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Vor dem Treffen von Kim und Moon
Korea-Experte: Trump und Sanktionen haben gewirkt

Morgen treffen sich Südkoreas Präsident Moon Jae-in und Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un. Die Annäherung der beiden Länder sei nicht nur eine Folge der Sanktionen gegen den Norden, sagte Lars-André Richter von der Friedrich-Naumann-Stiftung in Seoul im Dlf - sondern auch US-Präsident Donald Trump zu verdanken.

Lars-André Richter im Gespräch mit Stefan Heinlein |
    Ein südkoreanischer Marinesoldat geht an einem Fernseh-Bildschirm vorbei, der während einer Nachrichtensendung Bilder von Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un und Südkoras Präsident Moon Jae In zeigt.
    Das südkoreanische Fernsehen zeigt Bilder von Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un und Südkoras Präsident Moon Jae In, die sich morgen in Südkorea treffen (AP)
    Stefan Heinlein: Zehn Jahre sind vergangen seit dem letzten innerkoreanischen Gipfeltreffen. Ein langer Zeitraum, in dem Nord- und Südkorea regelmäßig an der Grenze einer militärischen Auseinandersetzung standen – immer begleitet von wechselseitigem Misstrauen und der Furcht, von der Gegenseite angegriffen zu werden.
    Jetzt hat sich der Wind offenbar gedreht. Seit wenigen Monaten gibt es neue Töne im Verhältnis zwischen Nord und Süd. Als erster Staatschef seines Landes seit dem Korea-Krieg 1953 wird ein Staatschef aus Nordkorea die Grenze zum verfeindeten Süden übertreten. – Darüber möchte ich jetzt reden mit Lars-André Richter. Er leitet das Büro der Friedrich-Naumann-Stiftung in Seoul. Guten Morgen, Herr Richter!
    Lars-André Richter: Schönen guten Morgen, Herr Heinlein. – Hallo!
    "Die Euphorie ist riesig"
    Heinlein: Was passiert da gerade auf der koreanischen Halbinsel? Ist das eine historische Zeitenwende?
    Richter: Historisch auf jeden Fall. Das kann man, denke ich, schon sagen. Zeitenwende müssen wir mal abwarten. Es gibt natürlich einige Hinweise darauf. Auf jeden Fall ist die Euphorie hier im Moment riesig. In den letzten zwei Jahren war die Stimmung hier eigentlich eher schlecht, stand das Ganze eher im Zeichen von Krise. Da waren die Koreaner erstaunlich gelassen. Umso euphorischer ist man jetzt. Ich habe beispielsweise mit Menschen gesprochen, die darauf hoffen, dass sie jetzt wirklich in kurzer Zeit mit dem Zug von Seoul nach Berlin fahren können. Das scheint mir noch ein bisschen zu früh zu sein, diese Euphorie, aber auf jeden Fall ist die Stimmung sehr, sehr gut. Und wenn man sich die Gipfelvorbereitung anschaut, da ist sehr viel Symbolik drin. Es soll ein Baum gepflanzt werden auf der Grenze von den beiden Führern Nord- und Südkoreas, der mit Erde aus beiden Landesteilen gefestigt sein soll, mit Wasser aus zwei Flüssen aus den beiden Ländern begossen werden soll. Das Ganze ist natürlich jetzt auch sehr, sehr symbolüberfrachtet.
    Heinlein: Viel Symbolik, sagen Sie. Wie wichtig ist denn dieses persönliche Kennenlernen, der direkte Kontakt zwischen beiden Seiten, zwischen beiden Präsidenten?
    Richter: Das ist sicher nicht zu unterschätzen. Der große Unterschied zu den letzten beiden Gipfeln 2000 und 2007 ist sicher der, dass beide, ich sage mal, noch am Anfang, in der Frühphase ihrer Regentschaft stehen. Bei Kim Jong-un ist es natürlich eine Regentschaft auf Lebenszeit, aber er ist noch relativ jung. Er denkt natürlich noch ein bisschen in die Zukunft hinaus. Bei Moon Jae-in ist es so: Er ist vor einem knappen Jahr ins Amt gewählt worden, hat noch vier Jahre vor sich, die Amtszeit ist hier begrenzt: einmal fünf Jahre. Beide haben noch etwas vor, beide gucken nach vorne. Bei den letzten Gipfeln war das meistens so, dass der südkoreanische Präsident im Zenit oder in der Spätphase seines Amtes stand, im Grunde schon an die Nachfolge gedacht hat. Das ist hier natürlich noch mal was anderes. Und – das kommt erleichternd mit hinzu: Wir werden ja hoffentlich dann bald auch einen nordkoreanisch-US-amerikanischen Gipfel erleben. Auch Donald Trump, der US-Präsident, hat ja noch zweieinhalb Jahre, fast drei Jahre vor sich. Insofern denke ich schon, dass man hier in die Zukunft schaut, und das ist sicher nicht verkehrt.
    "Auch Trump hat dazu beigetragen"
    Heinlein: Über das mögliche Treffen mit dem US-Präsidenten müssen wir gleich noch reden, Herr Richter. Können Sie uns aber vielleicht zunächst erklären: Warum hat sich denn der Ton insgesamt um Korea so plötzlich verändert? Wir erinnern uns: Vor wenigen Monaten gab es ja noch sehr, sehr viele hässliche Tweets und Provokation fast jeden Tag. Warum ist dieses Säbelrasseln auf einmal vorbei?
    Richter: Das hat viele überrascht, mich auch: diese Kehrtwende wirklich um 180 Grad, zumal im Norden. Man muss sehen: Der Süden war ja eigentlich immer gesprächsbereit. Zumindest im letzten Jahr, seitdem Moon Jae-in, der gegenwärtige Präsident, eher linksliberal, linksprogressiv, im Amt ist, also auf jeden Fall dialogorientiert. Er hat bereits im Wahlkampf und dann auch nach seiner Wahl immer wieder Gesprächsangebote gemacht, die an bestimmte Bedingungen geknüpft, aber er hat Gesprächsangebote gemacht, war also offen. Insofern: Das ist letztlich nichts Neues. Er erntet gerade in diesen Tagen und Wochen und hoffentlich auch darüber hinaus die Früchte seines dialogorientierten Ansatzes.
    180-Grad-Wende eher in Nordkorea. Ich denke, da gibt es nicht die eine Antwort drauf. Ich vermute vor allen Dingen zwei Dinge, die den Norden dazu gebracht haben umzudenken. Das eine ist, dass nach allem, was wir wissen, nach allem, was man sehen kann, wenn man sich die Wirtschaftsdaten anschaut, die Sanktionen durchaus zu wirken scheinen, auch weil sie umgesetzt werden. Sanktionen sind nichts Neues, aber die Umsetzung scheint letztes Jahr, 2017, besser funktioniert zu haben, auch gerade durch China, weil China mitgezogen hat, als in den Jahren zuvor.
    Das andere, das fällt mir fast schwer zu sagen: Ich denke, auch Donald Trump hat seinen Beitrag dazu beigetragen, weil er unberechenbar ist. Obama hat man in Nordkorea nicht ernst genommen. Diesen Ansatz der strategischen Geduld, darüber hat man gespottet, weil man wusste, wir können machen was wir wollen, es passiert nichts. Bei Trump ist es so, dass man ihn nicht richtig einzuschätzen scheint, und ich denke, das hat etwas in Bewegung gebracht.
    Dann kam hinzu, als Letztes vielleicht noch – das ist dann eher was, was man, na ja, bildungssprachlich Kairos günstige Gelegenheit nennen könnte -, die Winterspiele jetzt in Pyoengchang, die eine günstige Gelegenheit waren für den Norden zu sagen, gut, wir machen mit und öffnen uns ein bisschen. Da kam also einiges zusammen.
    "Denuklearisierung heißt nicht für alle das gleiche"
    Heinlein: Die harte Linie von Donald Trump hat ein wenig gewirkt, sagen Sie. Der US-Präsident hat aber ein klares Ziel: die Denuklearisierung Nordkoreas. Ist denn Kim bereit, das ins Auge zu fassen bei möglichen Verhandlungen mit dem US-Präsidenten, die jetzt möglicherweise anstehen?
    Richter: Er sagt es, er hat es angekündigt. Das hat viele auch überrascht. Da muss man sagen, da gab es durchaus Vorbilder. Das hat auch schon sein Vater und sein Großvater ja durchaus mal angedeutet: Man sei bereit unter bestimmten Umständen. Was aber fast noch wichtiger ist: die unterschiedliche Definition, das unterschiedliche Verständnis von Denuklearisierung. Trump hat jetzt auch gestern erst noch mal deutlich gemacht, er möchte, dass der Norden seine Atomwaffen abgibt, das Programm sofort beendet, die Waffen nach Möglichkeit abgibt – eine sehr, sehr radikale Forderung, eine sehr klare, aber radikale Forderung. Wenn der Norden von Denuklearisierung spricht, gesetzt den Fall, er meint es auch so – da kann man ja auch noch mal drüber reden -, dann meint er das prozessual. Ich denke mir, dann könnte man so was tatsächlich nehmen, unabhängig davon, dass es zur Diskussion steht, wie den Iran-Deal, der ja letztlich ein Prozess ist. Da ist es ja auch nicht verbrieft: ihr gebt jetzt alles ab, Raketen und Atomwaffen. So ein Prozess, darauf könnte sich zumindest rein nach außen hin, rein rhetorisch der Norden durchaus einlassen. Es wird interessant sein zu sehen, was morgen dabei herauskommt, zumal bei den USA. Aber Denuklearisierung heißt nicht für alle das gleiche und da kann es natürlich zu Konflikten kommen.
    Heinlein: Aus Ihren Worten, Herr Richter, spüre ich noch ein wenig Skepsis. Ist tatsächlich dieses Treffen, dieses symbolische Treffen mit der südkoreanischen Seite nur symbolisch, eine Honigfalle, und dahinter steckt eiskalte Kalkulation, damit der Norden wirtschaftlich überleben kann?
    Richter: Wie gesagt, man sollte sich vielleicht jetzt nicht von der Euphorie, die hier im Moment herrscht, mitreißen lassen. Ich denke schon – und da macht sich, glaube ich, auch die südkoreanische Führung, das Blaue Haus, der Präsidentenpalast hier nichts vor -, das Ganze ist ein Mosaikstein, der dann mit vielen anderen zusammen hoffentlich ein stimmiges Bild irgendwann ergeben wird. Niemand erwartet morgen den großen Durchbruch oder einen Friedensvertrag oder so was. Man weiß sehr genau, das ist ein erster wichtiger Schritt, symbolisch auch wichtig, aber auch inhaltlich wichtig auf dem Weg zu einem weiteren Gipfel Ende Mai, Anfang Juni. Insofern: Da macht sich, glaube ich, auch niemand wirklich etwas vor. Ich würde gar nicht sagen, dass ich jetzt unbedingt skeptisch bin. Man kann ganz schlecht sagen, wohin es führt. Ich bin jetzt verhalten optimistisch, würde ich eher sagen. Aber die nächsten Treffen, auch das Treffen Moon-Trump, Südkoreas Präsident, was ja für Mitte Mai anberaumt ist, und dann natürlich der große Gipfel, das werden entscheidende Schritte sein hin zu einem möglichen Durchbruch. Der steht aber noch ein bisschen aus.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.