"Orbán, hau ab" - seit Monaten sind die gleichen Schlachtrufe in Ungarn zu hören: Wieder waren es Tausende, die im ganzen Land auf die Straße gingen. In Budapest zog es die Demonstranten vor das Parlament, wo sie eine "neue ungarische Republik" forderten. Auf der Bühne auch: Die 85-jährige Philosophin Agnes Heller.
"Ich glaube", sagt sie: "Jeder, der hier ist, wünscht sich eins: in einem normalen Land zu leben. Wir müssen fordern, dass die europäischen Grundwerte geachtet werden", so die greise Denkerin zu "Europa, Europa"-Rufen vor dem ungarischen Parlament."
Viele Demonstranten schwenken die EU-Fahne, die am Parlament schon nicht mehr hängt. Auch viele deutschsprachige Transparente sind zu sehen. Sie fordern die Bundeskanzlerin auf, nicht mit einer Mafia-Regierung zu verhandeln. Auch diese Frau trägt ein deutschsprachiges Plakat:
"Wir hoffen, dass es gelingt, Viktor Orbán wieder ein wenig auf den Weg der Demokratie zu bringen. Die EU muss hier was unternehmen", fordert sie, "und das geht nur über das Geld: streng kontrollieren, wenn nötig, Gelder streichen. Man darf ihnen diese Gelder nicht geben. Sie stehlen sie."
Gesprächsbedarf in Sachen Ukraine
Dass Korruption undmangelnde Rechtssicherheit in Ungarn ein ernstes Problem sind, gaben in der jüngsten Konjunkturumfrage der Deutsch-Ungarischen Industrie-und Handelskammer auch deutsche Manager zu Protokoll. Auch mit ihnen wird sich Bundeskanzlerin Merkel bei ihrer halbtägigen Visite in Budapest treffen. Was erwartet der junge ungarische Buchhalter Márton vom Merkel-Besuch?
"Ich hoffe, dass sie dem ungarischen Premier den Kopf wäscht: Wegen seiner antidemokratischen Politik, wegen der Annäherung an Russland. Aber ich glaube nicht, dass sie die ungarische Innenpolitik ändern kann", so der junge Familienvater.
Laut ihrem Regierungssprecher wird die Kanzlerin die Krise in der Ukraine zum Thema machen. Und hier besonders die Sanktionen, die die EU gegenüber Russland verhängt hat - und die Viktor Orbán einmal als "Schuss ins Knie" bezeichnet hat. Demonstrant János Fasang erwartet, dass die Kanzlerin ihren konservativen Amtskollegen auf EU-Linie hält.
"Ich denke, dass sie die Bündnistreue Orbáns erleben möchte, und das wird ihr auch gelingen mit Blick auf Putin und dass die EU mit einer Stimme spricht."
Putin kommt nach Budapest
In zwei Wochen kommt der russische Präsident nach Budapest. Mit Wladimir Putin hat Orbán einen milliardenschweren Atomdeal abgeschlossen. Orbáns sogenannte Ostpolitik - ein Lavieren zwischen Ost und West - sorgt für Unmut im Westen. Sándor Hegedüs ist für ein ausdrücklich westlich orientiertes Ungarn. Seine Erwartungen an den Merkel-Besuch sind eher gering.
"Ich glaube nicht, dass sie die Werkzeuge hat, um diesen Halbfaschisten Orbán zur Ordnung zu rufen. Ich mag Frau Merkel, aber sie hat nicht die Mittel. Die EU dagegen schon. Sie muss ihm den Geldhahn abdrehen."
Die meisten Investitionen in Ungarn werden mit Geld aus Brüssel bezahlt. Pro Jahr erhält das Land etwa vier Milliarden Euro aus EU-Mitteln.