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Vor den Kongresswahlen
Wie Wähler in den USA am Urnengang gehindert werden

Vor den Zwischenwahlen warnt der US-Präsident Donald Trump vor Wahlbetrug. Doch wird bereits der Urnengang für viele Wähler erschwert: Wahllokale werden weit vor die Stadt verlegt oder neue Wahlgesetze erlassen, die plötzlich spezielle Ausweise erfordern.

Von Thilo Kößler |
    US-Wähler bei der Stimmabgabe in Greensboro, North Carolina
    US-Wähler bei der Stimmabgabe in North Carolina (dpa / picture alliance / John Taggart)
    Der Präsident baut schon mal vor: Wie damals, nach seiner Wahl vor zwei Jahren, als er kaum zu verkraften schien, dass er zwar die Wahlmänner hinter sich gebracht, aber doch drei Millionen weniger Wählerstimmen als Hillary Clinton bekommen hatte – wie damals also warnte Donald Trump jetzt unmittelbar vor den Zwischenwahlen erneut vor massivem Wahlbetrug, wie er sagte. Dafür gebe es Beweise. Man werde gerichtlich gegen die Wahlfälscher vorgehen.
    "There are a lot of people – my opinion and best on proof – that trying get in illegally and actually vote illegally. There will be prosecutions on the highest level."
    Diese Aussage stieß sofort auf die Kritik der professionellen Fact-Checker, die einmal mehr erklärten, dass die Wahrscheinlichkeit, vom Blitz getroffen zu werden, vermutlich höher sei, als die Gefahr aktiven Wahlbetrugs an den Wahlurnen. Stattdessen wiesen sie darauf hin, dass vor allem die republikanische Partei erneut mit allen Tricks und juristischen Spitzfindigkeiten versucht, den Urnengang vor dem Wahltag zu erschweren – besonders für Wähler aus gesellschaftlichen Gruppen, die der Demokratischen Partei nahestehen.
    Wahlleiter hielt 53.000 Stimmen von Briefwählern zurück
    Die Afroamerikanerin Lilieth Walters gab im Bundesstaat Georgia ihre Stimme per Briefwahl ab. Was sie nicht wusste und was ihr auch niemand mitteilte: Ihre Stimme wurde für ungültig erklärt - weil ihre Unterschrift anders aussah als auf anderen Dokumenten von ihr. Das wurde ihr mitgeteilt, nachdem der Fernsehsender CNN auch ihren Fall recherchiert hatte.
    In Georgia tritt der politische Rechtsaußen Brian Kemp als republikanischer Kandidat bei der Gouverneurswahl an. Er ist dort als Staatsminister gleichzeitig Wahlleiter - und Gegenkandidat von Stacey Abrams, die sich anschickt, zur ersten schwarzen Gouverneurin in der Geschichte der Vereinigten Staaten gewählt zu werden. Sie liefert sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit Brian Kemp, der jetzt erheblich unter Druck steht, weil er als Wahlleiter 53.000 Stimmen von Briefwählern zurückhielt - ohne die überwiegend schwarzen Betroffenen darüber zu informieren. Sherry McLellan bekam als Begründung genannt, sie habe auf dem engen Namensfeld zu wenig Abstand zwischen den Buchstaben gelassen.
    Man könne nur nackten Rassismus hinter diesen Schikanen vermuten, sagt Kristen Clark vom Anwaltskomitee für Bürgerrechte in Georgia.
    Nach dem Motto: Angriff ist die beste Verteidigung bezichtigt Kemp nun seit ein paar Tagen die demokratische Partei, einen Hackerangriff auf das Wahlsystem in Georgia versucht zu haben. Dafür gibt es jedoch nicht die geringsten Hinweise und folglich auch keine Erläuterungen des republikanischen Politikers, der von Donald Trump tatkräftig unterstützt wird. Kemps Gegenkandidatin Stacey Abrams spricht einigermaßen fassungslos von einer glatten Lüge.
    Standing Rock Sioux Indianer müssen plötzlich Adresse angeben
    Georgia ist kein Einzelfall beim Versuch, Wähler aus dem gegnerischen Lager davon abzuhalten, zur Wahl zu gehen. Terry Yellow Fat vom Stamm der Standing Rock Sioux Indianer in North Dakota kann sich keinen Reim darauf machen, weshalb auf seinem Wählerausweis plötzlich eine Straße und eine Hausnummer angegeben sein muss – wo die indigene Gemeinde doch überhaupt keine Adressen kennt, wie Margret Landin sagt, eine Anwältin, die sich ganz dem Wahlrecht verschrieben hat.
    Die Ureinwohner von North Dakota beeilen sich nun, sich doch noch Ausweise ausstellen zu lassen mit Adressen, die ihnen eilends telefonisch zugewiesen werden.
    Dennoch müsse befürchtet werden, heißt es, dass sich Wähler von diesen Schikanen abhalten lassen werden, ihre Stimme abzugeben. Für Heidi Heitkamp, die zurückliegende demokratische Senatorin aus North Dakota, könnte das das Ende ihrer politischen Karriere bedeuten. Die Senatorin, die vor ein paar Wochen gegen die Ernennung von Brett Kavanaugh zum Richter am Supreme Court stimmte, wurde vor sechs Jahren mit einer hauchdünnen Mehrheit von 3.000 Stimmen gewählt – und zwar mit den entscheidenden Stimmen der indigenen Bevölkerung. Das neue Wahlrecht von North Dakota, das von den Indianern nun Ausweispapiere mit Adresse verlangt, wurde vor einem Jahr verabschiedet. Der Supreme Court bestätigte es erst in der vergangenen Woche.