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Vor der Europawahl
Ringen der EU um institutionelle Reformen

Nächste Woche wollen die Staats- und Regierungschefs die Weichen für die Europawahlen stellen. Sie entscheiden dann, ob es Spitzenkandidaten und transnationale Listen geben soll. Frankreichs Staatspräsident Macron vertritt dabei klare Positionen - um die "En Marche!"-Bewegung auch in Europa etablieren zu können.

Von Peter Kapern |
    Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron spricht in der Frankfurter Johann Wolfgang Goethe-Universität. Das Thema der Festveranstaltung lautet "Debatte über die Zukunft Europas".
    Würde am liebsten wohl europaweit mit seiner "En Marche!"-Bewegung antreten: Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron (picture alliance / dpa / Frank Rumpenhorst)
    Zwei Gespenster gehen um in Europa. Und treiben den Politikern der großen europäischen Parteienfamilien den Angstschweiß auf die Stirn. Das eine Gespenst ist der Nationalismus und Populismus, der nach dem Wahlsieg des EU-Freunds Emmanuel Macron in Frankreich ja eigentlich schon als besiegt galt. Doch Macrons Wahlsieg könnte die demokratische Schwalbe gewesen sein, die noch keinen Sommer machte. In Polen, Ungarn und Tschechien regieren die Nationalisten und Populisten unangefochten, in Österreich sitzen sie jetzt auch mit am Kabinettstisch, in Italien liegen sie in den Umfragen vorn. Und so wächst die Furcht, dass sie auch bei den nächsten Europawahlen weiter zulegen.
    Das zweite Gespenst ist jenes, das Emmanuel Macron selbst losgeschickt hat. Denn in seiner hochgelobten Rede an der Pariser Sorbonne hat er en passant den etablierten europäischen Parteienfamilien, den Sozialdemokraten, Liberalen und Konservativen, den Kampf angesagt:
    "Diesen großen europäischen Parteien werde ich nicht das Monopol für die Debatte zu Europa und den Europawahlen überlassen! Denn die Bürger müssen diese Debatte neu gestalten, von der Basis aus, von unten, aus dem echten Leben."
    Macron fordert transnationale Listen
    Die harte Währung in der europäischen Politik sind allerdings nicht Debatten mit der Basis, sondern Vertreter der eigenen Bewegung im Europaparlament und in der EU-Kommission. Nur gestützt auf "En Marche!"-Politiker in Brüssel könnte Macron seine Ideen auch in der Hauptstadt Europas umsetzen. Am liebsten würde er wohl europaweit mit seiner "En Marche!"-Bewegung antreten. Deshalb hat er sich bei seiner Rede in der Sorbonne auch so stark für die Idee transnationaler Listen eingesetzt:
    "Auch, um diesen noch unfertigen demokratischen Raum zu erschaffen, setze ich mich dafür ein, 2019 transnationale Listen zu haben, über die die Europäer für ein kohärentes und gemeinsames Projekt stimmen können."
    Das Europaparlament machte Macron in der vergangenen Woche aber einen Strich durch die Rechnung. Rechte, populistische und vor allem konservative Abgeordnete, auch die von CDU und CSU, stimmten gegen die Einrichtung dieser transnationalen Listen. Auch unter den Staats- und Regierungschefs hält sich die Zahl der Unterstützer dieser Idee in Grenzen.
    Verbündete in verschiedenen EU-Ländern für "En Marche!"
    Aber Macron hat längst nicht aufgegeben. Denn es gibt noch andere Wege, für eine starke Vertretung seiner Bewegung im Europaparlament zu sorgen. Mal gibt es Berichte, er habe sich mit dem Vorsitzenden der neuen liberalen Bewegung in Spanien, Ciudadanos, getroffen. Mal heißt es, Matteo Renzi, der sozialdemokratische Ex-Regierungschef Italiens, werde sich bald mit ihm verbünden. Und bei den Grünen im Europaparlament kursiert der Albtraum, Daniel Cohn-Bendit, Ex-Fraktionschef der Grünen in Straßburg mit starken Sympathien für Macron, könnte für "En Marche!" aus der Rente zurückkehren. Attraktive Kandidaten in vielen EU-Ländern, die sich dann als gewählte Abgeordnete einer bestehenden Fraktion im Europaparlament anschließen könnten. So Macrons Plan B.
    Nur Spitzenkandidat einer Parteienfamilie als Kommissionschef
    Schwieriger allerdings wird es für Macron, auch Einfluss auf die neue EU-Kommission zu bekommen, die nach den Europawahlen gebildet wird. Vor allem dann, wenn schon vorher feststeht, wer überhaupt Kommissionspräsident werden kann. Das Europaparlament hat sich letzte Woche festgelegt: Kommissionspräsident soll nur werden können, wer vorher als Spitzenkandidat einer Parteienfamilie angetreten ist. Und auch Kommissionschef Jean-Claude Juncker wird sich heute massiv für die europäischen Spitzenkandidaten einsetzen. Das hat er letzte Woche schon in Straßburg klar gemacht:
    "Wir brauchen ein Mehr an Demokratie. Und ich setze mich mit aller Kraft dafür ein, dass es auch bei den nächsten Europawahlen einen Spitzenkandidaten der großen europäischen Parteienfamilien geben wird."
    Kommt es so, wird wahrscheinlich ein Konservativer oder ein Sozialdemokrat an die Spitze der Brüsseler Behörde rücken. Und bestimmt kein Politiker der "En Marche!"-Bewegung. Und das erklärt, warum sich Macron, ganz anders als Jean-Claude Juncker, beim Thema "Spitzenkandidaten" extrem zögerlich verhält.