Freunde und Partner der EU. Ich habe die letzten Wochen mit vielen Politikern in anderen Ländern geredet, sie sehen jetzt die Chancen, die der Brexit mit sich bringt."
May geht äußerst vorsichtig vor
Welche Länder das sein sollen, die sich jetzt auf den Brexit freuen, lässt Boris Johnson offen. Während andere freimütig plaudern, zeigt sich Premierministerin Theresa May extrem auf der Hut. Den Ausstiegsantrag nach Artikel 50 stellen wir nicht vor Ende des Jahres, sagt sie - aber immer noch nicht, wann? Und wie soll der Brexit aussehen? Anand Menon ist Professor am King's College und leitet dort die Denkfabrik "Großbritannien in einem sich wandelnden Europa".
"Auf dem Parteitag werden wir eine Debatte darüber erleben, was Brexit denn jetzt heißt. Die drei Brexit-Minister Johnson, Davis und Fox sind ja nicht besonders gut darin, ihren Mund zu halten. Und immer erklärt dann hinterher die Premierministerin, das ist nicht die Haltung der Regierung. Wie detailliert wird Theresa May in ihrer Rede werden? Ich denke, nicht sehr."
May ist vorsichtig – sie muss den überzeugten Brexiteers beweisen, dass sie es ernst meint. Sie darf aber auch nicht den Interessen der britischen Wirtschaft schaden. Trotzdem neigen Beobachter wie Arand Menon zu der Annahme, dass Theresa May im Moment eher einem harten Schnitt zuneige als einem sogenannten "Soft Brexit".
"Ich weiß nicht, was sie wirklich will. Aber es sieht so aus, dass sie uns in Richtung harten Brexit treibt."
May will mehr Grammar Schools für soziale Diversität
Soft oder hard – maßvolles Vorgehen oder der radikale Schnitt? Auf dem Parteitag der Konservativen wird das nicht das einzige Thema sein. Will die Regierung sich wirklich vom Kurs des Sparens verabschieden? In der Bildungspolitik will Theresa May wieder mehr Grammar Schools, Gymnasien, zulassen. Das ist auch unter Tories nicht unumstritten.
"Wenn Sie sich das näher anschauen: Auf Grammar Schools liefern Kinder unterschiedlicher Herkunft gleiche Ergebnisse ab. Der Unterschied ist gleich null anders als in Gesamtschulen."
Das mag sein, aber Grammar Schools selektierten doch vorher, lautet die Widerrede. Und May hatte in ihrer Antrittsrede doch versprochen, eine Politik für alle zu betreiben. Führt sie die Partei also doch nach rechts und behauptet das Gegenteil? Ein reiner Jubelparteitag für Theresa May wird Birmingham also nicht zwingend werden.