Ein kleines Büro in der Warschauer Innenstadt: Die Menschen drängeln, damit die junge Frau sie noch auf die Liste schreibt. Sie alle wollen eine kostenlose Rechtsberatung - ein Service, den der Präsidentschaftskandidat Andrzej Duda initiiert hat. Vor allem ältere Menschen sind gekommen, warten im Stehen oder sitzen auf den Heizkörpern. So auch die 65-jährige Anna, die ihren Nachnamen nicht verraten will.
"Herr Duda ist ein ehrlicher Mensch, er ist durchsichtig und rein wie ein Kristall. Er bringt den Himmel den Schwächsten, den Ausgeschlossenen näher."
So präsentiert sich Duda im Wahlkampf. Anna bekommt umgerechnet 250 Euro Rente im Monat, das reiche nicht für die Medikamente, die sie braucht. Deshalb hoffe sie auf Duda, obwohl sie über den Kandidaten der rechtskonservativen Partei PiS nicht viel weiß. Jung sei er, sagt Anna.
Der 43-jährige Duda ist in der polnischen Politik ein nahezu unbeschriebenes Blatt. Die Strategen der PiS geben sich deshalb alle Mühe, um dem Kandidaten ein Gesicht zu geben. Zum Beispiel der Europaabgeordnete Janusz Wojciechowski, der das Büro für Rechtsberatung in Warschau leitet:
"Er ist hervorragend auf das Präsidentenamt vorbereitet. Er hat einige Jahre in der Kanzlei des ehemaligen Präsidenten Lech Kaczynski gearbeitet, war Vize-Justizminister, Parlamentsabgeordneter und ist nun seit einem Jahr Europaabgeordneter. Er ist voller Energie, ein sehr guter Skifahrer, und er hat eine wunderbare Familie. Polen wird stolz sein, ihn als Präsidenten zu haben."
Einstieg in die Politik bei der Konkurrenz
Andrzej Duda stammt aus Krakau, wo er sich vor fünf Jahren erfolglos um das Amt des Bürgermeisters bewarb. Er studierte Jura, promovierte und begann eine wissenschaftliche Laufbahn. Seine Professoren beschreiben ihn als begabt und fleißig.
In die Politik stieg Duda nicht bei der PiS ein, sondern bei der Konkurrenz im bürgerlichen Lager. Er gehörte zunächst der "Freiheitsunion" an, einer liberalen Formation, gegründet vom heutigen EU-Ratspräsidenten Donald Tusk. Erst 2005 schloss sich Duda der deutlich konservativeren PiS an, nachdem diese die Parlamentswahl gewonnen hatte. Dort machte er Karriere, aber eher in der zweiten Reihe. Kaum einer in Warschau rechnete damit, dass der PiS-Vorsitzende Jaroslaw Kaczynski Duda im vergangenen Dezember zum Präsidentschaftskandidaten erklären würde. Nicht einmal Duda selbst:
"Ich gebe zu, das habe ich nicht erwartet, dass ich heute hier vor Ihnen stehen würde, dass ich diese Berufung erhalte. Aber ich nehme sie an, weil das ein Dienst ist, zu dem sich jeder entscheidet, der in die Politik eintritt. Denn jeder Politiker kann früher oder später zu dieser Ehre kommen. Darauf muss jeder Politiker vorbereitet sein."
Inzwischen präsentiert sich Duda als selbstständig. Seine Kritiker nehmen ihm das aber nicht ab. Er sei ein "Plastikpolitiker", werfen sie ihm vor: nicht authentisch, sondern nur ein Produkt von Jaroslaw Kaczynski. Kaczynski hatte die Präsidentenwahl vor fünf Jahren verloren, er ist einer der umstrittensten polnischen Politiker. Deshalb meiden die beiden heute gemeinsame Auftritte. Der PiS-Vorsitzende gratulierte dem Kandidaten nicht einmal öffentlich zum Sieg im ersten Wahlgang.
"Polen kann nicht stark sein ohne die bürgerliche Gemeinschaft"
Duda gibt sich deutlich gemäßigter als Kaczynski. Er spricht zwar davon, dass Polen in der EU nicht nur "mit dem Strom schwimmen" solle. Aggressive Töne, etwa gegenüber Deutschland, vermeidet er aber. So kann sich Duda als Politiker der nationalen Eintracht darstellen.
"Es ist äußerst schwierig, heute polnischer Präsident zu sein, denn wir erleben einen tiefen politischen Konflikt. Ich stehe für eine dynamische Außenpolitik, aber im Inneren für eine Politik des Verbindens, des Einbeziehens. Polen kann nicht stark sein ohne die bürgerliche Gemeinschaft. Die wichtigsten Angelegenheiten sind unser gemeinsames Interesse."
Versöhnliche Rhetorik ist der eine Teil von Dudas Strategie, der andere sind seine Wahlversprechen. Sie würden nach Schätzungen 60 Milliarden Euro kosten - ein utopisches Programm. Aber als Präsident hätte Duda ohnehin nur geringen Einfluss auf die Wirtschafts- und die Finanzpolitik.