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Vor der Bundespräsidentenwahl
Steinmeier auf dem Weg ins Schloss Bellevue

Als Außenminister war Frank-Walter Steinmeier beliebt, hat vielen nur etwas zu verschwurbelt geredet. Als Bundespräsident muss der Sozialdemokrat Brückenbauer sein in einer Gesellschaft, die sich zu spalten droht.

Von Frank Capellan |
    Frank-Walter Steinmeier (SPD) im Schloss Bellevue - bei seiner Entlassung als Bundesaußenminister. Jetzt will er als Bundespräsident dort einziehen.
    Steinmeier - kein Anwalt der kleinen Leute? (Imago/ Metodi Popow)
    Frankie for President! Ob er es selbst schon glauben kann? Als Kabarettist Andreas Rebers im vergangenen Sommer ein Lied auf Frank-Walter Steinmeier singt, wettet niemand einen Cent darauf, dass die SPD ihn ins Bellevue bringen könnte!
    Auch Sigmar Gabriel hat lange nicht dran geglaubt.
    "Erstens liebäugele ich nicht mit Herrn Steinmeier, sondern ich finde, er ist ein exzellenter Außenminister, nach meinem Kenntnisstand will er das auch bleiben."
    Doch dann gelingt ihm ein Meisterstück. Weil die zerstrittene Union unfähig ist, einen Gauck-Nachfolger zu benennen, katapultiert der SPD-Chef Steinmeier ins Bellevue. Am Ende muss die Kanzlerin zähneknirschend eingestehen:
    "Er ist ein Kandidat, der die Unterstützung sehr vieler Bürger und Bürgerinnen haben wird!"
    Denn immer wieder hatte Angela Merkel durchblicken lassen: Steinmeier? Nicht mit uns! Vor allem nicht mit ihm: Horst Seehofer.
    "Wir haben als CDU und CSU keine Kandidatin und keinen Kandidaten gefunden. Das lag daran, dass die vielen Personen, die angesprochen wurden, nicht zugestimmt haben."
    Gerhard Schröder: "Der richtige Mann zur richtigen Zeit"
    Steinmeier also nur zweite Wahl?!? Nicht für die SPD, nicht für seinen größten Mentor!
    "In diesen schwierigen Zeiten kann man internationale Erfahrung, die er ja nun wirklich hat, ganz gut gebrauchen: Der richtige Mann zur richtigen Zeit!"
    Was Alt-Kanzler Schröder diese Woche in einer ARD-Doku über Steinmeier sagt, teilen nicht alle. Sarah Wagenknecht hat ihm nicht verziehen, dass er es war, der als Kanzleramtschef die Agenda 2010 durchpaukte. Auf Stimmen der Linkspartei kann Steinmeier am Sonntag nicht hoffen. Wagenknecht:
    "Er ist kein Anwalt der kleinen Leute, er ist kein Anwalt der sozialen Gerechtigkeit!"
    Kein Anwalt der kleinen Leute? Steinmeier kommt wie Schröder aus einfachen Verhältnissen. Geboren in Brakelsiek in Ostwestfalen-Lippe kämpft er sich nach oben, wird aufs Gymnasium geschickt, weil der Lehrer sein Talent erkennt. Ein Überflieger war er nicht, meint die 87-jährige Mutter Ursula:
    "Er war kein Einser-Schüler, aber er hat sich immer so dran gehalten, dass er mitkam."
    Und wie er mitkommt! Nach dem Jura-Studium trifft er auf Gerhard Schröder und startet durch. 2005 erstmals Außenminister, das Volk liebt den weißhaarigen Mann, manchmal mehr als die Kanzlerin.
    Bürgerin: "Unser Bundesaußenminister oder wie heißt der Herr Steinmeier? Ich wähle natürlich die SPD, ist doch logisch, ich bin ja auch sehr angetan von unserer Frau Merkel, die ist doch auch SPD?"
    Geredet hat er viel, manchen zu verschwurbelt
    Nicht ganz, aber dafür ein Sozialdemokrat ab Sonntag erster Mann im Staate. Reden muss er, und geredet hat er viel, manchen zu verschwurbelt. Folgt jetzt der Klartext-Steinmeier? Er selbst sagt:
    "Ein Bundespräsident darf kein Vereinfacherer sein. Er muss ein Mutmacher sein!"
    Steinmeier dürfte seiner Linie treu bleiben. Dass er auch anders kann, hat er in den wenigen Momenten bewiesen, in denen er mal die Contenance verlor, weil sie ihn als Kriegstreiber beschimpften.
    Steinmeier brüllt: "Ihr solltet Euch überlegen, wer hier die Kriegstreiber sind. Wer eine ganze Gesellschaft als Faschisten bezeichnet, der treibt den Krieg, der treibt den Konflikt. Ihr habt kein Recht!"
    Brückenbauer muss er sein in einer Gesellschaft, die sich zu spalten droht. Die Rechtspopulisten hat er auch im Bellevue im Nacken. Für AfD-Chefin Petry ist schon seine Nominierung der Inbegriff des Establishments:
    "So wie Herr Steinmeier vermutlich ins Amt gemauschelt wird, ist es eine Farce, deswegen fordern wir Volksentscheide!"
    Steinmeier mag die Stones
    A la Österreich? Grünen-Urgestein Hans-Christian Ströbele will das wohl kaum, wohl aber erwartet er klare Worte vom neuen Staatsoberhaupt:
    "Er müsste authentisch werden, auch in seinem Reden. Möglichst das sagen, was er wirklich meint."
    Anders dürfte der 61-Jährige wohl sein. Kochen und Fußball sind seine Leidenschaften, dazu ein noch nicht präsidialer Musikgeschmack, wie er mal im ZDF bekannte:
    "Ich dachte immer, das wäre ein Werbegag gewesen: Steinmeier hört Stones?"
    "Ich höre heute weniger Stones als früher, aber das war meine erste Platte, die ich mir gekauft habe, von Stones, Let it bleed, das war die Entscheidung gegen die Beatles."
    Und was man am Ende über ihn mal sagen soll? Auch das hat er schon verraten:
    "Mir würde es reichen, wenn die Leute sagen: Das war ein anständiger Kerl , auf den konnte man sich verlassen."