Bund und Länder beraten am Montag, 22.03.2021, wieder darüber, welche Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie in den kommenden Wochen gelten sollen. Noch bevor neue Abmachungen festgelegt sind, berichten die Medien am Tag des Treffens immer wieder über Zwischenergebnisse und Beschlussvorlagen, auch der Dlf.
Auch das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND), auf das zahlreiche Zeitungen in Deutschland zugreifen, berichtet vorab von der Ministerpräsidentenkonferenz. Der Wunsch nach Neuigkeiten "über das, wie unser Leben fortgesetzt werden kann in der Pandemie", sei riesig, so Eva Quadbeck, die Leiterin des RND-Hauptstadtbüros. Das zeigten auch die Online-Zugriffszahlen: "Wir müssen das auf jeden Fall bedienen, die Menschen wollen das wissen".
Allerdings dürfe man nicht einfach durchgestochene Informationen ungeprüft weitergeben, nur um schnell zu sein. "Ich brauche mindestens zwei Quellen", so Quadbeck. Sie schaue stets, aus welcher Ecke ein Entwurf komme und mache dies auch transparent.
Das Interview in voller Länge:
Michael Borgers: Welchen Nachrichtenwert haben eigentlich vorab verbreitete Papiere, die sich am Ende wahrscheinlich ohnehin nicht durchsetzen werden?
Eva Quadbeck: Diese Papiere haben immer einen sehr hohen Nachrichtenwert, weil doch der Kern dieser Papiere immer auch den Geist der Ministerpräsidentenkonferenz schon vorauszeichnen: Geht es eher in Richtung Lockerung, geht es eher in Richtung härterer Lockdown? Und bei vielen Punkten, da weiß man, das soll so kommen, das weiß man auch aus dem, was sich vorher schon abgezeichnet hat. Und je früher so ein Papier bei einem landet, desto höher natürlich der Nachrichtenwert.
"Alle Seiten haben ein Interesse daran, dass vorher eine Debatte entsteht"
Michael Borgers: In einem Bericht des "heute journal" im ZDF gestern Abend hieß es gleich zu Beginn: Jede Seite, also Bund und Länder, lässt ihre Papiere kursieren. Früher hieß es in solchen Fällen mal zumindest im Journalistensprech, Informationen werden durchgestochen. Sind diese Zeiten vorbei, ist kursieren lassen das neue Durchstechen?
Eva Quadbeck: Ja, es ist ja so, dass es auch ein wirklich großes Interesse der Öffentlichkeit daran gibt, was da besprochen wird. Und es wäre wahrscheinlich gar nicht so günstig für die Ministerpräsidenten, wenn auch der Eindruck entstünde, dass wirklich alles hinter den Kulissen abgekaspert wird. Man da mit eben dieser kleinen Gruppe der Ministerpräsidenten und der Bundesminister, die sind ja nun auch immer zugeschaltet, zusammensitzt. Und dass dann nur die Regierungsmitglieder in irgendeiner Form etwas beschließen, ohne dass die Öffentlichkeit überhaupt weiß, worum es geht.
Deshalb haben durchaus alle Seiten ein Interesse daran, dass vorher eine Debatte entsteht, um auch ein bisschen Stimmungsbild abzufangen. Und weil natürlich dann auch jede Seite ein Interesse daran hat, möglichst ihre Punkte durchzubringen, ist es nicht verwunderlich, dass dann eben auch jede Seite ihre Papiere auf den Weg gibt.
Ja, das ist klassisches Durchstechen, wobei die Sachen inzwischen so breit dann auch gestreut sind: Also wer im Regierungsviertel gut vernetzt ist, der hat schon Möglichkeiten, an diese Papiere ranzukommen. Also mann muss schon valide, sichere, gute Kontakte haben, aber es ist dann auch am Ende für einen langjährigen Korrespondenten kein Hexenwerk mehr, da ranzukommen. Weil, wie gesagt, beide Seiten, sowohl die Länder, die einzelnen Länder, SPD-geführte Länder, Unions-geführte Länder wie auch die Bundesregierung durchaus ein Interesse daran haben, vorzukommen.
"Der Wunsch nach Neuigkeiten ist groß"
Michael Borgers: Ein Ergebnis dieser Art und Weise, die Menschen zu informieren, ist aber auch, dass sie ein Stück weit verunsichert werden, dass sie nachher nicht mehr genau wissen, was gilt denn nun tatsächlich: Das, was ich vorher gehört habe oder nachher? Sie sagten, dass Politik da ein bisschen Stimmungen auslotet. Lassen sich Medien da nicht auch ein Stück weit instrumentalisieren, wenn sie das mitmachen?
Eva Quadbeck: Also der Wunsch nach Nachricht, nach Neuigkeiten über das, wie unser Leben fortgesetzt werden kann in der Pandemie, der ist so groß - das stellen wir auch fest, wenn wir einfach sehen, wie die Zugriffszahlen auf unseren Online-Seiten sind -, dass wir von unserer Seite sagen: Wir müssen das auf jeden Fall bedienen, die Menschen wollen das wissen.
Sie haben natürlich recht, dass man damit auch Verwirrung stiften kann, vor allen Dingen, wenn man irgendetwas meldet und sagt, der Lockdown soll bis zu dem und dem Datum gehen oder die Schulen werden morgen geschlossen und dem ist nicht so. Deshalb sind wir mit diesen Dingen auch echt immer total vorsichtig und wir prüfen - aus welcher Ecke kommt das Papier - und wir schreiben das auch immer dazu - es ist ein Entwurf, von wem kommt der Entwurf oder ist das schon eine Vorlage für die Sitzung?
Und man kann dann in diesen Papieren auch sehen, in welchen Farben die Dinge geschrieben sind. Das was schwarz ist, das ist das, was schon weitgehend geeint ist. Es gibt ja immer Vorgespräche und dann gibt es immer Dinge, die stehen in eckigen Klammern oder die sind irgendwie rot dazugesetzt. Und das muss man dann auch entsprechend in seiner Berichterstattung transportieren, indem man zum Beispiel sagt, wie aktuell jetzt: Es wird darüber debattiert, ob Leute, die in Mallorca Urlaub gemacht haben, wenn sie wieder hier sind, in Quarantäne müssen. Aber dann schreiben wir, es wird darüber debattiert. Dann sagen wir natürlich nicht, dass das so ist. Das können wir auch noch gar nicht sagen, weil aktuell zum Beispiel in dem Papier steht es in eckigen Klammern drin.
"Ich brauche mindestens zwei Quellen"
Michael Borgers: Sie sagen, Sie gehen vorsichtig mit solchen Informationen um und verbreiten sie auch vorsichtig. Andere - und damit meine ich jetzt vor allem die "Bild" - haben in der jüngeren Vergangenheit auch Schlagzeilen damit gemacht, zu informieren, indem man digitale Nachrichten, WhatsApps oder SMS, die man aus den Verhandlungen der Ministerpräsidentenkonferenz erhalten hat, mehr oder weniger live dann auch in "Bild TV" öffentlich gemacht hat. Wo lägen für Sie Grenzen dieses Durchstechens, des Informationenweitergebens von Seiten der Politik?
Eva Quadbeck: Also bei mir ist die Grenze immer, dass ich sage: Ich brauche mindestens zwei Quellen, um dann aus so einer laufenden Ministerpräsidentenkonferenz etwas rauszugeben. Bei der "Bild"-Zeitung, das ist ein besonderer Fall, da sind ja dann auch selbst die Beteiligten in der Runde befremdet und auch immer wieder erstaunt, wie schnell das Ganze rausgeht und wenn das dann eben so eins zu eins rausgegeben wird, dann ist da natürlich auch ein hoher manipulativer Charakter dabei.
Und wenn Sie dann die Frage stellen, werden die Medien da vor den Karren gespannt? Klar. Sie werden dann instrumentalisiert, weil es ja dann auch darum geht, dass eine bestimmte Sainte eine bestimmte Information transportiert haben möchte. Und das führt dann in den Sitzungen wiederum dazu, dass das Misstrauen natürlich groß ist und dass eben nicht mehr offen diskutiert wird, und dass jeder vorsichtig ist, was er sagt, weil er eben Angst hat, dass, wenn er Dinge auch mal ein bisschen steiler formuliert, um seine Position klarzumachen, um seine Position zu schärfen, dass das dann eben in dieser Schärfe in der Öffentlichkeit landet und auch überinterpretiert bei den Menschen ankommt.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.