"Am 1. Dezember 1941 in der Zeit von 14 bis 16 Uhr befand ich mich auf Posten vier in der Hohensteiner Straße. Um 15 Uhr sah ich, wie eine Jüdin auf den Zaun des Ghettos kletterte, den Kopf durch den Ghettozaun steckte und den Versuch machte, von einem vorüberfahrenden Wagen Rüben zu stehlen. Ich machte von meiner Schusswaffe Gebrauch. Die Jüdin wurde durch zwei Schüsse tödlich getroffen."
Der deutsche Polizist, der im lapidaren Meldeton seinen Mord am Zaun des Ghettos Lodz beschrieb, führte fort, was mit dem Überfall auf Polen im September 1939 begonnen hatte: Der Terror gegen die polnische Bevölkerung richtete sich sofort auch gegen die Juden. Sie wurden ermordet, gedemütigt, gequält und in Ghettos zusammengepfercht - Auftakt für die 1941 einsetzende systematische Vernichtung der Juden in Polen.
Bereits seit November 1939 plante der für Lodz zuständige Regierungspräsident Friedrich Uebelhoer die Gründung eines Ghettos, das schließlich eines der größten in Polen wurde und bis Ende 1944 existierte. Seit April 1940 hießen Ghetto wie Stadt nach dem General des Ersten Weltkriegs und späteren Nazianhänger Hermann Litzmann. Am 10. Dezember 1939 schrieb Uebelhoer an Gauleiter Arthur Greiser:
"Zu welchem Zeitpunkt und mit welchen Mitteln das Ghetto und damit die Stadt Lodsch von Juden gesäubert wird, behalte ich mir vor. Endziel muss jedenfalls sein, dass wir diese Pestbeule restlos ausbrennen."
Vor ihrer Ermordung aber wollte man die Juden vollständig ausrauben und ihre Arbeitskraft ausbeuten. Der glühende Nazi und Bremer Kaufmann Hans Biebow erwies sich als der Mann der Stunde. Mit der Abriegelung des Ghettos am 30. April 1940 wurde er zum "Leiter der Ernährungs- und Wirtschaftsstelle Ghetto Litzmannstadt" ernannt. Biebow, so der Historiker Joseph Wulf, fühlte sich rasch als Herr über bis zu 200.000 Juden.
"Im Ghetto Lodz richtete er die folgenden Arbeitsplätze für sie ein. Zunächst einmal die Schneiderei, die den größten Umsatz aufwies, nämlich laut Berechnung über 700.000 Mark monatlich. Hauptsächlich handelte es sich um Sachen für das Militär. Rohmaterialien und Einzelteile wurden ins Ghetto geliefert, um dort verarbeitet und zusammengesetzt zu werden. An zweiter Stelle kamen dann die Wäsche- und Kleiderfabriken mit einem Umsatz von 300.000 Mark monatlich."
Zu den Großkunden, die im Ghetto billig produzieren ließen, gehörten etwa die Firmen Josef Neckermann und Heinrich Leineweber.
Für die Durchführung aller Anordnungen und Befehle hatte der bloß scheinautonome Judenrat zu sorgen. An dessen Spitze stand der einstige Leiter des jüdischen Waisenhauses in Lodz: Chaim Rumkowski. Ihm ging es angesichts der immer deutlicher werdenden Vernichtungsabsichten der Deutschen darum, gegen jüdische Arbeitskraft und Fachkenntnis so viele Nahrungsmittel wie möglich einzutauschen - und vor allem das Leben der Ghettoinsassen zu bewahren.
Doch die Lebensumstände im Ghetto gestalteten sich von Anfang an dramatisch und lebensbedrohlich. Eine Augenzeugin:
"Fäkalien flossen den Bürgersteig entlang. Erst als eine Epidemie drohte und die Deutschen Angst vor Infektionen hatten, ließen sie den Müll wegräumen. Es drohten Cholera, Gelbsucht, Typhus. Die ganzen Jahre aber war der Hunger im Ghetto am schlimmsten, vor Hunger starben Alte und Junge."
Hinzu kamen immer wieder Deportationen ins nahe gelegene Vernichtungslager Chelmno. Alte Menschen und Kleinkinder waren zunächst besonders gefährdet. Der Schriftsteller Jurek Becker, der in seinem Roman "Jakob, der Lügner" auch seine Erfahrungen im Ghetto Lodz verarbeitete, berichtete vom Vater, der ihn vor den Ghettobehörden als älter ausgegeben hatte:
"Der Grund für dieses Ältermachen ist ein sehr verständlicher. Ganz kleine Kinder wurden in Ghettos sozusagen als überflüssige Fresser betrachtet und sehr schnell deportiert. Und von einem bestimmten Alter an durfte man in Fabriken arbeiten. Eine ganz frühe Erinnerung von mir ist, dass ich an einem langen Tisch sitze und mit einem Hölzchen Tabak in Zigarettenhülsen stopfe."
Viele wurden natürlich dennoch deportiert. Aktionen, die Rumkowski ebenfalls und unter Aufsicht der Deutschen mitorganisieren musste. Ende August 1944, kurz vor der Auflösung des Ghettos, wurde auch er mit seiner gesamten Familie in Auschwitz ermordet.
Der deutsche Polizist, der im lapidaren Meldeton seinen Mord am Zaun des Ghettos Lodz beschrieb, führte fort, was mit dem Überfall auf Polen im September 1939 begonnen hatte: Der Terror gegen die polnische Bevölkerung richtete sich sofort auch gegen die Juden. Sie wurden ermordet, gedemütigt, gequält und in Ghettos zusammengepfercht - Auftakt für die 1941 einsetzende systematische Vernichtung der Juden in Polen.
Bereits seit November 1939 plante der für Lodz zuständige Regierungspräsident Friedrich Uebelhoer die Gründung eines Ghettos, das schließlich eines der größten in Polen wurde und bis Ende 1944 existierte. Seit April 1940 hießen Ghetto wie Stadt nach dem General des Ersten Weltkriegs und späteren Nazianhänger Hermann Litzmann. Am 10. Dezember 1939 schrieb Uebelhoer an Gauleiter Arthur Greiser:
"Zu welchem Zeitpunkt und mit welchen Mitteln das Ghetto und damit die Stadt Lodsch von Juden gesäubert wird, behalte ich mir vor. Endziel muss jedenfalls sein, dass wir diese Pestbeule restlos ausbrennen."
Vor ihrer Ermordung aber wollte man die Juden vollständig ausrauben und ihre Arbeitskraft ausbeuten. Der glühende Nazi und Bremer Kaufmann Hans Biebow erwies sich als der Mann der Stunde. Mit der Abriegelung des Ghettos am 30. April 1940 wurde er zum "Leiter der Ernährungs- und Wirtschaftsstelle Ghetto Litzmannstadt" ernannt. Biebow, so der Historiker Joseph Wulf, fühlte sich rasch als Herr über bis zu 200.000 Juden.
"Im Ghetto Lodz richtete er die folgenden Arbeitsplätze für sie ein. Zunächst einmal die Schneiderei, die den größten Umsatz aufwies, nämlich laut Berechnung über 700.000 Mark monatlich. Hauptsächlich handelte es sich um Sachen für das Militär. Rohmaterialien und Einzelteile wurden ins Ghetto geliefert, um dort verarbeitet und zusammengesetzt zu werden. An zweiter Stelle kamen dann die Wäsche- und Kleiderfabriken mit einem Umsatz von 300.000 Mark monatlich."
Zu den Großkunden, die im Ghetto billig produzieren ließen, gehörten etwa die Firmen Josef Neckermann und Heinrich Leineweber.
Für die Durchführung aller Anordnungen und Befehle hatte der bloß scheinautonome Judenrat zu sorgen. An dessen Spitze stand der einstige Leiter des jüdischen Waisenhauses in Lodz: Chaim Rumkowski. Ihm ging es angesichts der immer deutlicher werdenden Vernichtungsabsichten der Deutschen darum, gegen jüdische Arbeitskraft und Fachkenntnis so viele Nahrungsmittel wie möglich einzutauschen - und vor allem das Leben der Ghettoinsassen zu bewahren.
Doch die Lebensumstände im Ghetto gestalteten sich von Anfang an dramatisch und lebensbedrohlich. Eine Augenzeugin:
"Fäkalien flossen den Bürgersteig entlang. Erst als eine Epidemie drohte und die Deutschen Angst vor Infektionen hatten, ließen sie den Müll wegräumen. Es drohten Cholera, Gelbsucht, Typhus. Die ganzen Jahre aber war der Hunger im Ghetto am schlimmsten, vor Hunger starben Alte und Junge."
Hinzu kamen immer wieder Deportationen ins nahe gelegene Vernichtungslager Chelmno. Alte Menschen und Kleinkinder waren zunächst besonders gefährdet. Der Schriftsteller Jurek Becker, der in seinem Roman "Jakob, der Lügner" auch seine Erfahrungen im Ghetto Lodz verarbeitete, berichtete vom Vater, der ihn vor den Ghettobehörden als älter ausgegeben hatte:
"Der Grund für dieses Ältermachen ist ein sehr verständlicher. Ganz kleine Kinder wurden in Ghettos sozusagen als überflüssige Fresser betrachtet und sehr schnell deportiert. Und von einem bestimmten Alter an durfte man in Fabriken arbeiten. Eine ganz frühe Erinnerung von mir ist, dass ich an einem langen Tisch sitze und mit einem Hölzchen Tabak in Zigarettenhülsen stopfe."
Viele wurden natürlich dennoch deportiert. Aktionen, die Rumkowski ebenfalls und unter Aufsicht der Deutschen mitorganisieren musste. Ende August 1944, kurz vor der Auflösung des Ghettos, wurde auch er mit seiner gesamten Familie in Auschwitz ermordet.