Georg Ehring: Die Staatengemeinschaft hat mit dem Pariser Abkommen einen Beschluss, die Erwärmung auf deutlich unter zwei Grad zu begrenzen, wenn möglich sogar unter eineinhalb Grad. Wie der umgesetzt werden soll, wenn es überhaupt noch möglich ist, darüber beraten ab heute wieder die Unterhändler aus knapp 200 Staaten bei einer Klimakonferenz in Bonn. Es geht vor allem um das Kleingedruckte des Pariser Abkommens, also etwa um die Frage, wie die einzelnen Staaten sich bei der Erfüllung ihrer Zusagen in die Karten schauen lassen.
Doch in der großen Politik haben sich die Verhältnisse geändert. Die USA machen beim Klimaschutz nicht mehr mit, unabhängig davon, ob sie das Abkommen formell aufkündigen oder nicht. Vor dieser Sendung habe ich Oliver Geden von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin gefragt, ob er mit einem Ausstieg der USA rechnet.
Oliver Geden: Ja, es ist tatsächlich schwer einzuschätzen. Ich würde sagen, im Moment stehen die Chancen fifty-fifty. Die rechten Ideologen in der US-Regierung wollen austreten und wollen dieses Zeichen setzen, wir machen nicht mehr mit, weil es auch eine große Skepsis gegen internationale Organisationen und Verpflichtungen auf internationaler Ebene gibt. Die pragmatische Fraktion in der US-Regierung sagt, warum, wir können doch drin bleiben und einfach unsere Ziele nach unten korrigieren, eigentlich sind wir ja nicht gezwungen, im Paris-Abkommen die Ziele, die die Vorgängerregierung, die Obama zugesagt hat, wirklich einzuhalten, und man hört jetzt seit Wochen unterschiedliche Signale und es scheint, im Grunde genommen so eine Art Patt zu geben und spätestens für den G7-Gipfel in Italien Ende des Monats will Trump sich entschieden haben.
"Trump will auf Kohle, Öl, Schiefergas setzen"
Ehring: Würde es denn einen Unterschied machen? Der zweitgrößte Emittent weltweit verabschiedet sich aus der praktischen Klimapolitik ja auf alle Fälle.
Geden: Ja das, finde ich, ist das entscheidende Argument. Es ist nicht, ob die USA im Paris-Abkommen bleiben oder nicht, sondern was sie tatsächlich tun, und das hat Trump gewissermaßen ja schon klar gemacht, dass Klimapolitik keinen hohen Stellenwert mehr genießen wird und dass er auf Kohle, auf Öl, auf Schiefergas setzen will. Gewissermaßen unterhalten wir uns jetzt darüber, sind sie dann noch in einem Abkommen, wie ist dann international die Stimmung in der Klimapolitik, und es gibt auch Stimmen, die sagen, wäre es nicht besser, wenn die USA austreten würden aus dem Paris-Abkommen, dann wäre jedenfalls für jeden klar, wo sie stehen. Andere sagen und das ist auch ein berechtigtes Argument, das globale Momentum würde möglicherweise zusammenbrechen, wenn der zweitgrößte Emittent doch sehr deutlich macht, das geht uns alles nichts mehr an, damit wollen wir nichts mehr zu tun haben.
"Manche der Staaten haben relativ schwache Ziele"
Ehring: 144 Staaten haben Paris ratifiziert. Haben sich die übrigen 143 ohne die USA schon begonnen, neu zu sortieren?
Geden: Ob sie sich wirklich begonnen haben, neu zu sortieren? Man muss schon sehen und das macht die Debatte um den US-Beitrag auch klar, dass der Erfolg von Paris nur erreicht werden konnte, indem man jedem Land selbst überlässt, was es zu gedenkt. Und die einzige Verpflichtung, die wirklich besteht, ist, alle fünf Jahre neue Ziele zu formulieren. Es ist rechtlich nicht einmal verpflichtend, diese Ziele dann auch wirklich umzusetzen. Das heißt, manche der Staaten, die schon ratifiziert haben, haben relativ schwache Ziele. Es ist auch völlig klar, dass Schwellen- und vor allen Dingen Entwicklungsländer bis zum Jahr 2030 erst mal nicht im Vordergrund stehen, sondern die Industriestaaten wie zum Beispiel die USA. Der Erfolg von Paris war, dass zum ersten Mal alle sich auf den Weg gemacht haben, aber manche sind da noch nicht allzu schnell unterwegs.
"Wenn nicht mal die USA das noch ernst nehmen..."
Ehring: Wie sehen Sie denn die Wahrscheinlichkeit, dass andere Staaten dem Beispiel der USA folgen und ihre Anstrengungen jetzt zumindest reduzieren?
Geden: Ja, die Gefahr sehe ich schon. Wenn der zweitgrößte Emittent formell sogar aussteigt, dann fördert das natürlich Argumente in zögerlichen Staaten, die sagen, na ja, wenn nicht mal die USA das noch ernst nehmen, warum sollen wir jetzt vorangehen. Das wird man in einigen Schwellenländern, emerging economies, vermutlich schon sehen. Es hat noch nicht begonnen. Es könnte übrigens auch in der EU passieren, dass Länder wie Polen mit dem expliziten Vorbild Trump dann sagen, wir müssen unser eigenes Engagement dort infrage stellen. Das ist eine der großen Gefahren. Bislang hat das aber noch niemand getan.
Cañete: "Ihr könnt doch eure Ziele einfach nach unten korrigieren"
Ehring: Kann denn dann die Rechnung noch aufgehen, oder sind dann die zwei Grad Makulatur?
Geden: Sagen wir mal so: In Paris sind nationale Ziele beschlossen worden, die, wenn sie alle umgesetzt werden und man sie zusammenrechnet, ungefähr auf drei Grad hinauslaufen. Und in Paris ist dann versprochen worden, durch einen sogenannten Revue-Mechanismus, dass man diese nationalen Beiträge dann in Fünf-Jahres-Schritten anpassen wird. Das heißt, um von dem Paris-Abkommen oder von den Pariser Verpflichtungen auf einen Zwei-Grad-Pfad zu kommen, müsste man das steigern. Das Erstaunliche war jetzt in der vergangenen Woche, dass in dem Versuch, die USA in dem Abkommen zu halten, der EU Energie- und Klimakommissar Cañete relativ deutlich gesagt hat, tretet bitte nicht aus, ihr könnt doch eure Ziele einfach nach unten korrigieren. Das war insofern erstaunlich, als dass man nach Paris immer gehört hat, Ziele dürfen nur nach oben korrigiert werden, dürfen allenfalls verschärft werden. Wenn das passiert, wenn man den USA zugesteht, dann korrigiert eure Ziele nach unten, schwächt sie einfach ab, aber Hauptsache ihr seid dabei, dann besteht natürlich die Gefahr, dass so ein Gefühl der Beliebigkeit entsteht, 'anything goes', jeder kann machen, was er will, und dann kommen wir noch weiter weg von einem Zwei-Grad-Pfad, von 1,5 Grad gar nicht erst zu sprechen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.