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Vor Pro-Erdogan-Demo in Köln
Bundesregierung ruft zu Mäßigung auf

Vor den Kundgebungen in Köln für und gegen den türkischen Präsidenten Erdogan haben Politiker die Teilnehmer zur Mäßigung aufgerufen. Bundesaußenminister Steinmeier sagte, man werde es nicht zulassen, dass der innertürkische Konflikt nun in Deutschland ausgetragen werde. Erwartet werden rund 30.000 Erdogan-Anhänger. Zudem wurden vier Gegendemonstrationen angemeldet.

    Die Kölner Altstadt, vom Dom aus gesehen
    Blick auf die Deutzer Brücke in Köln, die Pro- und Anti-Erdogan-Demonstranten voneinander trennt (Deutschlandradio / Andreas Diel)
    "Innenpolitische Spannungen aus der Türkei zu uns nach Deutschland zu tragen und Menschen mit anderen politischen Überzeugungen einzuschüchtern, von welcher Seite auch immer, das geht nicht", sagte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier der "Süddeutschen Zeitung". In Deutschland gebe es dafür keinen Platz - "und das werden wir auch nicht zulassen".
    Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel schrieb auf seiner Facebook-Seite in deutscher und türkischer Sprache, nach seinem Eindruck sei die Türkei tief gespalten. Alle müssten mithelfen, damit sich diese gesellschaftliche Spaltung nicht in Deutschland fortsetze. Weiter heißt es: "Meine Bitte: Lassen Sie uns Andersdenkenden mit Respekt begegnen. Deutschland soll die Heimat aller Menschen sein, die hier leben."
    Die Grünen-Politikerin Roth sagte im Deutschlandfunk, sie sei über das Ausmaß der Mobilisierung hierzulande besorgt. Sie hoffe, dass es keine Gewalt gebe - "von keiner Seite aus". Hier werde auch deutlich, dass es in der Vergangenheit ganz klare Defizite in Sachen Integration gegeben habe, sagte die Bundestags-Vizepräsidentin weiter. Sichtbar werde dies zum Beispiel, wenn aus der Türkei stammende deutsche Staatsbürger auf die Frage nach ihrem Präsidenten Erdogan angäben und nicht Gauck.
    Die deutsch-türkische Anwältin Seyran Ates gibt Deutschland eine Mitverantwortung dafür, dass so viele Menschen für Erdogan auf die Straße gehen und nicht etwa für Merkel oder Bundespräsident Gauck. "Das ist die verfehlte Integrationspolitik hier", sagte Ates ebenfalls im Deutschlandfunk. Diese Leute fühlten sich nicht "angenommen und integriert, sondern eher nach wie vor von der Türkei angesprochen".
    Polizei befürchtet Ausschreitungen
    In Köln wollen am Sonntag laut Polizei etwa 30.000 Erdogan-Anhänger demonstrieren. Es sind vier Gegenkundgebungen angemeldet. Die Polizei befürchtet Ausschreitungen. Sie wird mit 2.300 Beamten präsent sein und kündigte bereits an, gegen jede Form von Gewalt hart vorzugehen. Ein Sprecher erklärte am Freitag, wenn die öffentliche Sicherheit nicht mehr gewährleistet werden könne, sei ein kurzfristiges Verbot der Veranstaltung nicht ausgeschlossen.
    Der Bundesvorsitzende der kurdischen Gemeinde in Deutschland, Ali Ertan Toprak, betonte, die Kurden verzichteten bewusst auf eine Gegendemonstration, um zur Deeskalation beizutragen. Die Erdogan-Anhänger wollten nicht für Demokratie demonstrieren, sondern für einen Autokraten.
    Aufgeladene Stimmung zwischen Anhängern und Kritikern
    Seit dem Putschversuch von vor zwei Wochen ist die Stimmung zwischen Anhängern und Gegnern Erdogans auch in Deutschland sehr aufgeladen. Grünen-Chef Cem Özdemir beklagte massive Einschüchterungsversuche gegen Erdogan-Kritiker in Deutschland. "Wir erleben, dass hierzulande Jagd gemacht wird auf türkische Oppositionelle", erklärte Özdemir den Zeitungen der Essener Funke Mediengruppen.
    Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Gökay Sofuoglu, kritisierte dagegen Forderungen nach einem Demonstrationsverbot für Türken in Köln. Man könne nicht hierzulande fordern, eine Demonstration zu verbieten und gleichzeitig auf mangelnde Rechtsstaatlichkeit in der Türkei aufmerksam machen, sagte er im rbb-Inforadio.
    Oberverwaltungsgericht in Münster lässt rechte Demonstration zu
    Rechtsextremisten wollen am Sonntag ebenfalls in Köln demonstrieren. Das Oberverwaltungsgericht in Münster wies eine Beschwerde der Kölner Polizei gegen den rechten Demonstrationszug zurück, wie ein Sprecher des Gerichts am Samstag bestätigte. Organisiert wird er unter anderem von der rechtsextremistischen Partei Pro NRW. Sie will unter dem Motto demonstrieren: "Keine Huldigungen für Erdogan in Deutschland: Stoppt den islamistischen Autokraten vom Bosporus".
    Gerichtlich verworfen wurde auch eine Beschwerde des Anmelders der Pro-Erdogan-Demonstration. Sie richtete sich gegen das Verbot, den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan auf einer Großleinwand live aus der Türkei zuzuschalten. Eine solche Zuschaltung bleibt nun verboten. Zwar darf die Videoleinwand aufgestellt werden. Sie dürfe aber nur für Übertragungen von Reden vor Ort genutzt werden, entschieden die Richter. Die Abgabe von Stellungnahmen von Politikern aus dem Ausland durch Liveübertragungen sei durch das deutsche Versammlungsrecht nicht gedeckt.
    Anwalt: Anzeigen Erdogans bleiben in Deutschland bestehen
    Erdogan hatte am Freitag in Ankara angekündigt, als Geste des guten Willens alle Klagen wegen Präsidentenbeleidigung zurückzuziehen. Allerdings soll sich das nur auf Verfahren in der Türkei beziehen, sagte Medienanwalt Ralf Höcker, der Erdogan bereits bei rechtlichen Auseinandersetzungen vertreten hat. "In Deutschland ändert sich vorerst nichts." Der türkische Präsident hat unter anderem Anzeige gegen den TV-Satiriker Jan Böhmermann erstattet.
    (kis/nin)