Zum Unabhängigkeitstag bietet die Regierung alles auf. Im "Nationalen Sportstadion" von Harare spielen Bands, tanzen und turnen Mädchen und Jungen in symmetrischen Formationen. Acht Divisionen der Armee marschieren durch das weite Oval. Die Unabhängigkeit von den britischen Kolonialherren jährt sich an diesem 18. April zum 38. Mal.
Vier Düsenjäger demonstrieren die Macht des Staates, gefolgt von vier Propellermaschinen der simbabwischen Luftwaffe und vier verschiedenen Militärhubschraubern.
Die 60.000 im Stadion johlen vor Begeisterung. Fallschirmjäger landen auf dem Stadionrasen. Eine Anti-Terror-Einheit der Armee übt einen Einsatz. – Zum ersten Mal nach 37 Jahren heißt der Hauptredner nicht Robert Mugabe, sondern Emmerson Mnangagwa. Der 75-Jährige kam nach einem Militärputsch am 24. November 2017 an die Macht. Jetzt steht er mit grün-goldener Scherpe über dem Anzug, behängt mit goldener Kette und Orden am Jackett, im Stadion von Harare.
"Wir haben unsere nationale Vision abgesteckt, bis 2030 ein Land mit mittlerer Wirtschaftskraft zu werden, mit zunehmenden Investitionen, breiter Unterstützung, ordentlicher Arbeit und ein Land, das frei von Armut und Korruption ist. […] Simbabwe wird sich erheben und wieder groß werden."
Abschaffung der allgegenwärtigen Kontrollpunkte der Polizei
Im Herbst 2017 verhalf das simbabwische Militär dem heutigen Präsidenten Mnangagwa zur Macht, dem bisherigen Vizepräsidenten, dem Veteranen aus dem Unabhängigkeitskrieg. Die Armee verhinderte, dass Mugabes Frau Grace, im Volksmund "Gucci-Grace" genannt, zur Präsidentin wurde. Sie hätte, so die einhellige Meinung in Simbabwe, die Selbstbereicherung und Korruption der Ära Mugabe fortgesetzt.
Mnangagwa dagegen verspricht eine andere Politik. Mit seinem Amtsantritt verschwanden die allgegenwärtigen Kontrollpunkte der Polizei im ganzen Land. Polizisten stoppten Autos, bemängelten unwichtige Kleinigkeiten, etwa die Form der Reflektoren am Heck –, verhängten willkürliche Strafen und steckten sich den größten Teil selbst ein.
Sitzt ein Journalist im Café, gesellt sich kein unauffälliger Zuhörer des Geheimdienstes CIO mehr am Nebentisch dazu. Auch hier hat Mnangagwa schlagartig Erleichterung gebracht. Sein wichtigstes Ziel aber ist es, die zerstörte Wirtschaft des Landes und das Finanzsystem wieder aufzubauen. Mnangagwas Berater Christopher Mutsvangwa über den neuen Kurs der Regierung:
"Wir denken: Wir strecken die Hand aus mit Präsident Mnangagwas Mantra, dass Simbabwe offen für Geschäfte ist – das funktioniert zauberhaft."
"Zimbabwe is open for business" lautet die Zauberformel des neuen Präsidenten. Tatsächlich hat Mnangagwa sofort ein Gesetz abgeschafft, das Investoren abschreckte. Unter Mugabe mussten 51 Prozent der Anteile eines neu gegründeten Unternehmens in den Händen von Simbabwern sein.
"Ich denke, die Bewertungen [für das Land] steigen, wir strecken die Hand aus in Richtung Kapitalmärkte. Da gibt es welche, die sehen Gelegenheiten, die früher hier aktive Banken nie gesehen haben. Also lassen wir den Markt entscheiden. Wenn Banken Kredite geben und wir das Kapital gewinnen, dann schaffen wir den Fortschritt."
Geschäftsreisende sondieren die Lage
Das Gespräch mit Mutsvangwa führen wir im Bronte-Hotel, einer kolonialen Gartenanlage im Zentrum von Harare. Hier und in den anderen Hotels der Hauptstadt herrscht reger Betrieb. Viele Geschäftsreisende, vor allem aus Europa und den USA, haben Zimmer gebucht. Sie sondieren die Lage in Simbabwe.
Die meisten schließen noch keine Verträge. Sie warten ab, wie die bevorstehenden Wahlen des Präsidenten und beider Kammern des Parlaments ausgehen. Der Wahltermin steht noch nicht fest. Laut Gesetz müssen die Wahlen zwischen 23. Juli und 22. August stattfinden. Oppositionsführer Nelson Chamisa von der Oppositionspartei "Movement of Democratic Change" (MDC) sieht sich schon jetzt als Gewinner der Wahl.
"Sie sprechen mit dem künftigen Präsidenten der Republik Simbabwe, von Juli an. Wenn die Wahlen heute, morgen oder wann auch immer in diesem Land stattfinden, gehen wir ganz klar auf einen Sieg zu. Herr Mnangagwa ist mit Sicherheit nicht die Person, denen die Menschen vertrauen. Er war in den vergangenen 38 Jahren im Amt, als Mugabes Handlanger, als sein entscheidender Gefolgsmann, und er steht eindeutig nicht für die Befreiung und den Wechsel, den die Simbabwer sehen wollen."
Chamisa - Mnangawa Teil des Systems Mugabe
Für Oppositionsführer Chamisa ist Mnangawa Teil des Systems Mugabe. Der heutige Präsident spielte seit der Unabhängigkeit eine führende Rolle in Mugabes Partei ZANU-PF wie auch in der Regierung, als Chef des Geheimdienstes, als Minister und seit 2014 als Vizepräsident.
Dagegen präsentiert sich der 40-jährige Chamisa als Prophet und Reformer. Äußerlich erinnert der Mann mit dem Schnurrbart an Martin Luther King. Chamisa wurde Nachfolger von Morgan Tsvangirai, der Mitte Februar dieses Jahres gestorben war.
Nach Tsvangirais Tod ist die simbabwische Opposition zerstritten. Chamisa führt eine Allianz aus sieben Parteien an. Insgesamt aber haben sich 118 Parteien für die Wahlen in Sommer registrieren lassen. Die größten Chancen auf einen Sieg haben die "Afrikanische Nationalunion von Simbabwe", die "ZANU-PF" des Präsidenten und das Oppositionsbündnis unter Chamisas Führung. Als aussichtsreich gelten daneben die "Zimbabwe People First Party" der früheren Vizepräsidentin Joice Mujuru und die "Coalition of Democrats" (CODE), die mit einem eigenen Präsidentschaftskandidaten ins Rennen gehen will.
Je mehr sich die Opposition zersplittert, desto größer werden die Chancen der alten Regierungspartei ZANU-PF.
Aber für die Zukunft des Landes ist entscheidend, ob die Wahlen korrekt ablaufen. Davon ist David Mbae überzeugt, der Leiter des Auslandsbüros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Harare.
"Simbabwe als Staat, die Regierung kann seine Wirtschaft am Ende nur konsolidieren, wenn es mit einer glaubwürdigen und fairen Wahl dieses Jahr der Öffentlichkeit gegenübertritt. Das ist ganz wichtig, denn alle internationalen Geldgeber, dazu gehört dann eben auch die Bundesrepublik, werden nur eine Regierung stützen, die legitim ist, weil sie aus einer freien und fairen Wahl heraus entstanden ist."
Unterstützung von der Europäischen Union
Auch wenn der Wahltermin noch nicht feststeht, hat die staatliche simbabwische Wahlkommission längst ihre Arbeit begonnen. Die Europäische Union unterstützt sie dabei. Seit 2016 hat die EU 15 Millionen Euro in die Unterstützung freier und fairer Wahlen in Simbabwe investiert – in einem gemeinsamen Projekt mit den Vereinten Nationen.
Die EU will mit ihrem Programm die Bevölkerung ermutigen, zur Wahl zu gehen und den Dialog zwischen gegnerischen Parteien fördern. Zudem wird die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini sehr wahrscheinlich die Entsendung von Wahlbeobachtern der EU nach Simbabwe beschließen. Denn bei den letzten Wahlen im Jahr 2013 waren Unregelmäßigkeiten festgestellt worden, wie sich der EU-Botschafter in Harare, der Belgier Philippe van Damme, erinnert.
"Sicher ist, dass die Korrektheit des Wählerverzeichnisses im Jahr 2013 angefochten wurde – berechtigterweise oder nicht. Das ist der Grund, warum die Behörden im Jahr 2015 gemeinsam mit dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen entschieden haben, ein neues biometrisches Wählerverzeichnis zu erstellen. Der Vorteil eines biometrischen Wählerverzeichnisses ist, dass sie alle Doppelungen ausschließen können, wenn Menschen mehrfach registriert wurden. Und Sie können auch verhindern, dass Tote im Wählerverzeichnis bleiben undsoweiter."
In den Minibussen von Harare herrscht Skepsis
In den "Kombis", den Minibussen von Harare, wo laute Musik aus den Lautsprechern dröhnt, überwiegt Skepsis. Die Simbabwer haben faire, freie Wahlen sehr lange nicht erlebt. Selbst der siegesgewisse Oppositionsführer Chamisa glaubt nicht an Wahlen ohne Manipulation durch die Regierenden.
"Ich glaube nicht. Aber hier geht es nicht um meinen Glauben. Das ist die Wirklichkeit. Denn Herr Mnangagwa und [seine Partei] ZANU PF stehen nicht in der besten Tradition. Sie sind nicht neu geboren und haben sich kein bisschen verändert. Sie verhalten sich immer noch wie früher. Sie sprechen von ‚frei und fair‘, aber handeln unfrei und unfair."
Sollte Chamisa die Präsidentschaftswahlen wirklich gewinnen, bleibt die Frage, ob das simbabwische Militär das Ergebnis akzeptieren wird. Denn die Verbindungen zwischen Regierung, Partei und Militär sind über Jahrzehnte gewachsen und entsprechend eng. Nelson Chamisa aber glaubt an die Loyalität der Armee.
"Die Gewehrkugel kann die Wahlurne nicht unterminieren. Und das erwarten wir. Wir wissen, dass unsere Soldaten sehr patriotisch gesonnen sind. Sie respektieren den Willen des Volkes. Sie haben eine Aufgabe, und sie sind ein Organ des Staates und nicht der Staat."
In jedem Falle wird der Wahlsieger das Kernproblem des Landes lösen müssen: die desolate Lage der Landwirtschaft nach der Landreform Robert Mugabes aus dem Jahr 2000. Damals enteignete die Regierung 4.000 von 4.500 weißen Farmern und teilte das Land unter schwarzen Kleinbauern auf. Mitglieder der Regierungspartei ZANU-PF bereicherten sich und übernahmen ganze Farmen. Mit Konflikten in ländlichen Gebieten Simbabwes befasst sich seit Jahren Reinhard Grömping, der vom Weltfriedensdienst nach Harare entsandt wurde.
"Das Problem im Moment ist, dass die meisten Farmen, die weggenommen und neu vergeben wurden, ohne Titel vergeben wurden. Das Land wurde quasi verstaatlicht. Und im afrikanischen System ist das auch sehr fremd, dass Land quasi eine Ware ist. Aber auf der anderen Seite: Wie ist Land nutzbar, wenn man keinen Kredit bekommt? Und wie kann man Kredit bekommen, wenn man keine Sicherheit hat? Fast überall in der Landwirtschaft weltweit ist das Land als Sicherheit."
Heute Gras, früher Tabak, Baumwolle und Mais
Wer in Simbabwe über Land fährt, sieht überall das gleiche Bild: Wo früher auf Feldern Tabak, Baumwolle und Mais wuchsen, wächst heute Gras. Aus Farmen wurde Buschland. Den meisten schwarzen Farmern fehlt das Geld – etwa für Landmaschinen – und auch das landwirtschaftliche Wissen. Der Staat ist fast bankrott und kann sie kaum unterstützen. Aus der Sicht von David Mbae von der Konrad-Adenauer-Stiftung in Harare bleibt hier nur ein Ausweg.
"Die Besitzverhältnisse müssen dahingehend neu geordnet werden, dass der Staat sich langfristig von Land trennen muss beziehungsweise dass es möglich sein muss, Privateigentum auch in größerem Maße zu erwerben und eben auch zu behalten auf dem Grundsatz einer entsprechenden Gesetzgebung."
Oppositionsführer Chamsia ist bereit zu diesem radikalen Schritt der Privatisierung des Landes.
"Die Menschen sollen in der Lage sein, das Land zu verkaufen. Sie brauchen ein Eigentumsrecht. Da reichen keine 99-Jahre-Pachtverträge. Die [weißen] Farmer sind ja enteignet worden. Das muss entschädigt werden. Diese Entschädigung ist sehr wichtig. Wirtschaftliche Gerechtigkeit ist die Voraussetzung für Stabilität. Die Farmer, die zurückkommen wollen und ihr Land zurückhaben wollen, denen muss es gegeben werden. Das Land als Eigentum wird zu landwirtschaftlicher Produktivität führen. Dann können wir nach Europa exportieren und in den Rest der Welt."
Nach dem Willen des gegenwärtigen Präsidenten Mnangagwa soll das Land in staatlicher Hand bleiben. Er will Mugabes Landreform nicht rückgängig machen.
Fragt man Ökonomen, herrscht Skepsis wegen dieses Kurses des Präsidenten. Für den ehemaligen Journalisten und unabhängigen Wirtschaftsberater John Robertson reichen Mnangagwas Reformen nicht aus, um die Wirtschaftskraft des Landes zu beleben.
"Wir stehen vor großen Herausforderungen, auf die diese Regierung nicht antwortet. Aber sie wollen die Kontrolle nicht verlieren, und das bedeutet, dass man den Fluss von Investitionen ins Land verhindert. Aber genau das würde uns voranbringen und auf den internationalen Märkten wettbewerbsfähig machen."
Im afrikanischen Vergleich weit zurückgefallen
Simbabwe ist in fast vier Jahrzehnten Mugabe-Herrschaft im afrikanischen Vergleich weit zurückgefallen. Es war 1980 nicht nur die Kornkammer Afrikas, sondern auch das am zweitstärksten industrialisierte Land Afrikas. Das Land muss jetzt Investoren aus aller Welt anlocken. Neben der fruchtbaren Erde bietet es auch einen hohen Alphabetisierungsgrad und eine relativ gut ausgebildete Bevölkerung.
In den Hotel-Lobbies von Harare machen sich die wichtigsten Hoffnungsträger der simbabwischen Regierung rar – wie hier im Crown Plaza Hotel in der Innenstadt. Es sind die Chinesen. John Robertson erklärt, warum das so ist.
"Simbabwe ist im Laufe der Jahre zunehmend zu einer ernsten Enttäuschung geworden, weil die Haltung der Regierung hier war, man könnte einen 'Deal' mit chinesischen Firmen machen. Und die chinesischen Firmen sagten: Nein, wir sind hergekommen, um dafür bezahlt zu werden. Wir sind nicht gekommen, um über die Möglichkeit eines ‚Deals‘ über Konzessionen für Land oder Minen nachzudenken. Deshalb haben sich die Chinesen für eine Zeit aus Simbabwe zurückgezogen."
Anfang April reiste Präsident Mnangagwa nach Peking und schloss dort mit der chinesischen Regierung ein Abkommen über eine "strategische Partnerschaft". Er brachte ein Paket von Absichtserklärungen über Geschäfte zwischen beiden Ländern in Höhe von 1,2 Milliarden Dollar mit.
Im Schatten dieser Entwicklungen investiert ein deutscher Geschäftsmann in Simbabwe erfolgreich in die Landwirtschaft. Wir treffen ihn in La Rochelle, einem Country House im Osten des Landes, wo er in ruhigen Momenten Pool Billard spielt. Dominik Collenberg besitzt kein Land, sondern arbeitet mit Kleinbauern und Wildsammlern zusammen. Zudem investiert er gezielt in mehrere größere Farmen. Mit seinem Unternehmen "Organic Africa" betreibt er den Anbau von Kräutern und Gewürzen nach den strengen Maßstäben der Bio-Lebensmittelbranche in Europa und den USA.
"Wir unterscheiden uns […] von dem, was hier früher Landwirtschaft war, wie man früher hier Landwirtschaft in Simbabwe gemacht hat, kommerzielle Landwirtschaft in Simbabwe gemacht hat, weil das waren in der Vergangenheit Familien, die als individuelle Bauern gearbeitet haben. Und wir als Unternehmen haben natürlich eine ganz andere Herangehensweise und können daher […] an Gelder vom internationalen Markt kommen und diese Gelder hier in Simbabwe investieren."
"Immer willkommen bis zu sehr herzlich willkommen"
Collenberg exportiert Produkte wie Chili, Zitronengras oder Minze nach Europa, vor allem nach Deutschland. So bringt er Devisen ins Land, die die simbabwische Volkswirtschaft dringend braucht. Bei der Finanzierung seiner Projekte arbeitet er mit Partnern in Europa zusammen.
"Als ausländischer Investor und ausländischer Partner, der mit Bauern hier lokal zusammenarbeitet, ist man zunächst mal immer willkommen bis zu sehr herzlich willkommen."
Collenbergs Unternehmen könnte ein Modell sein, wie die Krise Simbabwes zu überwinden ist, falls die Regierung das Land nicht privatisieren sollte. Ausländische Investoren bringen Geld ins Land und exportieren Produkte aus Simbabwe.
Das könnte zu den ehrgeizigen Zielen der neuen Regierung passen, die seit November 2017 im Amt ist. Präsidentenberater Mutsvangwa ist überzeugt, dass Mnangagwa aus Simbabwe "das wohlhabendste afrikanische Land machen wird, das die Welt je gesehen hat".
"Wir werden das wohlhabendste afrikanische Land schaffen, das die Welt je gesehen hat. Punkt."
Bevor das gelingen kann, muss Simbabwe in aller Welt um Vertrauen werben. Das beste Mittel wären wirklich freie und glaubwürdige Wahlen.
Bevor das gelingen kann, muss Simbabwe in aller Welt um Vertrauen werben. Das beste Mittel wären wirklich freie und glaubwürdige Wahlen.