Die letzte Bürgerschaftssitzung vor der Wahl nutzt die FDP für einen letzten Versuch der Selbstrettung. Die liberale Partei macht mit dem Thema "Demokraten müssen zusammenstehen – im Parlament und auf der Straße!" den Aufschlag zur Aktuellen Stunde. Es wurden Fehler gemacht, erklärt Anna von Treuenfels-Frowein, die liberale Spitzenkandidatin, am Pult der Bürgerschaft:
"In Thüringen, indem Herr Kemmerich eine Wahl angenommen hat, die er nicht hätte annehmen dürfen. Und in Berlin, wo es an einer unmittelbaren, klaren Haltung unserer Parteispitze gefehlt hat. Und ich sage Ihnen hier allen: diese gesamten Vorgänge tun uns leid! Wer meine Tweets gelesen hat weiß, wie sehr diese Vorgänge mich persönlich erschüttert haben!"
Trotzdem seien die Liberalen in Hamburg plötzlich als "Feinde der Demokratie" beschimpft worden. Auch von Bürgerschaftsabgeordneten.
"Meine Damen und Herren, damit haben sie sehr bewusst Grenzen überschritten und zwar so weit, wie ich persönlich es nie für möglich gehalten hätte!"
Für die Liberalen wird es eng
Dirk Kienscherf, Fraktionschef der SPD, zeigt sich gestern unbeeindruckt. Das "Es tut mir leid" der Liberalen wischt er beiseite. Das reiche nicht aus.
"Ich glaube, das, was diese Stadt und dieses Parlament heute erwartet hat, ist eine klare Entschuldigung der FDP-Fraktion. Und nichts weiter. Und keine Angriffe gegen andere."
Die Fronten in der Bürgerschaft sind verhärtet und es ist schwer auszumachen, wie viel Anteil der Wahlkampf daran hat. Nicht nur im Parlament bekommt die FDP in Hamburg die Quittung für das Taktieren ihrer Parteikollegen in Thüringen. 200 Wahlplakate wurden seit der Wahl des FDP-Manns Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten zerstört, mit Hakenkreuzen oder Schlagworten versehen: mit "Thüringen" oder "Nazis". Vor Thüringen lag die Hamburger FDP in den Umfragen bei fünf bis sieben Prozent. Und deshalb könnte es für Liberalen tatsächlich eng werden, sagt Kai-Uwe Schnapp, Professor für Politikwissenschaften an der Uni Hamburg:
"Auch bei den FDP-Wählerinnen und –Wählern selbst, da leidet das Image der FDP. Meine Erwartung ist klar, dass es für die FDP angesichts des Thüringer Erdbebens sehr, sehr schwer wird, in die Bürgerschaft einzuziehen."
Glaubwürdige Abgrenzung fällt schwer
Zwar unterschieden sich die Freien Demokraten in Hamburg von denen in Thüringen. Wenn aber Parteivize Wolfgang Kubicki aus dem angrenzenden Schleswig-Holstein und Teile der Jungen Liberalen in Hamburg Kemmerichs Wahl bejubeln, mache das eine glaubwürdige Abgrenzung schwierig, sagt Kai-Uwe Schnapp.
"Dann wird man natürlich trotzdem versuchen, als Hamburger FDP ganz klar zu sagen, auf welcher Position man selbst steht. Aber wie glaubwürdig das dann ist, ist dann natürlich die Frage."
Tatsächlich hatte die liberale Spitzenkandidatin Anna von Treuenfels-Frowein schneller als andere in ihrer Partei erklärt, dass Thomas Kemmerich die Wahl zum Ministerpräsidenten nicht hätte annehmen dürfen. Trotzdem forderte sie in ihrer ersten Reaktion: SPD und Grünen, also diejenigen, die gerade von Kemmerich düpiert worden waren, dürften sich einer Zusammenarbeit mit dem FDP-Ministerpräsidenten nicht weiter verschließen. Heute erklärt sie das so:
"Um sich über den Sachverhalt überhaupt richtig informieren zu können, hat es ehrlich gesagt auch ein bisschen länger gedauert bis wir das konnten."
Am häufigsten für AfD-Anträge gestimmt
Dass die Liberale nun immer wieder die scharfen Trennlinien zur AfD betont, nehmen ihr viele in der Hamburgischen Bürgerschaft nicht ab. Die Grünen recherchierten, dass die Hamburger FDP in den letzten fünf Jahren 43 Mal für die Anträge der Rechtspopulisten in der Hamburgischen Bürgerschaft gestimmt haben. Von allen anderen Fraktionen kamen stets nur Gegenstimmen für AfD-Vorschläge.
"Wir haben das deswegen getan, um die AfD nicht wieder in so eine Opferrolle zu bringen."
Und immer, so Anna von Treuenfels-Frowein, sei es dabei um durchaus sinnvolle Anträge der AfD gegangen. Und außerdem hätten, so die liberale Spitzenkandidatin auch die Grünen und die SPD, sogar die Linken in fünf Fällen für AfD-Anträge gestimmt. Das stimmt zwar. Bei diesen interfraktionellen Anträgen ging es allerdings nur um organisatorische Abläufe der Bürgerschaft. Und eben nicht um politische Inhalte.