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Vor dem Referendum in Griechenland
Was Berliner Grexit-Befürworter schon immer besser wussten

Seit Griechenland eine Schuldenrate nicht getilgt hat und das Referendum bevorsteht, scheint ein Ausschluss aus dem Euro näher denn je. Das beschäftigt vor allem die Politiker in Berlin, die damit schon immer gerechnet haben. Aber das Feixen verkneifen sie sich.

Von Benjamin Hammer |
    Auf einem Tisch stehen mehrere Flaschen und Dosen, auf den Etiketten stoßen Politiker an, darunter das Wort "Grexit".
    Anstoßen auf den Grexit? So weit möchten einige Bundestagsabgeordnete dann doch nicht gehen. (dpa / Ina Fassbender)
    "Ohne Zweifel liegen turbulente Tage hinter uns."
    Gestern im Bundestag, Griechenland-Debatte. Mit ernster Miene tritt die Bundeskanzlerin ans Rednerpult. Es sei eine schlechte Woche für Griechenland, betont sie. Und: Die Tür für Gespräche bleibe immer offen. Das war es dann an diplomatischer Höflichkeit. Wenig später schlägt Angela Merkel einen anderen Ton an. Sie spricht über spricht über das Referendum, über weitere Verhandlungen mit Griechenland.
    "Und meine Damen und Herren, wir können das auch in Ruhe abwarten. Denn Europa ist stark. Wir sind stärker dank der Reformpolitik der letzten Jahre, die maßgeblich auch auf die Haltung Deutschlands zurückzuführen ist. Heute müssen die anderen 18 Mitgliedstaaten keine ökonomische Katastrophe mehr befürchten, weil Griechenland in Turbulenzen geraten ist."
    Merkels Rede werden von zwei CDU-Abgeordneten im Plenum besonders aufmerksam verfolgt. Sie hätten sich eine so klare Kante ihrer Kanzlerin schon viel früher gewünscht. Für die beiden Männer läuft die Woche in gewisser Weise gar nicht schlecht. Sie läuft sogar ziemlich gut. Wolfgang Bosbach ist einer von ihnen:
    "Im Grunde musste ich etwas schmunzeln, denn der Regierung Tsipras ist es gelungen auf der einen Seite komplett alle 18 Euro-Staaten gegen die griechische Regierung in Stellung zu bringen. Und die Koalition gleich mit hier. Und jetzt sind alle auf Linie. Tsipras sei Dank!"
    Bosbach ist der vielleicht prominenteste Euro-Rebell in der Unions-Fraktion. Bei den letzten Abstimmungen im Bundestag zu Griechenland verweigerte er seine Zustimmung. Jahrelang hatte er gewarnt: Die Griechenland-Pakete bringen nichts, das Land ist nicht wettbewerbsfähig. Irgendwann werde der Staat seine Kredite nicht mehr zurückzahlen können. Manche der Hilfsmilliarden seien längst verloren. Alle wüssten das, nur aussprechen wolle das kaum jemand. Und jetzt? Verspürt Bosbach eine späte Genugtuung?
    "Wenn ich sie empfinden würde, dürfte ich sie auf keinen Fall zeigen. Also das fehlt jetzt noch, dass ich hier als Schlaumeier oder als Besserwisser durch die Gegend laufe und den Kollegen sage: Siehste, ich hab's Euch gleich gesagt. Also muss ich mir das verkneifen. Jetzt mal Hand auf's Herz: Das war doch seit Jahren absehbar, dass es so kommen würde, leider."
    Grexit-Befürwortern geht die Sache nahe
    Wolfgang Bosbach würde niemals sagen, dass es eine gute Woche für ihn ist. Er muss vorsichtig sein. Manche Journalisten und Politiker, sogar aus seiner eigenen Partei, haben angedeutet, Bosbach habe etwas gegen das griechische Volk. Das hat ihn verletzt.
    "Es ist eine reine Sachfrage. Ich sage doch nur das, was die Union bei der Einführung des Euros auch einmal gesagt hat. Die Spitze der Union hat ihre Haltung verändert, ich nicht."
    Man merkt: Der Dissens mit seiner Fraktions- und Parteispitze geht ihm nah. Das gilt auch für seinen Kollegen Klaus-Peter Willsch, der schon vor fünf Jahren zum allerersten Griechenland-Paket "Nein" gesagt hat. Und für den Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone warb. Für Willsch hatte das berufliche Konsequenzen.
    "Naja klar. Nach der Bundestagswahl hat mich die Führung abgeräumt. Ich war der zweite Mann im Haushaltsausschuss für die Union. Obmann. Und bin nicht mal mehr in Ausschuss reingekommen, obwohl das mein ausdrücklicher Wunsch war."
    Wolfgang Bosbach und Klaus-Peter Willsch sind in dieser Woche hin- und hergerissen. Zwischen der professionellen Sorge um die Menschen in Griechenland. Und einem Gefühl des Stolzes, dass sie sich jahrelang gegen die eigene Partei gestellt haben und die Ereignisse ihnen nun scheinbar Recht geben:
    "Es gibt dann Zeiten, wo ich mehr Konjunktur habe und Zeiten wo ich weniger Konjunktur habe. Diese Woche hatte ich ziemlich Konjunktur. Ja!"
    "Wie geht es Deinen Griechen?"
    "Das ist mein Wagen hier. Sie sitzen hinten links bitte."
    Im Dienstwagen mit Hans-Joachim Fuchtel. Auch ein Bundestagsabgeordneter der CDU. Einer, für den es definitiv keine gute Woche ist. Fuchtel ist Parlamentarischer Staatssekretär im Entwicklungsministerium. Vor allem aber ist er so etwas wie Merkels Mann für Griechenland.
    Als Vorsitzender der Deutsch-Griechischen Versammlung soll er seit vier Jahren dafür sorgen, dass deutsche und griechische Regionen und Städte zusammenarbeiten. Es geht um Tourismus, oder um Abfallwirtschaft. Die jüngste Partnerschaft ist entstanden zwischen dem Gebiet der Insel Samos und Greifswald.
    Er mag das Land, das Wort "Euro-Austritt" würde er nicht in den Mund nehmen. 20 Mal reiste der etwas bullige Schwabe in den vergangenen Jahren nach Griechenland. Das hatte Folgen für seinen Namen.
    "Jeder wird zu mir sagen: 'Fuchtelos, wie geht es Deinen Griechen?'"
    "Seinen Griechen" geht es nicht gut. Ob das an der Partei Syriza liegt? Fuchtel windet sich etwas. Dann aber sagt er:
    "Ich habe den Herrn Tsipras ja persönlich gesprochen. Und er hat mir gesagt ins Gesicht, dass die Arbeit, die wir tun, für sein Volk gut ist und dass er es aber nicht unterstützen kann, weil er will Wahlen gewinnen."
    Hans-Joachim Fuchtel hätte wohl nichts dagegen, wenn die Syriza-Regierung am Sonntag scheitern würde. Wird das eine gute Woche für Fuchtel? Oder eine schlechte? Das hängt auch von der Entscheidung des griechischen Volkes ab.
    "Im Augenblick kann niemand sagen, wie das mit dem Referendum wird."
    Für Fuchtel wäre es eine gute Woche, wenn die Griechen den Vorschlag ihrer Regierung ablehnten. Wenn es neue Verhandlungen gäbe. Sein Parteikollege, der Unions-Rebell Klaus-Peter Willsch, dürfte das ganz anders sehen.
    "Ich habe die Befürchtung, dass wir relativ bald wieder zu einer Sondersitzung einberufen werden um eine Verhandlungsrunde zu eröffnen. Griechenland III."
    So hätte eine richtg gute Woche für Klaus-Peter Willsch ausgesehen:
    "Ich hätte mir gewünscht, dass wir die Woche noch weiterkommen. Das wir wirklich das definitiv beenden."
    Willsch meint: den Euro-Austritt Griechenlands vorzubereiten.